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Klimaschutz

Die CO2-Bremse klemmt

Joachim Wille, 23.09.21
Die Fridays-for-Future-Aktivisten machen wieder mobil – zum achten globalen Klimastreik an diesem Freitag. Und sie haben Grund dazu: Trotz Paris-Vertrag werden die globalen Emissionen bis 2030 weiter ansteigen, wenn die Regierungen ihre Pläne nicht nachbessern.

Die Regierungen der Welt haben 2015 beschlossen, den Klimawandel in beherrschbaren Bahnen zu halten. Doch sie halten das nicht ein und steuern den Globus stattdessen sehenden Auges in die Klimakrise hinein. Das ist der zentrale Kritikpunkt, der die Fridays-for-Future-Aktivisten auf die Straße treibt. An diesem Freitag findet der achte globale Klimastreik statt – mit alleine in Deutschland über 470 Aktionen. Und die jüngsten offiziellen Zahlen, veröffentlicht von den UN, geben ihnen Recht. 

Das „Sicherheitslimit“ beträgt 1,5 Grad. Es soll die Menschheit davor schützen, dass bestimmte Kippelemente des Klimas ausgelöst werden – zum Beispiel das Austrocknen des Amazonas-Regenwalds, das Auftauen der Permafrostböden, das komplette Abschmelzen des Grönland-Eisschilds. Dieses Limit möglichst anzupeilen, haben fast alle Staaten der Welt versprochen, im Pariser Klimavertrag von 2015. Tatsächlich steuert der Globus jedoch auf 2,7 Grad zu. Das zeigt eine aktuelle Bilanz des UN-Klimasekretariats in Bonn zum internationalen Klimagipfel in Glasgow, der Ende Oktober beginnt. Das heißt: Selbst das Zwei-Grad-Limit, das laut Paris-Vertrag zumindest „deutlich“ unterschritten werden soll, würde ohne einen schnellen Tritt auf die globale CO2-Bremse weit verpasst. 

Als der Paris-Vertrag vor sechs Jahren geschlossen wurde, sah es noch trüber aus. Die parallel eingereichten CO2-Reduktionsziele der 197 Unterzeichnerstaaten bedeuteten eine Erwärmung um drei Grad oder mehr. Tatsächlich sind, um eine reelle Chance zu haben den Temperaturanstieg auf 1,5 respektive zwei Grad zu begrenzen, laut dem Weltklimarat IPCC bis 2030 globale Emissionssenkungen um 45 beziehungsweise 25 Prozent erforderlich, gemessen am Basisjahr 2010.

CO2-Emissionen könnten bis 2030 deutlich steigen

Inzwischen haben 131 Regierungen ihre nationalen Klimapläne (Nationally Determined Contributions, NDCs) aktualisiert, unter den Industriestaaten die EU, Großbritannien, die USA und Kanada. Diese Staaten zusammen schaffen bis 2030 einen Rückgang ihrer Treibhausgasemissionen um zwölf Prozent im Vergleich zu 2010, wenn sie ihre Ziele einhalten. Doch der Rest, darunter Obereinheizer China, steigert den CO2-Ausstoß sogar noch. Das Klimasekretariat schätzt, dass die globalen Emissionen 2030 um etwa 16 Prozent über dem Wert von 2010 liegen könnten.

Die frühere Chefin des UN-Klimasekretariats, Christiana Figueres, appellierte an die Weltgemeinschaft: „Die Wissenschaft schreit jetzt von den Dächern, dass es an der Zeit ist, Maßnahmen in einer Größenordnung zu ergreifen, die der Herausforderung gerecht wird.“ Die weltweiten Emissionen müssten bis 2030 um bis zu 50 Prozent gesenkt werden, zudem brauche es entschlossene Maßnahmen zum Schutz und zur Wiederherstellung der Natur. „Alle anderen geopolitischen Fragen werden zur Bedeutungslosigkeit verblassen, wenn wir es nicht schaffen, uns der existenziellen Herausforderung zu stellen, die der Klimawandel darstellt.“

Auch bei der Finanzierung läuft es nicht

Tatsächlich zeigt eine aktuelle Analyse der Wissenschaftler-Initiative „Climate Action Tracker“ (CAT), dass nur ein einziges der von ihr analysierten Länder auf einem 1,5-Grad-Pfad ist: das westafrikanische Gambia. „Fast ausreichend“ sind demnach die Ziele von sieben Ländern, darunter Großbritannien als einziges Industrieland. Deutschland und auch die EU als Ganzes finden sich trotz der nachgeschärften Ziele in der Kategorie „unzureichend“. CAT hat 37 Länder im Detail betrachtet, die zusammen für über 80 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind.

Nicht gut sieht es auch beim zweiten Hauptthema im internationalen Klimaschutz aus: der Finanzierung. Die Industriestaaten sind laut Paris-Vertrag verpflichtet, den Entwicklungsländern von 2020 an jährlich 100 Milliarden Dollar zur Verfügung zu stellen – für die Umstellung auf Öko-Energien und die Anpassung an den Klimawandel. Diese Summe wird offenbar deutlich verfehlt. Im Jahr 2019 kamen nämlich nach einer Aufstellung des Industrieländerclubs OECD nur knapp 80 Milliarden zusammen.

„Nachgeprüfte Daten für 2020 werden erst Anfang des kommenden Jahres verfügbar sein, aber es ist klar, dass die Klimafinanzierung weit hinter der Zielsetzung zurückbleibt“, sagte OECD-Chef Mathias Corman. Das sei enttäuschend – vor allem vor dem Glasgow-Gipfel. Dort soll Bilanz gezogen werden. Einige Länder wie Deutschland, Großbritannien und die USA haben inzwischen mehr Geld zugesagt. Die Lücke bleibt aber groß.

 

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