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Bücher

  • Cover: „Der Tollhauseffekt“ (2018)
ISBN Nr.: 
978-3-8167-9603-9
Horst Bellmer
,
Fraunhofer IRB Verlag

Schäden an Tragstrukturen für Windenergieanlagen

43,00 Euro

Mit der Energiewende und dem daraus entstandenen Boom für Windenergieanlagen mit immer größeren Dimensionen ist für den planenden Ingenieur ein völlig neues, sehr anspruchsvolles Aufgabengebiet entstanden. Hinzu kommt, dass – anders als bei üblichen Bauwerken des Hoch- und Ingenieurbaus – Türme und Fundamente für Windenergieanlagen nicht nur einmal, sondern in großer Stückzahl in Serienproduktion gebaut werden. Nachweise sind nicht nur für die Standsicherheit und Gebrauchstauglichkeit zu führen, sondern zusätzlich für die Dynamik und die Betriebssicherheit. Daher sind Windenergieanlagen schwierige Ingenieurbauwerke, bei denen sich Planungs- oder Konstruktionsfehler nahezu katastrophal auswirken können.

Der Autor stellt zunächst die konstruktiven Grundlagen wie Konstruktionsformen, Fundamentarten, Lastannahmen und Beanspruchungen sowie die zugehörigen Regelwerke vor. Er beschreibt die grundsätzlichen Probleme vor allem im Gründungsbereich und erläutert anhand von Schadensbeispielen die verschiedenen kritischen Elemente von der Verankerung der Türme auf unterschiedlichen Fundamenten über Eigenfrequenzprobleme bis zu Schäden an Fertigteiltürmen.

Das Buch wird so zu einem wichtigen Hilfsmittel für die Planung und Berechnung von Windenergieanlagen und bei der Beurteilung von Schäden und Risikopotenzialen.

Der Titel ist Teil der Fachbuchreihe »Schadenfreies Bauen«, in der das gesamte Gebiet der Bauschäden dargestellt wird. Erfahrene Bausachverständige beschreiben die häufigsten Bauschäden, ihre Ursachen und Sanierungsmöglichkeiten sowie den Stand der Technik. Die Bände behandeln jeweils ein einzelnes Bauwerksteil, ein Konstruktionselement, ein spezielles Bauwerk oder eine besondere Schadensart.

 

Leseprobe aus dem Buch:

[…]

4 Allgemeine Probleme bei Gründungen

Die Bedeutung der Fundamente für die Standsicherheit einer gesamten Windenergieanlage wird leider häufig unterschätzt, weshalb es bei der Planung und Ausführung manchmal an der notwendigen Sorgfalt mangelt und dadurch teilweise große Probleme entstehen.

Ursachen für festgestellte Mängel

  • Ausführungsmängel (beim Betoneinbau/beim Einbau des Stahleinbauteils/beim Bewehrungseinbau)
  • Planungsfehler
  • fehlende Koordination
  • Baugrundverhalten

Gerade bei kleineren Anlagen wurden und werden Fundamente manchmal in Eigenarbeit oder durch Firmen ohne spezielle Sachkenntnis hinsichtlich der Schwierigkeit der Aufgabe und ohne Erfahrung erstellt.

Ausführungsmängel im Einzelnen:

  • nicht ausreichende Betondeckung,
  • fehlerhaft eingebaute Bewehrung,
  • unzureichende Betonnachbehandlung,
  • Betonieren bei tiefen Temperaturen,
  • Betonrezeptur nicht richtig, Zugabe von Wasser,
  • Vergussfugen zeigen Risse oder Fehlstellen.

 

4.1 Beispiel für einen Planungsfehler

Für eine Windenergieanlage ist in Deutschland eine Flachgründung gerechnet und konstruiert worden. Der Kunde in Asien wollte seine eigene Planung durchsetzen. Statt einer detaillierten Berechnung wurde eine Konstruktion gemäß Erfahrungswerten durchgeführt. Der Anlagenhersteller hatte aber Zweifel an der Tragsicherheit dieses Fundaments und beauftragte einen deutschen Prüfingenieur mit der Nachprüfung der eingereichten Unterlagen.

