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Bücher

  • Cover: „Der Tollhauseffekt“ (2018)
ISBN Nr.: 
978-3-933634-46-7
Michael E. Mann/Tom Toles
,
Verlag Solare Zukunft
Cover: „Der Tollhauseffekt“ (2018)

Der Tollhauseffekt

24,90 Euro

Der Tollhauseffekt handelt vom Spannungsfeld zwischen Politik und Wissenschaft, wobei es vor allem um die klimaforschende Wissenschaft geht. Das Buch beschäftigt sich mit den Manipulationen sogenannter Klimaskeptiker, deren Pseudo- und Antiwissenschaft, die, allzu oft als seriöse Wissenschaft verkleidet, anerkannte Erkenntnisse und physikalische Tatsachen leugnet und zu untergraben versucht. Michael E. Mann, verantwortlich für die Texte im Buch, erläutert wie wissenschaftliche Methodik funktioniert und offenbart dadurch gleichzeitig die Tragik der politischen Debatte. So schreibt er unter anderem: „Leider wurde der Begriff ‚Skeptiker‘ gerade im Zuge der Klimadebatte verschleppt, um etwas ganz anderes zu auszusagen. Es wird benutzt, um Beweisen auszuweichen, die man einfach nicht mag.“ Das Buch analysiert, deckt auf, gibt aber auch Hoffnung! Die ganz besondere Qualität erhält das Buch durch die zahlreichen bissigen Zeichnungen des Cartoonisten Tom Toles.

 

Leseprobe aus dem Buch:

[1]
Wissenschaft

So läuft es

Im Prinzip sind wir uns sicher alle einig: Wissenschaft ist nützlich und wichtig. Erkenntnisse der Klimaforschung ziehen jedoch regelmäßig einen Sturm der Empörung und eine Flut von Gegenargumenten nach sich. Dieses Verhaltensmuster ist beunruhigend, denn es untergräbt ein ureigenes Prinzip der Wissenschaft.

Entnommen aus „Der Tollhauseffekt“ (2018), © 2016 Michael E. Mann and Tom Toles, All rights reserved.

Grundsätzlich unterliegen die Wissenschaften einem selbstkorrigierenden Mechanismus, um den berühmten Carl Sagan zu zitieren. Dadurch wird gewährleistet, dass sich die Wissenschaft, trotz gelegentlicher Fehlentwicklungen, Sackgassen und Fehltritte, insgesamt auf dem Weg zu einem stetig besseren Verständnis der Welt befindet und der Mensch mehr über sich und seine Umwelt erfährt. Dies geschieht vor allem anhand kritischer Kontrollen in Form von anonymen Bewertungen durch Fachkollegen und fachlicher Infragestellung, sogenannter Peer Reviews, auch Kreuzgutachten genannt. Dem liegt die übergeordnete, ebenfalls Sagan zugeschriebene Maxime zugrunde, dass außerordentliche Aussagen auch außerordentliche Beweise erfordern. Dabei ist redliche Skepsis immer bestrebt, die Wissenschaft durch unabhängige Prüfung und akribische Hinterfragung sämtlicher Details auf dem bestmöglichen Stand zu halten. Skepsis ist deshalb ein wesentliches Handwerkszeug allen wissenschaftlichen Arbeitens. Das ist nicht nur gut so, sondern letztendlich unentbehrlich. Die integre Skepsis ist sozusagen der Schmierstoff, der sicherstellt, dass der selbstkorrigierende Mechanismus am Laufen bleibt.

Leider wird mit den Begriffen skeptisch und Skeptiker inzwischen oft Schindluder getrieben, insbesondere in der Debatte um den Klimawandel. So wird vorgetäuschte Skepsis häufig dafür verwendet, unbequeme wissenschaftliche Erkenntnisse zu umgehen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um redliche Skepsis. Im Gegenteil, unter dem Deckmantel des Misstrauens wird vielmehr eine bewusst konträre Haltung, wenn nicht gar Leugnung, inklusive einer pauschalen Ablehnung validierter und weithin anerkannter wissenschaftlicher Grundsätze, versteckt. Die Motive sind dabei ganz unterschiedlich. Meist beruht die vorgetäuschte Kritik auf Meinungen, Ideologien, finanziellen Interessen, Eigennutz oder einer Kombination von alldem.

