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Interview

„Ein Vergleich der Bundesländer wird helfen, die besten Lösungen zu finden“

Foto: Timo Lutz Werbefotografie

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Interview: Jörg-Rainer Zimmermann, 27.11.23
… betont Alterric-Chef Frank May angesichts der noch immer viel zu langen Genehmigungsverfahren für neue Windparks. Sollte sich die Lage nicht schnell ändern, sieht er die nationalen Ausbauziele für 2030 in Gefahr.

neue energie: Im März 2021 haben EWE und die Aloys-Wobben-Stiftung (AWS) die Fusion ihrer Onshore-Wind-Portfolios bekannt gegeben. Damit war Alterric geboren und von Anfang an mit einem 2,3-Gigawatt-Anlagenbestand und einer internationalen Projekt-Pipeline von neun Gigawatt deutscher Marktführer. Welche Strategie verfolgen Sie?

Frank May: Strategisch positioniert sich die Alterric seit ihrer Gründung als Erzeuger erneuerbarer Energien mit dem klaren Fokus auf dezentrale Energieparks, die aus Wind und zukünftig ergänzend auch aus Sonne klimaneutralen Strom zur Versorgung produzieren und bereitstellen. Dabei bedienen wir die gesamte Wertschöpfungskette, von der Projektentwicklung über den Bau, die Finanzierung und den langfristigen Betrieb vor Ort bis hin zum Repowering. Wir leben also nicht vom Verkauf von Projekten, sondern vom Betrieb, handeln insofern nach der Logik eines Energieversorgers.

ne: Wie entwickelt sich das Portfolio?

May: Unser Anlagenbestand ist auf über 2,4 Gigawatt gewachsen. Die gesamte internationale Onshore-Projekt-Pipeline umfasst mittlerweile mehr als zehn Gigawatt, auf Deutschland entfallen davon rund acht. Unser Ziel ist es, künftig in unseren Märkten jährlich mindestens 300 Megawatt netto neu zu installieren und in unser Betriebsportfolio zu übernehmen.

ne: Wieviel werden es in diesem Jahr sein?

May: Insgesamt landen wir ungefähr bei 150 Megawatt neu installierter Windparkleistung. Damit sind wir noch nicht da, wo wir stehen wollen und auch könnten. Es fehlen neu erteilte Genehmigungen für unsere Projekte. Konkret liegen von Alterric Anträge mit einem Volumen von mehr als 1600 Megawatt auf den Tischen deutscher Genehmigungsbehörden. Ich gehe aber davon aus, dass wir im kommenden Jahr die genannten 300 Megawatt im Bereich Wind erreichen werden.

ne: Im Mai 2021 hatten EWE-CEO Stefan Dohler und AWS-Vorstandschef Heiko Janssen in diesem Magazin erklärt, dass die beiden Unternehmen für Alterric als strategische Partner zur Verfügung stünden, das neue Unternehmen sich dann aber als eine eigenständig agierende, herstellerunabhängige Marke etablieren solle. Gibt es gar keine Vorgaben?

May: Nein, denn die grundsätzliche Idee zur Aufstellung der Alterric bleibt, nämlich ein neues, eigenständiges und starkes Unternehmen der nachhaltigen Energieerzeugung zu etablieren. Das bedeutet, neutral und marktorientiert aufgestellt zu sein. Diese Unabhängigkeit gilt selbstverständlich auch bei der Auswahl der Anlagenhersteller, der Partner oder Vermarkter. Damit können wir immer eng am Markt agieren.

ne: Bereits 2021 wurde angekündigt, dass Alterric künftig auch PV-Projekte verfolgen werde. Auf der diesjährigen Windmesse in Husum haben Sie nun Pläne vorgestellt, Wind mit Photovoltaik zu kombinieren. Welche Ziele verfolgen Sie damit?