Dabei ergaben sich aus deutscher Sicht einige Probleme:

1. Die untere Tragbewehrung war nicht ausreichend tragsicher.
2. Die obere Tragbewehrung war nicht ausreichend tragsicher.
3. Die Querkraftbewehrung war teilweise nicht ausreichend.
4. Eine Aufhängebewehrung neben dem Stahleinbauteil fehlte generell.

Bild 17 (hier nicht dargestellt) zeigt die vorgesehene Bewehrung für das geplante Fundament.

Nach längeren Diskussionen wurden die beiden bereits fertigen Fundamente aufgegeben und direkt daneben neue Fundamente gebaut - diese gemäß den deutschen planerischen und rechnerischen Vorgaben. Zusätzlich verlangte der Kunde nun aber eine kontinuierliche Überwachung der Arbeiten durch einen deutschen Ingenieur, weshalb ein Mitarbeiter des Prüfingenieurs für acht Wochen nach China fahren konnte.

 

4.2 Probleme infolge einer Fehleinschätzung des Baugrunds

Immer wieder ergeben sich Fehler aus der Fehleinschätzung bzw. mangelhaften Untersuchung des Baugrunds.

Fehlerquellen sind im Einzelnen:

  • zu geringe Erkundungstiefe,
  • nicht ausreichende Anzahl der Erkundungen,
  • Fehleinschätzung der Tragfähigkeit des Baugrunds,
  • unzureichende Tiefe und Tragfähigkeit von Pfählen,
  • fehlende Angabe für die Mindesttragfähigkeit des Baugrunds für den Bauzustand (auch bei Tiefgründungen) - Aufnahme des Frischbetongewichts muss gewährleistet sein,
  • fehlende Angabe der Wasserstände,
  • fehlende Untersuchung des Grundwassers auf Aggressivität gegenüber Beton oder Stahl.

 

4.3 Aufgetretene Probleme bei Flachgründungen

Flachgründungen für Windenergieanlagen haben naturgemäß relativ große Abmessungen. Dabei wird leicht übersehen, dass in den Randbereichen der Gründungskörper durch die Windbeanspruchung, wenn auch nicht ständig, dafür aber deutlich, eine größere Beanspruchung des Baugrunds erfolgt als im Mittelbereich des Gründungskörpers. Dort verhält sich der Baugrund steifer. Der Effekt ist eine Sattellage, die im Extremfall zum Aufschaukeln führen kann.

Eine Abhilfe ist möglich durch Einlage einer Weichschicht im Mittelbereich, die zumindest eine gewisse Entlastung für diesen Bereich bewirken kann. Eine bessere Lösung wäre es, von vornherein Kreisringfundamente zu konstruieren.

Beispiel für einen konkret aufgetretenen Schaden

Ein flach gegründetes Kreuzfundament für eine relativ kleine Windenergieanlage stellte sich schief, weil der Baugrund an einem Rand offensichtlich nachgab. Die anschließende Untersuchung (ursprünglich hat es keine Baugrunduntersuchung gegeben) zeigte sehr schnell die Ursache:

Der Boden unter dem Fundament war extrem ungleichmäßig:

  • eine Seite der beiden Kreuzbalken lag auf verwittertem Fels,
  • die Gegenseite lag dagegen auf einer bis zu 1,50 m dicken Tonschicht, die nur wenig tragfähig ist; erst darunter folgt der verwitterte Fels.

Die Sanierungsmaßnahme war einfach:

Die unterschiedlich dicke nicht tragfähige Schicht wurde abschnittsweise unter dem Fundament durch Magerbeton ersetzt. Infolge der relativ kleinen und günstigen Form als Kreuzfundament war die Maßnahme relativ problemlos. Die bereits aufgetretene Schiefstellung konnte noch akzeptiert werden und wurde daher nicht korrigiert.

Die Standsicherheit und die Gebrauchstauglichkeit konnten ohne Einschränkung wiederhergestellt werden.

 

4.4 Aufgetretene Probleme bei Tiefgründungen

Erstaunlicherweise haben sich gerade bei Tiefgründungen häufig Fehler eingestellt. Die anschließenden Beispiele spiegeln eine Palette möglicher Probleme wider.

