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Bücher

  • Cover: „Der Tollhauseffekt“ (2018)
ISBN Nr.: 
9783865816597
Sarina Keller
,
oekom verlag

Die deutsche Windindustrie auf dem internationalen Markt

39,95 Euro

In globalen Energieszenarien spielt die Windenergie eine wichtige Rolle für den zukünftigen Strommix. Die Technologie hat sich bewährt und die Windbranche entwickelt sich zu einer reifen Industrie. Während der bisherige Ausbau der Windenergie stark von deutschen und europäischen Unternehmen bestimmt wurde, sind nun chinesische und amerikanische Unternehmen auf dem Weltmarkt weitgehend führend.

Das vorliegende Buch untersucht daher maßgebende Erfolgsfaktoren der deutschen Windbranche auf dem internationalen Markt und konzentriert sich auf zwei Bereiche: Zum einen wird die Anwendbarkeit der Erfolgsfaktorenforschung – ein Konzept aus dem strategischen Management – einer kritischen Prüfung unterzogen. Zum anderen werden in einer qualitativen Analyse Erfolgsfaktoren diskutiert, die für die vergleichsweise junge Branche wichtig sind. Entscheidend ist es demnach, Lösungen, Strategien oder Technologieentwicklungen aus anderen Branchen zu transferieren (Transferkompetenz) und eine gemeinsame Technologieentwicklung in der Wertschöpfungskette (Joint Development) zu etablieren.

Leseprobe aus dem Buch:

Kapitel 2.2.1. Stand und Perspektiven der globalen Windenergienutzung

Stand der globalen Windenergienutzung

Die globale Stromproduktion hat sich in den letzten Dekaden fast verdoppelt: während 1990 noch etwas mehr als 11 Petawattstunden Strom weltweit produziert wurden, erreichte die Produktion 2011 schon mehr als 22 Petawattstunden (EIA 2013; Enerdata 2012). Während in Europa 2010 ungefähr 3.300 Terawattstunden erzeugt wurden, legte die Stromproduktion in den USA von etwas über 3.000 Terawattstunden im Jahr 1990 auf etwas über 4.000 Terawattstunden im Jahr 2010 zu (EIA 2013; Eurostat 2012). Der Anteil Erneuerbarer Energien an dieser Stromproduktion beträgt 19,4 Prozent im Jahr 2010, wovon 16,1 Prozent Wasserkraft ist (REN21 2011, S. 18). Damit liegt die Stromproduktion durch Erneuerbare Energien ohne Wasserkraft bei etwa 700 Terawattstunden im Jahr 2010. In Abb. 10 ist die Entwicklung der Bruttostromerzeugung dargestellt.

Mit einem Anteil von 1,54 Prozent im Jahr 2010 (327 Terawattstunden) an der globalen Stromerzeugung trägt die Windenergie wesentlich zu dem Anteil Erneuerbarer Energien bei und ist die Technologie, welche in den letzten beiden Dekaden vom absoluten Volumen her gesehen am deutlichsten gewachsen ist: von etwa 3,5 Terawattstunden im Jahr 1990 auf 330 Terawattstunden im Jahr 2010 (EIA 2013). Dabei wurden insgesamt bis 2010 weltweit 198 Gigawatt an Kapazität installiert (REN21 2011). Zu Beginn der Neunziger Jahre lag die weltweite Kapazität noch bei 1.930 Megawatt (EPI 2012).

Stromerzeugung weltweit

Die Nutzung der Windenergie in Deutschland hat in den letzten beiden Dekaden und davon signifikant in der letzten Dekade seit der Einführung des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) zugenommen. Ausgehend von einem Bruchteil an der Stromerzeugung im Jahr 1990 trägt die Windenergie inzwischen fast acht Prozent zu Stromerzeugung in Deutschland bei (BMU 2012a). International gehört Deutschland damit zu den führenden Ländern in Bezug auf die Windenergienutzung. Wie in Abb. 11 zu sehen ist, nahm Deutschland damit in Bezug auf die absolut installierte Kapazität bis 2008 auch den Spitzenplatz ein, wurde dann aber 2008 von den USA und ab 2009 von China überholt. Seit da führt China die Rangliste hinsichtlich der weltweit installierten Kapazität an.

