EEG-Novelle

Radikal einfach oder gefährlich verengt?

Tim Altegör, 14.10.13
Maximale Vergütung von 8,9 Cent pro Kilowattstunde Strom, Abkehr vom breiten Technologiemix, verpflichtende Direktvermarktung für alle Anlagen ab einem Megawatt Leistung – und zwar von Januar 2015 an. Der Thinktank Agora Energiewende prescht in der Debatte ums Erneuerbare-Energien-Gesetz mit einem radikalen Konzept vor. Kritiker warnen: Die Verengung auf bestimmte Technologien birgt Gefahren.

Die Agora-Autoren schlagen in ihrer Studie ein „radikal vereinfachtes EEG 2.0“ ab 2015 vor. Konkret heißt das vor allem, dass die bisher je nach Technik und Standort unterschiedliche Vergütung für erneuerbaren Strom auf den Höchstwert von 8,9 Cent angeglichen wird. „8,9 Cent sind das, was Strom, ob konventionell oder erneuerbar, heute wert ist. Die Erneuerbaren können mit stolzgeschwellter Brust sagen: Wir sind nicht teurer als die fossilen Energien“, sagt Patrick Graichen, stellvertretender Direktor von Agora Energiewende.

Das gilt allerdings nur für Windräder an Land und große Photovoltaikanlagen. Bei Biomasse, Geothermie und Offshore-Windkraft werden dagegen gezielt Einschnitte in Kauf genommen. Windparks auf See sollen etwa bis 2020 noch um sechs Gigawatt ausgebaut werden, in den Plänen der Bundesnetzagentur sind derzeit 13 Gigawatt bis 2022 vorgesehen. Damit trotz deutlich gesunkener Vergütung überhaupt noch ein Ausbau stattfindet, sieht das Modell die Ausschreibung von Prämien für 500 Megawatt Leistung im Jahr vor. Eine ähnliche Prämie soll den Zubau von 100 Megawatt Biomasse jährlich sichern, die unabhängig von Wind und Wetter zur Verfügung steht.

Ein Fall für die Forschung?

„Bei teureren Technologien stellt sich einfach die Frage nach der Rechtfertigung. Wenn weiterhin eine starke Förderung nötig ist, dann ist das vielleicht ein Fall für die Forschungspolitik. Wir müssen aber damit aufhören, alles im Rahmen des EEG umsetzen zu wollen, insbesondere weil wir eine Kostendiskussion haben“, findet Graichen. Die Höhe der EEG-Umlage könne durch die Maßnahmen auf dem Niveau von 6 bis 6,5 Cent je Kilowattstunde stabilisiert werden, das für 2014 erwartet wird.

Dafür sollen laut der Studie zudem alle Neuanlagen, die mindestens ein Megawatt Strom erzeugen, zur Direktvermarktung an der Börse verpflichtet werden. In einem weiteren Schritt ist letztlich ein vollkommen neues Design für den gesamten Strommarkt vorgesehen, das bis 2017 entwickelt und ausgehandelt werden soll.

Die Erneuerbaren-Branche reagiert auf den Ansatz mit großer Skepsis. „Die Vorschläge zum Diskussionsprozess auf dem Weg zu einem zukünftigen Marktdesign sind zu begrüßen. Das gilt auch für den Hinweis darauf, dass die Erneuerbaren an guten Standorten mit den Kosten konventioneller Energien bereits auf Augenhöhe sind“, so Hermann Falk, Geschäftsführer des Bundesverbands Erneuerbare Energie. „Die Tarifvorschläge sind aber unsinnig und gehen an der politischen Debatte vorbei. Die Vielfalt der Energiewende wird damit gefährdet und das Ziel sich wechselseitig ergänzender Technologien in einem zukünftigen Energiesystem aufgegeben.“

Risiko Akzeptanz

Am selben Tag wie Agora veröffentlichte auch das Beratungsunternehmen Prognos eine Studie, die bezüglich der Kosten zu vergleichbaren Ergebnissen kommt. Frank Peter, Senior Projekt Manager Energiewirtschaft bei Prognos, warnt jedoch vor den Gefahren des Agora-Vorschlags. „Onshore-Windkraft und Photovoltaik sind aktuell die kostengünstigsten Technologien, mit jeweils regionalen Vorteilen. Wir sollten aber tunlichst vermeiden, uns jetzt von einzelnen Technologien aus dem Erneuerbaren-Portfolio zu verabschieden.“

Als Argument führt er rechtliche und politische Unsicherheiten an. „Der Blick auf die Akzeptanzfrage zeigt, dass die Rahmenbedingungen für den Ausbau sehr verletzlich sind. Das sieht man etwa in Bayern. Die von der Landesregierung geplante Erweiterung des Mindestabstands von Windkraftanlagen würde mit einem Schlag mehr als 80 Prozent der Potenzialflächen ausschließen“, so Peter. „Die Offshore-Windkraft heute zu beerdigen, weil sie derzeit noch teurer ist, wäre daher viel zu riskant.“

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