4.4.1 Beispiel 1: Pfähle zu kurz

Ein Kreuzfundament wurde mit Stahlbetonfertigpfählen als Rammpfähle geplant. In der statischen Berechnung war entsprechend den Aussagen der vorliegenden Baugrundbeurteilung auch eine Aussage zur Länge der Pfähle ermittelt worden. Die ausführende Firma wollte davon abweichen und plante, die Einbindelänge der Pfähle um rund 1,50 m zu verkürzen. Die Nachtragsunterlagen wurden zur Prüfung eingereicht. Der Prüfingenieur konnte sich dieser Änderung nicht anschließen und wollte, dass die ursprünglich geplante Länge ausgeführt wird.

Inzwischen waren die Rammarbeiten für die erste von sechs Anlagen bereits abgeschlossen. Daraufhin wurde zur Klärung eine dynamische Probebelastung der bereits gerammten Pfähle durchgeführt. Die erforderliche Grenzlast wurde jedoch nicht erreicht: Die Pfähle waren also tatsächlich zu kurz.

Die Folgemaßnahme war relativ einfach:

Die bereits eingebrachten Pfähle wurden aufgegeben, der betroffene Standort konnte aber gerettet werden, indem das gleiche Pfahlbild um 45° gedreht gerammt wurde – allerdings nunmehr mit entsprechend längeren Pfählen. Die weiteren Standorte wurden nach Anlieferung entsprechend längerer Pfähle ebenfalls gebaut.

 

4.4.2 Beispiel 2: Baugrund versagt beim Betonieren

Auch in diesem Fall handelte es sich um ein tief gegründetes Kreuzfundament mit Stahlbetonfertigpfählen. Als Abschluss gegen das seitliche Erdreich waren vorgefertigte Betonplatten (aus dem Hochbau bekannt als teilfertige Wände oder Decken) als sogenannte verlorene Schalung vorgesehen. Es gab eine Baugrundbeurteilung, allerdings fehlten Angaben für die Mindesttragfähigkeit des Baugrunds und Aussagen zum Grundwasser.

Für die Ausführung der Fundamente wurde die Typenprüfung mit Auftrieb zugrunde gelegt. Die ausführende Firma beurteilte den Baugrund als wenig tragfähig (richtig!) und wollte das Fundament daher abschnittsweise betonieren. Eigentlich eine richtige Überlegung. Tatsächlich hätte dies aber durch eine ingenieurtechnische Beratung mit Begleitung des Baugrundsachverständigen entschieden und sogar berechnet werden müssen. Jedoch wie so häufig: Die Zeit drängte, es war kurz vor Weihnachten, es mussten noch Arbeiten erledigt werden, um die finanzielle Förderung für das laufende Kalenderjahr zu bekommen.

Somit wurden rund 70 cm Beton als erster Abschnitt betoniert, darauf nach Aushärtung des Betons (etwa sieben Tage später) der restliche Abschnitt. Nach dem Fertigstellen des zweiten Betonierabschnitts war aber festzustellen, dass sich die beiden kreuzenden Fundamentbalken in der Mitte stark durchsenkten - offensichtlich war es zu einem Versagen gekommen.

Für die Untersuchung wurden Bohrkerne gezogen. Dabei stellte sich heraus, dass zwischen den beiden Betonierabschnitten eine 5 bis 20 cm dicke Schicht aus Sand und Kies vorhanden war, die wie eine echte waagerechte Trennfuge zwischen den beiden Betonierabschnitten wirkte. Ein Zusammenwirken der beiden Betonierabschnitte war nicht möglich und die untere Schicht hatte unter der Gesamtlast offensichtlich versagt.

Ein zweites Fundament war bereits vorbereitet, die Bewehrung verlegt und die seitliche Schalung aus Halbfertigteilplatten war gestellt. Innerhalb von rund zehn Tagen hatte sich dieses »Traggebilde« aus dem Eigengewicht um rund 30 bis 40 cm durchgebogen und hing an den Enden nur noch auf den Pfählen.