Windenergie installierte Kapazität

Die Entwicklungen in den USA und China sind jedoch auch an der dortigen Gesamtstromerzeugung zu spiegeln, welche stark zugenommen hat. Im Vergleich mit Deutschland zeigt die Grafik, dass der Windenergiemarkt in Deutschland stetig wächst, aber bei weitem nicht die gleiche Dynamik und auch nicht das gleiche Volumen zeigt wie der chinesische und amerikanische Markt. Perspektiven der globalen Windenergienutzung Für die Betrachtung des zukünftigen Ausbaus Erneuerbarer Energien sind drei Aspekte von Bedeutung: Die Frage nach dem technisch und ökonomisch machbaren Ausbau, die Frage nach dem ökologisch notwendigen oder gewünschten Ausbau sowie die politisch angestrebten Ausbauziele für Erneuerbare Energien. Die ersten beiden Fragen können mittels der Szenariomethodik abgeschätzt werden. Zu diesem Zweck werden weltweit von verschiedenen Institutionen, Unternehmen und Regierungen Energieszenarien erstellt, mit deren Unterstützung mögliche Entwicklungspfade des Energiesystems aufgezeigt werden können.

[…]

Zusammenfassend kann zu Energieszenarien festgestellt werden, dass auf Grund der inhärenten Subjektivität, der Komplexität, der divergierenden Annahmenqualität und der fehlenden Transparenz bezüglich der Daten sowie durch die szenarienimmanente Charakterisierung von Entwicklungspfaden als alternativ mögliche aber nicht zwingend notwendige, und auch auf Grund unterschiedlicher verwendeter Szenarienarten, keine evidenten Aussagen über zukünftige länderspezifische Technologiepfade getroffen werden können und kein direkter detaillierter Vergleich realisierbar ist.

Im Folgenden müssen daher Trendangaben einer Auswahl von Szenarien ausreichen, um Ausbaupfade aufzuzeigen und die Bedeutung von Windenergie (und damit die Auswahl für diese Arbeit) zu begründen: „[…] ist auch die Einschätzung über die absolute oder relative Bedeutung einzelner Technologien szenarioabhängig. Sie bestimmt sich sowohl aus den zugrundeliegenden Annahmen als aber auch aus dem gesamtsystemaren Kontext.“ (Fischedick & Wolters 1999, S. 471–472). Wenn sich daher eine signifikante Entwicklung in allen betrachteten Szenarien verfolgen lässt, wird dies als Robustheit einer (Technologie-)entwicklung gewertet: „Ist aber die Schnittmenge für die resultierenden Marktanteile bestimmter Technologien hoch, ist dies ein wesentliches Zeichen für hohe Markterwartungen und zwar unabhängig von der Veränderung der Randbedingungen. Die Entscheidung von Unternehmen, solche Technologien verstärkt weiterzuentwickeln und in den Markt einzuführen kann daher als hinreichend robust bezeichnet werden.“ (ebd., S. 470).

Bei Betrachtung der aktuell verfügbaren weltweiten Energieszenarien fällt auf, dass sowohl eine Einzelländerbetrachtung wie auch die Ausweisung spezifischer Technologien, besonders Erneuerbarer Energien, keine Selbstverständlichkeit ist. Im Rahmen dieser Arbeit mit den weiter oben vorgegebenen Spezifikationen können nur das Alternativszenario des World Energy Outlook (WEO) der Internationalen Energieagentur (IEA) von 2012 (IEA 2012) sowie das Energy [R]evolution Szenario im Auftrag von Greenpeace und dem European Renewable Energy Council (EREC) von 2012 (Teske 2012) betrachtet werden.

Technologien zur Erzeugung regenerativer Energien können sowohl im primärenergetischen Bereich (zum Beispiel Biomasse als fester oder gasförmiger Brennstoff) wie auch als Endenergie (Stromerzeugung zum Beispiel aus Wasserkraft) oder Nutzenergie (zum Beispiel Wärme aus solarthermischen Anlagen) eingesetzt werden. Der größte Anteil dieser Technologien ist für die Verwendung im Stromsektor geeignet, PV und Windenergie sogar ausschließlich. Strom ist außerdem ein Energieträger mit wachsender Bedeutung, da diese Energieform sehr variabel einsetzbar ist und am Ort der Nutzung keine Verschmutzung durch die energetische Nutzung anfällt: „Strom ist ein wichtiger Energieträger, und er wird insbesondere in den Drittweltländern wichtiger werden, wenn sich eine nachhaltige Entwicklung durchsetzt.“ (Hennicke & Lovins 1999, S. 62).

Gerade für Erneuerbare Energien-Technologien scheint dies zuzutreffen, wie schon seit langem vorhergesagt: „In the longer term the renewable energy sources is likely to be deployed via the electricity route.“ (WEC 1993, S. 55). Wie schon unter den Kritikpunkten aufgeführt, sind (Erneuerbare Energien-) Technologien in einigen Szenarien nicht trennscharf aufgeführt, allerdings gilt dies insbesondere für den Bereich des Primärenergieverbrauchs, weniger für die Stromproduktion.