Deshalb ist es wichtig, wahre Skepsis, die als ein edles Attribut aller erstklassigen Wissenschaft und allen redlichen Wissenschaftlern eigen ist, von der Stammtisch-Pseudoskepsis selbsternannter Wissenschaftskritiker zu unterscheiden, die sich törichterweise als moderne Galileos ausgeben. Carl Sagan schrieb dazu einmal: „Die Tatsache, dass einige Genies ausgelacht wurden, bedeutet nicht, dass alle, die ausgelacht werden, Genies sind. Man hat über Kolumbus gelacht, man hat über Fulton gelacht, man hat über die Wright-Brüder gelacht. Aber man hat auch über Bozo den Clown gelacht.“ Für jeden Galileo gibt es Tausende von Bozos bzw. Dummköpfe. Leider sind in der zänkischen Debatte über politisch relevante Bereiche der Wissenschaft die Dummköpfe allzu oft diejenigen mit dem Megaphon.

 

Skepsis

Echte wissenschaftliche Skepsis kann viele Formen annehmen. Sie tritt beispielsweise als Kompromissbereitschaft bei wissenschaftlichen Zusammenkünften auf, wenn Wissenschaftler ihre Ergebnisse präsentieren und sich danach mit den Fragen, Kritiken und Herausforderungen ihrer Kollegen auseinandersetzen. Außerdem findet sie in Form der bereits erwähnten Peer Reviews statt. Dabei unterziehen Wissenschaftler mit entsprechender Sachkenntnis die von anderen Wissenschaftlern zur Veröffentlichung eingereichten Texte einer kritischen Bewertung. Werden in den Daten, den zugrunde liegenden Annahmen, dem experimentellen Aufbau oder der Logik Fehler gefunden, dann müssen die Autoren dies überprüfen und ihre Arbeit erneut einreichen Dieser Vorgang kann für einen wissenschaftlichen Artikel mehrfach wiederholt werden. Artikel werden schließlich nur dann veröffentlicht, wenn Herausgeber überzeugt sind, dass die Autoren auf die Bedenken und Kritik, die während des Begutachtungsprozesses vorgebracht wurden, ausreichend eingegangen sind. Prinzipiell sollte ein Manuskript dem Anspruch genügen, einen weiterführenden Beitrag zur bereits vorhandenen wissenschaftlichen Literatur zu leisten.

Entnommen aus „Der Tollhauseffekt“ (2018), © 2016 Michael E. Mann and Tom Toles, All rights reserved.

Der Prozess der Qualitätskontrolle durch die Peer Reviews ist natürlich nicht perfekt und es kann durchaus vorkommen, dass fehlerhafte Arbeiten veröffentlicht werden. Denn sicherlich definiert kein einzelner wissenschaftlicher Artikel jemals das kollektive Wissen. Daher gibt es sogar ein Peer Review eines Peer Reviews in Form von wissenschaftlichen Gutachten, die von mehreren Autoren verfasst werden, wie das zum Beispiel bei der US-amerikanischen Akademie der Wissenschaften der Fall ist. Dort wird ein kollektiver Nachweis anhand der von Peer Reviews begutachteten Literatur zu einem bestimmten Thema bewertet, was letztendlich den aktuellen Kenntnisstand eines Themas beschreibt. Auch diese Beurteilungen werden wiederum anhand von Peer Reviews auf Richtigkeit, Objektivität und Gründlichkeit überprüft.

Tatsache ist jedoch, dass es im wissenschaftlichen System eine Schwäche gibt, die ausgenutzt werden kann. Diese liegt im öffentlichen Verständnis von Wissenschaft. Der Weg von einer wissenschaftlichen Erkenntnis hin zu einer Umsetzung in der Politik ist deshalb oft mühselig und angreifbar. So kann unter dem Vorwand von Skepsis absichtlich Verwirrung gestiftet werden, wobei der wissenschaftliche Prozess immer wieder von unredlichen Zweifelskrämern untergraben wird.

