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Windkraft und Militär-Radar

Per Klick entstört

Tim Altegör, 12.03.15
Eine neue Software ermöglicht es der Bundeswehr, Windräder an Militärflugplätzen für Starts und Landungen abzuschalten. Dadurch können mehr Anlagen gebaut werden.

Manchmal ist die Zeit für eine Idee einfach noch nicht gekommen. Als Clemens Krips seine 2008 vorstellte, wollte niemand etwas davon wissen. Dabei sollte sie ein Problem lösen, das seit Jahren in der Windbranche für Aufregung sorgt: Immer wieder können Anlagen nicht gebaut werden, weil die Flugsicherung Einspruch erhebt, ihre Radare würden durch die Windräder gestört. Krips ging es speziell um die Situation an Militärflugplätzen.

Sein Vorschlag: Die Bundeswehr bekommt einen Abschaltknopf. Relevant sind mögliche Störungen für den Radar der dortigen Flugsicherung nämlich nur, solange es Flugverkehr gibt. In der restlichen Zeit könnte die betroffene Windkraftanlage Strom erzeugen, und das oftmals an guten Standorten. Dort stehen zum Teil bereits Windparks: Die Bundeswehr legt gemäß Paragraph 18 des Luftverkehrsgesetzes ihr Veto gegen die Windräder ein, von denen sie Radarstörungen erwartet. Das kann im konkreten Fall zum Beispiel bedeuten, dass von 20 möglichen Anlagen bisher nur die Hälfte gebaut werden darf. „Das ist der Charme: Wir heben damit die gesamten Standorte der Eignungsfläche für Windenergie“, sagt Krips.

Damals, 2008, gab es auf beiden Seiten gewaltige Vorbehalte, noch Jahre später führten Windmüller und Militär einen offenen Konflikt um die Radarfrage. Doch zuletzt hat sich das Klima verändert. Im Februar konnte Clemens Krips verkünden, dass seine Idee in die Tat umgesetzt worden ist. Über die eigens gegründete Windenergie und Flugsicherheit GmbH (WuF) bietet er nun eine Software namens FlightManager an. „Die Streitfälle zwischen Betreibern und der
Bundeswehr sind damit passé“, sagt Krips und betont die kooperative Zusammenarbeit mit dem Militär.

Die am Radar eingesetzten Soldaten erhalten per Touchscreen Zugriff auf die Anlagen in einem Windpark, die als störend eingestuft wurden. Anders als beim so genannten Drehfunkfeuer, das durch die bloße Existenz einer Windkraftanlage behindert werden kann, geht es beim Flugsicherungsradar um die Bewegung der Rotoren. Beim Überflug eines Parks lässt sie sich unter Umständen nicht mehr trennscharf von Flugbewegungen unterscheiden.

Ein Fingerdruck genügt

Mit einem Klick auf den Bildschirm werden die Anlagen aus dem Wind gedreht. Durch den Stopp fallen sie unter die Schwelle der so genannten Moving Target Indication und werden vom Radar herausgefiltert. Auf einen erneuten Klick hin laufen sie wieder an. „Das ist ein einfacher Fingerdruck, das geht schnell in Fleisch und Blut über“, so Clemens Krips. Auch das Luftfahrtamt der Bundeswehr lobt die einfache Bedienung. Zusätzlich gibt es einen Timer, mit dem die Windräder für einen vorab festgelegten Zeitraum abgeschaltet werden können.

Weil es auch von den jeweiligen An- und Abflugrouten abhängt, welche Anlagen überhaupt betroffen sind, teilt Krips die Lufträume in Absprache mit der Bundeswehr in mehrere Sektoren ein, die auf dem Bildschirm separat ausgewählt werden können. Er war früher selbst Offizier in der militärischen Flugsicherung. „Ich habe das 30 Jahre lang gemacht, kenne jeden Flugplatz der Bundeswehr“, sagt er.