Um die Perspektiven der Technologieentwicklungen nachvollziehen zu können, werden im Folgenden die Anteile der verschiedenen Erneuerbaren Energien weltweit sowie bei ausgewählten Ländern betrachtet. Zu diesem Zweck werden das ‚Energy [R]evolution Scenario‘ 2012 des EREC sowie das ‚New Policies Scenario‘ der IEA aus dem WEO 2010 verwendet (IEA 2010c; Teske 2012). In Abb. 12 werden die Anteile der Erneuerbaren Energien an der Gesamtstromerzeugung weltweit von 2009 im Gegensatz zu 2020 und 2030 dargestellt. Zum Vergleich ist auch das BAU-Szenario des WEO (das sogenannte ‚Current Policies Scenario‘) eingefügt.

Anteil erneuerbare Energien - Szenarien

An Hand dieser Grafik kann ein eindeutiger Trend für die Windenergie als führende Technologie der Erneuerbaren Energien weltweit festgestellt werden, da diese Technologie konsistent je Szenario stets den größten Anteil an der Gesamtstromerzeugung beiträgt im Gegensatz zu den anderen Erneuerbaren Energien (beziehungsweise der konventionellen Wasserkraft). Windenergie wird auch von verschiedenen anderen Autoren als Pfeiler der zukünftigen Energieversorgung auf Basis der Erneuerbaren Energien gesehen: „In the long term; wind will be the most important single source of electricity generation.“ (Teske et al. 2007b, S. 41, aber auch schon WEC 1993, S. 57). In Abb. 13 werden daher die projektierten Ausbauraten für die Windenergie miteinander verglichen, unterschieden nach den weltweit von der Menge her führenden Ländern beziehungsweise Ländergruppen.

Anteil Windenergie - Szenarien

Hier zeigt sich, dass in den IEA-Szenarien jeweils die USA vor den anderen Ländern liegt in Bezug auf die erzeugte Menge an Strom durch Windenergie. Die Anteile von Stromerzeugung durch WEA Offshore werden in den Szenarien unterschiedlich angegeben. Weltweit wird davon ausgegangen, dass im Jahr 2030 knapp 20 Prozent der Windenergie Offshore erzeugt werden. Während jedoch der Anteil in Europa bei knapp 50 Prozent liegen soll, wird von einem Anteil von etwa fünf Prozent in Nordamerika ausgegangen (Teske 2012).

Vergleicht man die Offshore erzeugten Strommengen mit den ausgebauten Kapazitäten Offshore, zeigt sich, dass die Anteile in den USA sowohl bei der Erzeugung als auch bei der Kapazität um die fünf Prozent liegen, während in Europa bei einem Erzeugungsanteil Offshore von knapp 50 Prozent nur etwa 30 Prozent der installierten Kapazität Offshore sind. Dies weist darauf hin, dass die Onshoreanlagen in den USA technologisch in etwa den Offshoreanlagen entsprechen werden, und/oder dass bei den Offshoreanlagen in Europa ein deutlicher Technologievorsprung erwartet wird gegenüber den Onshore installierten Anlagen.

Damit zeigt sich eine klare Tendenz für das Marktpotential in den USA: die Ausbaumöglichkeiten für Offshoreanlagen werden deutlich geringer eingeschätzt und die höhere Relevanz der Onshoretechnologie zugesprochen. Gleichzeitig kann die USA als einer der führenden Märkte in Bezug auf die Potentiale gesehen werden, dem auch mittelfristig noch ein dynamisches Wachstum vorhergesagt wird. Zeitlich ist dieses Wachstum allerdings den Schwellen- und Entwicklungsländern vorgelagert: „Die Dynamik des EE-Ausbaus [Erneuerbare Energien-Ausbaus, Anm. d. Verf.] in den Weltregionen wird sich durchaus unterschiedlich gestalten. Während Europa und auch die USA einen wesentlichen Teil des EE-Ausbaus bis 2020 erreichen können, werden die Schwellenländer und auch die Entwicklungsländer sich erst zwischen 2020 und 2030 verstärkt der Strom- und Wärmebereitstellung durch erneuerbare Energien zuwenden.“ (Lehr et al. 2011, S. 216).

Potentiale der Windenergie in den USA

Bisher spielen Erneuerbare Energien auf dem US-amerikanischen Energiemarkt eine untergeordnete Rolle: die Jahresproduktion von 4.147 Terawattstunden in Jahr 2011 wird zu knapp 70 Prozent von fossilen Energieträgern sowie zu knapp 20 Prozent von Kernkraft abgedeckt (EIA 2012a). Windenergie trägt zu guten zwei Prozent zur Stromproduktion bei – vor fünf Jahren waren es noch etwa ein Prozent (DOE 2008, S. 23; EIA 2012a). Sieht man sich die Prognosen für das Wachstum der Stromproduktion an, rechnet die US-amerikanische ‚Energy Information Agency‘ mit einer Gesamtproduktion von 4.835 Terawattstunden im Jahr 2030 (Erneuerbare Energien 2010).