Eine hinterhältige Methode besteht zum Beispiel darin, dass selbsternannte Kritiker versuchen, den wissenschaftlichen Prozess in Verruf zu bringen, indem sie unaufrichtige Motive unterstellen. Dabei stellt man darauf ab, Einrichtungen zu kompromittieren, indem deren Arbeit als unehrlich und von Hintergedanken getrieben, verunglimpft wird. Auch wird gerne behauptet, dass Wissenschaftler lediglich finanziell motiviert sind und sich durch staatliche Fördergelder übermäßig bereichern. Diese Anschuldigungen werden ironischerweise oft von Personen vorgebracht, die ihrerseits im Auftrag von Industrie-Lobbygruppen in der Öffentlichkeit Desinformation verbreiten und Wissenschaftler angreifen. Dabei wird den Klimawissenschaftlern im Kern unterstellt, die vorherrschende Erkenntnis, dass der Klimawandel real ist und von uns Menschen verursacht wird, gezielt für ihr eigenes Interesse zu nutzen. Das perfide Ziel dahinter besteht darin, „besorgten Menschen“ einzureden, dass die Warnungen vor dem Klimawandel nicht ehrlich gemeint sind. Ihr Zweck bestünde vielmehr darin, die Öffentlichkeit und Politik zu beunruhigen, um eine kontinuierliche Verfügbarkeit staatlicher Fördergelder für die Forschungsarbeit sicherzustellen.

Um zu verstehen, wie absurd diese Prämisse ist, müssen wir uns einen etwas tieferen Einblick in den wissenschaftlichen Prozess verschaffen. So macht man sich in der Forschung keinen Namen, indem man etabliertes Wissen untermauert. In führenden Zeitschriften wie Nature oder Science werden auch keine Artikel veröffentlicht, die verdeutlichen, dass andere Recht hatten. Sich in der Welt der Wissenschaft einen Namen zu machen ist nur möglich, indem man etwas Neues oder Überraschendes aufzeigt und der landläufigen Erkenntnis widerspricht. Für die Veröffentlichung von neuartigen und bahnbrechenden Forschungsarbeiten werden Wissenschaftler oft mit Festanstellung und ihre Institute mit Zugriff auf Forschungsstipendien belohnt, die wiederum zu Gehaltserhöhungen führen können.

Jeder Wissenschaftler, der nachweisen könnte, dass die Erde sich nicht erwärmt, würde sofort Berühmtheit erlangen. Ein Wissenschaftler, der eindeutig erklären könnte, dass die Erderwärmung natürliche und eben keine menschliche Ursachen hat, könnte jede Menge bedeutende Artikel in den Fachpublikationen veröffentlichen. Er oder sie würde in Nachrichtensendungen auftauchen und auf den Titelseiten von populärwissenschaftlichen Zeitschriften wie Scientific American erscheinen. Solch eine Persönlichkeit würde sicherlich gefördert und vermutlich auch in die Nationale Akademie der Wissenschaften aufgenommen werden. Der Wissenschaftler würde als einer der größten Paradigmenbrecher aller Zeiten in die Geschichte eingehen, als Mitglied des exklusiven „Clubs“ der Galileos, Newtons, Darwins, Einsteins und Wegeners. Ein solcher Wissenschaftler würde, kurz gesagt, sowohl Ruhm als auch Reichtum erlangen.

Die Anreize für einen Wissenschaftler sind folglich genau gegenteilig zu dem, was Kritiker behaupten. Aber vergessen wir nicht, dass in der Wissenschaft ein Beweis umso außergewöhnlicher sein muss, je außergewöhnlicher die aufgestellte Behauptung ist. Wenn Sie als Wissenschaftler eine neue These veröffentlichen, sollten Sie gut gewappnet sein, diese wissenschaftlich zu verteidigen, denn die Widerlegung berühmter Entdeckungen öffnet die Tür zu Ruhm und Ehre. Wie schnell die Versuchung nach hinten los gehen kann, zeigt die unglaubwürdige Behauptung zweier Chemiker Ende der 80er Jahre. Sie gaben an, Fusionsenergie bei Raumtemperatur aus Leitungswasser und ein paar Elektroden erzeugen zu können. Das führte letztendlich dazu, dass die Amerikanische Physikalische Gesellschaft diesem Fall auf ihrer Jahrestagung eine ganze Sitzung widmete, um die These zu entlarven. Eine Gruppe von Physikern der Technischen Hochschule Kaliforniens, besser bekannt als „Caltech“, wurde von der wissenschaftlichen Gemeinschaft für die Diskreditierung dieser Behauptung in der Öffentlichkeit gefeiert und erlangte große Bekanntheit. Aber auch sie mussten ihrerseits ihre Argumente belegen. Sie mussten überzeugende Beweise vorlegen, dass die Behauptung der „kalten Fusion“ falsch war. So funktioniert das eben.

