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Klimaschutz

Chance für den Regenwald

Michael Hahn, 02.11.22
Der Sozialist Luiz Inácio Lula da Silva hat die Präsidentschaftswahl in Brasilien gewonnen. Anders als der bisherige Amtsinhaber will er den Klimaschutz wieder stärker in den Fokus rücken und die Entwaldung des Amazonas-Regenwalds stoppen.

Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien am Sonntag (30. Oktober) hat sich Ex-Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva gegen Amtsinhaber Jair Bolsonaro knapp mit 50,9 Prozent der Stimmen durchgesetzt.

Im Wahlkampf hatte der Sozialist Lula angekündigt, den Kampf gegen den Klimawandel zur „absoluten Priorität“ machen zu wollen. Nach seinem Sieg verkündete er, Brasilien sei bereit, „seine führende Rolle im Kampf gegen die Klimakrise wieder aufzunehmen und insbesondere den Amazonas-Regenwald zu schützen“. Er wolle für den kompletten Stopp der Entwaldung kämpfen.

Lula war bereits von 2003 bis 2011 brasilianischer Präsident und konnte nach zwei Amtszeiten verfassungsgemäß nicht wiedergewählt werden. Zwar erreichte die Entwaldung in Lulas Amtszeit laut einer Analyse des britischen Thinktanks Carbon Tracker zunächst im Jahr 2004 mit 27.772 Quadratkilometern den bisherigen jährlichen Höchstwert seit 2000, ging jedoch anschließend um über 80 Prozent zurück.

Unter dem derzeitigen rechtsextremen Präsidenten Bolsonaro hatte die Abholzung seit 2019 wieder deutlich zugenommen auf 13.038 Quadratkilometer im Jahr 2021, wie Carbon Tracker berichtet. In den vier Jahren seit seiner Wahl habe Bolsonaro „den bestehenden Umweltschutz geschwächt und illegale Aktivitäten legitimiert.“ In den ersten drei Jahren seit seiner Amtsübernahme seien 34.018 Quadratkilometer Regenwald vernichtet worden – „eine Fläche, die größer ist als Belgien“.

Wichtig für Artenvielfalt und Weltklima

Der Amazonas-Regenwald ist ein wichtiger Faktor für die Artenvielfalt und gilt für das Weltklima als Kippelement. Wird zu viel des Urwalds vernichtet, könnte es dadurch aus dem Gleichgewicht gebracht werden, warnen Forscher. Der Regenwald wird unter anderem gerodet, um Flächen für die Rinderhaltung oder den Anbau von Soja oder Mais zu schaffen. Brasilien ist Carbon Tracker zufolge der sechstgrößte Emittent von Treibhausgasen weltweit, dies sei „hauptsächlich auf die Kohlendioxid-Emissionen aus der Entwaldung und das Methan von Rinderweiden auf gerodeten Flächen zurückzuführen“.

Weltweit begrüßten Politikerinnen und Politiker sowie Umweltschutzorganisationen das Wahlergebnis. Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) erklärte, neben der brasilianischen Demokratie sei das Weltklima ein großer Gewinner. Die Wahlentscheidung gebe Hoffnung, „dass die ungebändigte Abholzung des Regenwaldes in Brasilien bald ein Ende hat und dass Brasilien wieder ein Antreiber in unserem gemeinsamen Kampf gegen die Klimakrise wird“. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte, er freue sich „auf eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Brasilien – insbesondere in Fragen von Handel und Klimaschutz“. Ein geplantes Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur war 2020 auf Eis gelegt worden, unter anderem wegen Klimaschutzbedenken.

Roberto Maldonado, Brasilien-Experte des WWF in Deutschland, schreibt in einer Mitteilung, die Abwahl Bolsonaros sei ein Glück für den Amazonas, die dortigen Menschen und das Weltklima. Lulas Amtszeit starte jedoch erst im Januar. „Bis zur endgültigen Machtübergabe bleibt noch Raum und Zeit für Bolsonaro, Schaden anzurichten.“

Bolsonaros Lager bleibt stark

Lula wolle „den Bergbau und Landraub von indigenen Territorien verhindern und die Umweltbehörden wieder stärken, damit sie Umweltverbrechen besser ahnden können“. Leicht werde das für den neuen Präsidenten jedoch nicht. „Lula muss sich mit einem konservativen Parlament auseinandersetzen, mit der mächtigen Agrar- und Wirtschaftslobby“, so Maldonado. Bei den ebenfalls im Oktober durchgeführten Parlamentswahlen hat Berichten zufolge in vielen Regionen die Bolsonaro-Partei die Mehrheit geholt.

Laut der Carbon-Tracker-Analyse, die bereits im September veröffentlicht wurde, könnte die Niederlage Bolsonaros dazu führen, dass die Rodung des Amazonas-Regenwalds in den nächsten zehn Jahren um 89 Prozent zurückgeht – insgesamt 75.960 Quadratkilometer würden bis 2030 erhalten bleiben, eine Fläche so groß wie Panama. Bedingung sei jedoch, dass Lula sein Versprechen einhält, gegen die illegale Entwaldung vorzugehen.

Zwar habe auch Bolsonaro angekündigt, er wolle die illegale Entwaldung bis 2030 beenden. In Wirklichkeit habe er jedoch „den mächtigen Agrarsektor des Landes unterstützt und ihm ermöglicht, ohne Einschränkungen zu operieren und sich in indigene Länder auszubreiten“, so die Organisation.

Im Oktober 2021 hatte die österreichische Klimaschutzorganisation „All Rise“ Jair Bolsonaro vor dem Internationalen Strafgerichtshof wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angezeigt. „Die knapp 300 Seiten umfassende Anzeige belegt mit wissenschaftlich fundierten Daten, dass die Amazonas-Zerstörungspolitik der Bolsonaro-Regierung nicht nur lokal und regional große Schäden anrichtet, sondern auch Auswirkungen auf das globale Klima und damit die gesamte Menschheit hat“, erklärte die Organisation damals.

Neben der Verwüstung ganzer Regionen, seien die Folgen „millionenfache Vernichtung von Lebensgrundlagen, Hungersnöte, Flucht, Vertreibung“. Die Kampagne mit dem Namen „The Planet vs. Bolsonaro“ wird von weiteren Organisationen unterstützt. All Rise hofft, mit der Klage einen Präzedenzfall zu schaffen. Die Entscheidung, ob der Gerichtshof ein Ermittlungsverfahren eröffnet, steht noch aus.

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