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Marokko

Solarkraftwerk „Noor 1“ ist am Netz

Joachim Wille, 16.02.16
Im marokkanischen Ouarzazate ist der erste Teil eines riesigen Solarprojekts in Betrieb gegangen, das letztlich 1,3 Millionen Menschen mit Strom versorgen soll. Die staatliche Solaragentur denkt schon weiter – auch an den Export nach Europa.

Zwei Jahre war das Solarkraftwerk „Noor 1“ im Bau – das Leuchtturm-Projekt für die Energiewende in Marokko und darüber hinaus in ganz Nordafrika. Jetzt ist es Anfang Februar ans Netz gegangen. Der erste Abschnitt der riesigen Anlage hat eine Kapazität von 160 Megawatt und wird Strom für mindestens 350.000 Menschen erzeugen. Im Endausbau soll Noor, arabisch für „Licht“, 580 Megawatt leisten und 1,3 Millionen Menschen versorgen – und zwar dank eines großen solarthermischen Speichers auch in den Abend- und Nachtstunden. Im Endausbau werden gegenüber der konventionellen Stromerzeugung jährlich mindestens 800.000 Tonnen CO2 vermieden.

Der Standort Ouarzazate im Süden Marokkos ist bisher hauptsächlich als Touristenort und wegen des örtlichen Filmstudios ein Begriff, in dem Streifen wie „Kleopatra", „Krieg der Sterne" und „Die Päpstin" gedreht wurden. Ouarzazate gilt als Hollywood Marokkos, als „Mollywood". Doch bekannter dürfte es über kurz oder lang als die Stadt werden, in der Nordafrikas Energiewende Fahrt aufnahm. Noor 1 gilt als Referenzprojekt, um der Solartechnik in Entwicklungsländern zum Durchbruch zu verhelfen. Marokkos Regierung plant, die Kapazitäten so weit auszubauen, dass 2020 rund 42 Prozent des Stroms aus Wind- und Solarenergie kommen. Das Staatsoberhaupt, König Mohammed VI, war bei der Einweihung dabei.

Insgesamt vier Kraftwerke sind in Ouarzazate geplant – drei solarthermische Anlagen und eine mit Photovoltaik. Noor 1 besteht aus Parabolrinnen-Spiegeln, die auf einer Fläche von rund 650 Fußballfeldern aufgebaut wurden. 537.000 zusammengefügte Spiegel lenken die Sonnenstrahlen auf breite Rohre, durch die synthetisches Öl fließt. Dieses wird so auf fast 400 Grad Celsius erhitzt und in einen Kraftwerksblock geleitet. Dort erhitzt es Dampf, der eine Turbine antreibt und so Strom erzeugt. Abgekühlt auf knapp 300 Grad fließt das Öl wieder durch Rohre zurück in das Solarfeld, und der Kreislauf beginnt erneut. Die erzeugte Wärme kann auch in Flüssigsalz-Tanks gespeichert und dort nach Sonnenuntergang wieder entnommen werden, um bedarfsgerecht Strom zu produzieren.

Das Land ist abhängig von Energie-Importen

Die Anlage Noor 2 soll noch größer als Noor 1 werden und nach dem gleichen Prinzip arbeiten. Noor 3 ist als „Solarturmkraftwerk" konzipiert. Bei dieser Technologie leiten Spiegel das Sonnenlicht auf einen zentralen Wärmeabsorber, der sich auf einem mehr als 200 Meter hohen Turm befindet. Dort entstehen Temperaturen von rund 700 Grad. Das Kraftwerk Noor 4 schließlich arbeitet mit Solarzellen.

An der Finanzierung des Projekts ist neben anderen internationalen Gebern wie der EU und der französischen Entwicklungsbank (AFD) die deutsche Förderbank KfW maßgeblich beteiligt. Sie unterstützt Marokko im Auftrag des Entwicklungs- und des Umweltministeriums im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative der Bundesregierung. Bei Noor 1 steuert sie mit 115 Millionen Euro rund 20 Prozent der Fremdkapitalfinanzierung bei. Noor 2 und 3 wird sie mit 654 Millionen fördern, womit sie der größte Kreditgeber ist, bei Noor 4 wird sie mit bis zu 95 Millionen als voraussichtlich einziger Kreditgeber auftreten.