 

Der Hockeyschläger

Wir sollten in diesem Zusammenhang nicht versäumen, die Geschichte vom Hockeyschläger zu erzählen: Ende der 90er Jahre veröffentlichte einer der beiden Autoren dieses Buches, Michael E. Mann, die inzwischen berühmte Hockeyschlägerkurve, welche die Temperaturentwicklung des vergangenen Jahrtausends darstellt. Die Kurve demonstrierte den beispiellosen Charakter der gegenwärtigen globalen Erwärmung. Sie wurde zu einem Symbol in der Klimaänderungsdebatte und damit zu einem potentiellen Angriffsobjekt für gewisse Kreise. Angesichts ihres Kultstatus versprach jede Art von Widerlegung der Hockeyschlägerkurve Wissenschaftlern eine enorme Belohnung in Form wissenschaftlicher Berühmtheit. Viele haben es tatsächlich versucht.

Dutzende von wissenschaftlichen Teams haben ihre eigenen Studien durchgeführt, wobei sie verschiedene Daten und Methoden verwendet haben und zu ihren eigenen unabhängigen Schlussfolgerungen gekommen sind. Führende Fachzeitschriften wie Nature und Science riefen zu Wettbewerben auf. Einige dieser Aufgabenstellungen trugen am Ende dazu bei, dass ambitionierte Nachwuchswissenschaftler ihre Karriere starten konnten. Dennoch hat die grundlegende Schlussfolgerung der Hockeyschlägerkurve auch nach fast zwei Jahrzehnten Bestand und wurde inzwischen durch eine regelrechte Hockeyliga an Studien bestätigt. Selbst die bisher umfassendste Studie hat eine Kennlinie erbracht, die kaum von der ursprünglichen Hockeyschlägerkurve zu unterscheiden ist. Die grundsätzliche Erkenntnis hat sich also bewährt. Das wiederum hat den Weg für die Suche nach Antworten anderer weitergehender Fragen geebnet. Mittlerweile beschäftigt man sich beispielsweise damit, herauszufinden, welche natürlichen Faktoren ausschlaggebend für die prähistorischen Temperaturänderungen waren. So läuft das innerhalb der Wissenschaft: Was einst an der wissenschaftlichen Front, der spekulativen Grenze des wissenschaftlichen Verstehens, stand, wird langsam in den Korpus des wissenschaftlichen Wissens aufgenommen. Aber nur dann, wenn es sich wiederholten Herausforderungen stellt. Die Grenze des wissenschaftlichen Wissens erweitert sich, die Wissenschaft schreitet voran und erforscht neue Grenzen. Wäre die ursprüngliche Hockeyschlägerkurve tatsächlich falsch gewesen, wüssten wir das längst. Wenn die Theorien zur globale Erwärmung falsch wären, wüssten wir das ebenso. Und auch wenn die globale Erwärmung nicht durch den Menschen verursacht werden würde, wüssten wir das inzwischen. Denn für aufstrebende junge Wissenschaftler gab es ja durchaus den unwiderstehlichen Anreiz, gegen eine Etablierung dieser Theorien zu arbeiten.

Das heißt jedoch keineswegs, dass die Bemühungen zur Diskreditierung der Hockeyschlägerkurve und deren Grundannahme, dass die globale Erwärmung eine menschliche Ursache hat, aufgehört haben. Ganz im Gegenteil. Obwohl die Wissenschaftsgemeinde dies inzwischen als feststehende Tatsache betrachtet und quasi zu den Akten gelegt hat, gibt es andere, für die das nicht gilt. Noch kämpfen mächtige Interessengruppen, die solche Erkenntnisse als störend empfinden, dagegen an. Dabei verhält man sich wie einst die Tabakindustrie. Als man sich dort bewusst wurde, dass die medizinische Forschung die schädlichen Auswirkungen des Zigarettenrauchens auf die Gesundheit aufdecken würde und dass dies eine Bedrohung der eigenen Interessen darstellte, wurden konträre Wissenschaftler, Denkfabriken und Lobby-Agenturen angeheuert. Man startete eine massive öffentliche Desinformationskampagne, die darauf abzielte, das Vertrauen der Öffentlichkeit in die wissenschaftlichen Nachweise zu untergraben. Ähnlich verhält es sich mit der chemischen Industrie, die weiterhin versucht, die Wissenschaft zu diskreditieren, welche die negativen Gesundheits- und Umweltauswirkungen ihrer Produkte aufzeigt, während die Interessenvertreter fossiler Brennstoffe weiterhin zig Millionen für Kampagnen ausgeben, um die wissenschaftlichen Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem vom Menschen verursachten Klimawandel, einschließlich der Hockeyschlägerkurve selbst, zu untergraben.

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