In der Studie „20 % wind energy by 2030“ aus dem Jahr 2008, welche vom US-amerikanischen Energieministerium (Department of Energy (DOE)) herausgegeben worden ist, wird dargestellt, wie ein Anteil von 20 Prozent Windenergie an der Stromproduktion im Jahr 2030 machbar sein kann (DOE 2008). Dies entspräche laut der Studie mehr als 300 Gigawatt an Winderzeugungskapazität, die notwendig wären. Im Gegensatz zum jetzigen Anteil müssten so in den nächsten 18 Jahren mehr als 250 Gigawatt zugebaut werden, was einer Rate von durchschnittlich circa 14 Gigawatt pro Jahr entspräche (vgl. auch AWEA 2012). Allerdings gehen die Prognosen in der Regel davon aus, dass ein schnellerer Zubau bis circa 2020 erfolgt, der sich in der Dekade danach abschwächt (DOE 2008, S. 7). Neuere Prognosen, die nach der Finanzkrise 2008/2009 erstellt wurden, rechnen dagegen mit einem Szenario geringeren Wachstums von circa vier Gigawatt pro Jahr beziehungsweise mit einem hohen Wachstum von etwa zehn Gigawatt pro Jahr, dann aber auch erst ab 2020 (EER 2011b, S. 3–12).

Die Windenergiepotentiale in den USA werden, wie auch den Energieszenarien zu entnehmen ist, insgesamt als hoch eingeschätzt, insbesondere die Windressourcen im sogenannten ‚green belt‘ und an den Küsten im Osten und Westen. Trotzdem finden sich im Prinzip in den USA fast überall nutzbare Windressourcen, vergleicht man die durchschnittlichen Windverhältnisse mit den europäischen (ebd., S. 2–29). Wie in der DOE-Studie wurden zu Beginn der 1990er Jahre als technisches Potential der Windenergie in den USA ebenso ein Anteil von 20 Prozent (als Anteil im Verhältnis zum damaligen Stromverbrauch) angenommen, der mit der damaligen Technologie mit den vorhandenen Windressourcen gedeckt werden können sollte (Elliott et al. 1991, S. 59). Dies hat sich aber sowohl durch Technologieentwicklung als auch hinsichtlich der wachsenden Stromproduktion überholt.

Die Offshoreressourcen in den USA werden recht unterschiedlich eingeschätzt: von 71 Gigawatt bis fast über 4000 Gigawatt werden Zahlen genannt (EER 2011b, S. 2–30; Höflinger 2012; Iken 2008b, S. 40). Vorteil der Offshoreressourcen in den USA ist, dass sie sich (im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern) in der Nähe der großen Lastzentren an der Ost- und Westküste befinden. Ebenso können in den Großen Seen durch ihre Größe OffshoreWEA aufgestellt werden, die dann auch in der Nähe der dortigen Lastzentren Strom produzieren könnten. Allerdings haben die Gebiete der Großen Seen den Nachteil, dass sie durch ihre geringe Tiefe mit durchschnittlich 19 Meter Binnenseen im Winter zufrieren (Iken 2008b, S. 41). Allerdings wird nicht vor wesentlichen Bewegungen im Offshoremarkt vor 2015 gerechnet, trotz neuer staatlicher Gesetzesinitiativen Anfang 2012 (Höflinger 2012).

Die aktuelle Regierungsstrategie sieht für 2020 einen Ausbau auf zehn Gigawatt Offshore vor (DOE 2011). Durch die große Entfernung der guten Windressourcen im Windkorridor zu den meisten Lastzentren ist eine der wichtigsten Fragen für den weiteren Windenergieausbau die Situation der Stromübertragung. Sowohl in der 20%-DOE-Studie wie auch vom Amerikanischen Windenergieverband (AWEA) werden daher Konzepte entworfen, wie die zukünftige Netzversorgungsstruktur aussehen könnte, um gerade diese Diskrepanz zwischen Windressourcen und Lastzentren zu überbrücken (AWEA & SEIA 2009, S. 7; CRA 2010; DOE 2008, S. 12; EER 2011b, S. 2–22).

Auf Grund der Ergebnisse, die auch bei der Analyse der Energieszenarien auf die Bedeutung der USA als führenden Windenergiemarkt der Zukunft hinweisen, bietet sich dieser für die detaillierte Betrachtung im Rahmen der vorliegenden Arbeit an. Dabei können die Erfolgsfaktoren der Internationalisierung für die deutsche Windindustrie in einem mittelfristigen Zeitrahmen analysiert werden.

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