Vor zwei Jahren holte Krips seine Idee wieder aus der Schublade. WuF gründete er dann zusammen mit dem Windparkentwickler Denker & Wulf, der seine Expertise in der technischen Betriebsführung einbringt. Auch einen IT-Dienstleister für die Programmierung brachte der norddeutsche Projektierer mit: Die Firma Drehpunkt hatte bereits seine Software zur Überwachung von Windparks geschrieben, der FlightManager wurde in dieses System integriert. „Dadurch mussten wir nicht alles neu erfinden“, sagt Torsten Levsen, Vorstandsvorsitzender von Denker & Wulf. Sein Unternehmen ist direkt betroffen: Bei einem Windpark in der Nähe des Flugplatzes Rostock/Laage genehmigte die Bundeswehr nur 14 von 21 geplanten Anlagen. Die restlichen sieben sollen nun folgen.

Anfang Februar gab das Verteidigungsministerium sein grundsätzliches Einverständnis für die „bedarfsgerechte Freischaltung von Lufträumen“, so die offizielle Bezeichnung. Vorausgegangen war eine umfassende Prüfung in Laage und auf dem Fliegerhorst Hohn in Schleswig-Holstein, die sich seit Februar 2014 hinzog. Für jeden Platz, an dem das System künftig verwendet werden soll, müsse zusätzlich geprüft werden, ob es „in die örtlichen Betriebsabläufe passt“, so das Luftfahrtamt. Grundsätzlich könne man davon aber ausgehen.

Kosten liegen beim Betreiber

In der Feinabstimmung zeigten sich die bei aller Kooperation nach wie vor unterschiedlichen Perspektiven. Auf dem Bildschirm sind die Windparks farblich markiert: Rot steht für aktiv, grün für abgeschaltet. Ein Windmüller würde wohl instinktiv eine andere Farbauswahl treffen. Gravierender ins Gewicht fallen die hohen Sicherheitsanforderungen der Bundeswehr. Bei technischen Störungen im Fernschaltungssystem wird das Windrad sofort gestoppt. „Wenn es eine Störung gibt, arbeiten wir unter Hochdruck daran, sie zu beheben“, sagt Krips. Wenn Klärungsbedarf besteht, können die Betriebsführer mit dem Tower Kontakt aufnehmen – für beide besteht ein direkter Draht zueinander.

Die Kosten für den FlightManager liegen beim Betreiber. Auch die Vergütungsausfälle trägt er komplett, anders als bei netzbedingten Abschaltungen gibt es keine Kompensation. Krips rechnet mit höchstens zehn Prozent der Zeit, abhängig von Standort und Flugbetrieb am jeweiligen Platz. Sichtflüge sind etwa grundsätzlich nicht betroffen. „Es gibt eine Reihe von Anhaltspunkten“, sagt Torsten Levsen. „Ganz genau werden wir das aber erst durch den täglichen Betrieb feststellen. Das ist das Risiko, das man mit solch einer Anlage eingeht. Wir gehen auf jeden Fall davon aus, dass sich die von uns geprüften Windkraftanlagen-Standorte mit dem FlightManager rentieren.“

Erleichternd kommt hinzu, dass der Flugverkehr auf vielen Plätzen reduziert wurde, einige wie Hohn werden in den kommenden Jahren ganz geschlossen. Im Praxisbetrieb soll zudem geprüft werden, wie die Abschaltzeiten noch reduziert werden können. Bei einem weiteren Windpark-Projekt von Denker & Wulf, das bereits im Bau ist, werden vier von 14 Anlagen mit der Technik ausgerüstet. Levsen rechnet bei ihnen mit 2,5 bis 3,5 Prozent Verlust.

Damit die Bundeswehr am Ende nicht unzählige Zusatzmonitore bekommt, akzeptiert sie je Flugplatz nur ein System im Kontrollraum, das allen Betreibern im Umfeld des Platzes zugänglich sein muss. Das Gesamtpotenzial des FlightManagers schätzt Krips als „riesengroß“ ein. Er habe allein 25 Projekte als Berater betreut, die nur darauf warteten. Insgesamt seien bestimmt 300 Megawatt betroffen, „und das ist wahrscheinlich die untere Grenze“.

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 3/2015 von neue energie erschienen.

 

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