Marokkos Energiepolitik ist die fortschrittlichste in der ganzen Region. Die Regierung setzt auf Sonne und Wind, neuerdings auch auf eine Steigerung der Energieeffizienz. Der Hauptantrieb dafür: Das Land besitzt fast keine eigenen Energie-Rohstoffe, 95 Prozent müssen importiert werden. Die Ausgaben für Erdöl, Kohle, Erdgas und Strom (per Seekabel aus Spanien) sind hoch und belasten Wirtschaft und Staatshaushalt. So gründete Marokko, das im weltweiten Vergleich ideale Standorte für die Windkraft und die Solarenergie besitzt, bereits vor 30 Jahren eine Agentur zur Erforschung erneuerbarer Energien. Diese entwickelte zuerst kleinere Anwendungen, zum Beispiel solarthermische Heizungen für Dampfbäder, die in dem Land traditionell mit Holz beheizt werden. Um das Jahr 2000 entstanden dann, zum Teil mit Entwicklungshilfekrediten finanziert, die ersten Windparks an der Mittelmeerküste bei Tanger und an der Atlantikküste bei Essaouira.

Kommt „Desertec 2.0"?

Den Hauptschub bekam die Energiewende dann aber 2009: König Mohammed VI gründete eine staatliche Agentur für Solarenergie, Masen, und ließ einen „Solarplan" ausarbeiten. Dessen Ziele sind ambitioniert. So sollen bis 2020 jeweils 2.000 Megawatt an Solar-, Wind- und Wasserkraft-Anlagen gebaut werden. Laut Masen hat Marokkos sich bei Noor 1 bewusst für die am besten erprobte Solarthermie-Technologie entschieden, die im US-Bundesstaat Kalifornien bereits vor 30 Jahren erstmals eingesetzt wurde. Die Kosten pro Kilowattstunde beliefen sich auf rund zwölf Euro-Cent. Das heißt, der Solarstrom aus Ouarzazate ist teurer als der von Gas- oder Kohlekraftwerken, er wird staatlich subventioniert. Doch schon Noor 2 und 3 sollen den Strom 15 bis 20 Prozent billiger produzieren. Und bei weiteren Projekten, für die Masen bereits Standorte sondiert, sollen die Subventionen möglichst schnell auf null sinken.

Masen schätzt, dass das Potenzial für Solarstrom in Marokko bei 10.000 Megawatt liegt. Das wäre fünfmal so viel, wie der „Solarplan" derzeit vorsieht. Marokko könnte also trotz des starken Wachstums beim eigenen Stromverbrauch von sieben Prozent pro Jahr beim Vollausbau einen nicht unerheblichen Teil seiner grünen Elektrizität nach Europa und auch in westafrikanische Länder exportieren. „Es gibt eine Nachfrage in Europa nach sauberem Strom, der dort nicht gedeckt werden kann", heißt es bei der Agentur.

Es wäre „Desertec 2.0". Die in Deutschland geborene Idee von der teilweisen Versorgung Europas mit Strom aus der Wüste würde wieder aufleben. Die hatte im letzten Jahrzehnt viel Furore gemacht, wurde dann aber 2014 fast wieder beerdigt, als sich die „Desertec Industrial Initiative" (Dii) auflöste. In der Dii hatten sich Banken, Energieversorger und Technologieunternehmen zusammengetan, um den spektakulären Wüstenstrom-Plan umzusetzen. In Nordafrika und im Nahen Osten sollte danach mit Investitionen von insgesamt 400 Milliarden Euro ein ganzes Netz von großen Solar- und Windparks gebaut werden – zur Versorgung der Standortländer mit Ökoenergie, aber eben auch mit dem Ziel, bis 2050 rund 20 Prozent des in Europa verbrauchten Stroms mit Fernleitungen dorthin zu exportieren. Das Projekt schien zu ehrgeizig, die politische Unterstützung der EU fehlte, und auch die politische Instabilität in Ländern wie Ägypten, Libyen und Tunesien machte der Dii einen Strich durch die Rechnung.

Doch die Idee lebt weiter, nicht nur in den Plänen des Masen-Chefs. Auch andere Experten glauben, dass Länder wie Marokko sich damit ein neues lukratives Exportgut schaffen können. Einer davon ist Wolfgang Reuß, der als Direktor bei der KfW für die Region Nordafrika und Nahost zuständig ist. "Die Kraftwerke in Ouarzazarte sind allein für den stark steigenden Strombedarf im Land selbst vorgesehen. Doch später wird Marokko sicher auch Strom exportieren", ist er überzeugt.

 

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