Die erforderlichen Maßnahmen waren aufwendig:

Das nicht tragfähige (fertige) Fundament wurde durch eine neu geplante Kreisplatte überbaut und erforderliche Pfähle wurden in die jeweils noch freien Bereiche zwischen den Kreuzfundamentarmen eingebaut. Der bereits vorhandene Beton wirkte dabei nur als Sauberkeitsschicht. Das andere Fundament wurde völlig neu erstellt. Zur Sicherung des Frischbetons war ein Traggerüst (ähnlich wie beim Brückenbau) notwendig, das die Eigenlasten aus dem ersten Betonierabschnitt sicher zu den Pfählen ableiten konnte.

Ursachen

Nicht ausreichende Tragfähigkeit des Baugrunds zur Aufnahme der Eigenlasten aus dem Frischbeton in Verbindung mit mangelnder Sorgfalt beim Einbringen des Betons für den zweiten Abschnitt. Offensichtlich ist der Beton eingebracht worden, ohne das reichlich vorhandene Regenwasser abzupumpen. Die vorgefundene Sand-Kies-Schicht weist auf eine Entmischung des eingebrachten Frischbetons hin.

 

4.4.3 Beispiel 3: Baugrund versagt infolge Geländebruchs

Für zwei Großwindanlagen wurden Ortbetonrammpfähle eingebracht und anschließend die Baugruben (ca. 5,00 m tief) ausgehoben. Die vorhandene Baugrundbeurteilung war relativ allgemein gehalten, empfahl aber immerhin, im Bereich der Böschung eine Berme auf etwa halber Tiefe anzulegen. Nicht klar war, dass der Baugrund infolge Porenwassserüberdrucks sehr labil geschichtet war. Tatsächlich war lediglich die obere Schicht des Bodens überhaupt in der Lage, zumindest kleine Lasten abzutragen, wie die vorherige Nutzung als Weideland. Eine Störung war sicher auch durch das Einbringen der Pfähle erfolgt, weitere Störungen ergaben sich aus dem Baustellenverkehr. Es kam zu einem Geländebruch. Die dabei aufgetretenen Seitenkräfte auf die Pfähle führten zu einer Kopfverschiebung der Pfähle bis zu 1,50 m. Eine Nutzung der Pfähle für die spätere Lastabtragung war damit ausgeschlossen. Die Tragsicherheit des Baugrunds am Fuße der Aushubsohle war mit etwa 0,0 zu beurteilen. Es handelte sich um einen Baugrund, der nahezu eine flüssige Konsistenz aufwies.

Die Sanierung war ausgesprochen aufwendig: In die vorhandenen Lücken wurden neue Pfähle (Stahlrohre) eingebracht; der Aufbau des Fundaments konnte nur schichtweise in kleinen Schritten erfolgen. Für die unterste Schicht, die den tragenden Horizont für den nächsten Abschnitt darstellen sollte, wurden Hilfspfähle aus Holz vorgesehen. Darauf wurden eine Rüstung und Schalung für den ersten Betonierabschnitt aufgebracht. Dann erfolgte eine zweite Schicht. Darauf wurde eine Füllung mit Perlite gebracht, darauf wiederum die endgültige Fundamentform. Nach dem Erhärten des Konstruktionsbetons wurden die Perlite wieder ausgebaut. Nunmehr konnte der zuletzt erstellte Betonierabschnitt frei tragen und seine Lasten direkt zu den neuen Bauwerkspfählen abtragen. Die beiden Zwischenschritte wurden damit entlastet, das heißt sie tragen im Endzustand nicht mit. Rechnerisch war es erforderlich, alle Lasten den tragenden Pfählen zuzuweisen, damit keine ungewollten Zugkräfte in den Pfählen auftreten. Die Hilfspfähle und die beiden ersten Betonhorizonte waren somit reine Bauhilfen, die anschließend verloren unter der eigentlichen Gründungsplatte verblieben.

Beim zweiten Fundament, dessen Aushub die gesamte Zeit vorsichtshalber geflutet war, wurde eine ähnliche Bauweise durchgeführt, lediglich die bereits vorhandenen Ortbetonrammpfähle konnten genutzt werden. Die Schadenssumme geht in den siebenstelligen Bereich.

[…]

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