May: Wir müssen als einen wichtigen Schritt für die Umstellung auf eine nachhaltige, klimaschonende Energieerzeugung und als Teil der Infrastruktur auch die Versorgung mitdenken. Dafür ist es sinnvoll, wenn unser Versorgungsprodukt zur Einspeisung ins Netz weniger volatil ist. Und genau da setzen wir mit dem Konzept der kombinierten Wind-Solar-Energieparks an. Damit ergänzt sich die lokale oder regionale Erzeugung aus Wind und Sonne geradezu komplementär und erhöht damit den Marktwert und die Versorgungssicherheit. Wenn die Sonne scheint, weht tendenziell weniger Wind und umgekehrt. So verstetigt sich die Stromproduktion in einem Hybridpark und wird vorhersehbarer sowie stabiler. Wir sehen für die kommenden Jahre im Bereich Freiflächen-Photovoltaik in Hybridparks ein Ausbaupotenzial von mindestens 1500 Megawatt. Zudem werden damit auch PPA für Industriekunden spannender und die Netzausnutzung wird verbessert. Wir wollen als Alterric ein noch besser am Versorgungsgedanken orientierter Erneuerbaren-Erzeuger werden, um ein gutes Versorgungsprodukt anzubieten. Hierbei können auch Speicherlösungen und Umspannwerke eine Rolle spielen.

ne: Sie hatten die schleppende Erteilung von Genehmigungen für neue Windparks angesprochen. Was ist vordringlich zu tun?

May: Wir müssen in allen Fragen zu einer Standardisierung und Industrialisierung kommen, um Geschwindigkeit bei der Umsetzung aufzubauen. Das ist das Gebot der Stunde. Dabei geht es um Themen wie etwa den Netzzugang oder die Ausgestaltung von Bürgerbeteiligungen. Dabei plädieren wir für Vereinfachung und Vermeidung projektspezifischer Einzelanpassungen oder eines Flickenteppichs aus Beteiligungs-Regelungen in den Bundesländern. Denn um in Zukunft tatsächlich pro Jahr Windparks mit einer Gesamtleistung von 10 000 Megawatt in Deutschland aufzustellen, braucht es jährlich auch rund 400 bis 500 Genehmigungen und auch die gleiche Anzahl umgesetzter Projekte. Sollte sich die Lage bei dem Thema nicht zügig bessern, werden sich die gesetzten Ausbauziele für 2030 nach hinten verschieben.

ne: Andererseits ist von sehr kompetenten Branchenakteuren zu hören, dass die Rahmenbedingungen in Deutschland im internationalen Vergleich eigentlich nicht so schlecht sind. Wie geht das zusammen?

May: Tatsächlich ist es mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz gelungen, in den vergangenen zwei Jahrzehnten einen Investitionsboom auszulösen. Die Verlässlichkeit und Sicherheit des deutschen Markts macht ihn für Kapitalgeber attraktiv. Das ist zweifellos ein Standortvorteil auch für ausländische Investoren. Gleichzeitig wird auch die Marktdynamik beurteilt sowie die Nachhaltigkeit – und auch dabei schneidet Deutschland grundsätzlich nicht schlecht ab. Kritisch wirken auf ausländische Investoren sicherlich die langen Genehmigungszeiten bei Kerninfrastruktur-Projekten, aber auch bei dem Thema hat Deutschland wichtige Maßnahmen eingeleitet.

ne: Was ist zu tun?

May: Es gibt mittlerweile gute Ansätze. Weitere Maßnahmen aus der Wind-an-Land-Strategie müssen zügig und konsequent umgesetzt werden. Dazu zählt zum Beispiel die Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes, auf die wir für schnellere Genehmigungsfristen und Erleichterungen beim Repowering warten. Im Pakt für Planungsbeschleunigung von Bund und Ländern wurden zu diesen Themen auch gute Beschlüsse gefasst. Diese sollte der Bundestag jetzt im laufenden Gesetzgebungsverfahren direkt aufgreifen. Und es gibt immer noch Bundesländer, in denen es bei den Genehmigungen einfach nicht vorangeht. Das kann nicht sein. Wir würden zum Beispiel in einem Bundesland sehr gerne über eine Milliarde Euro investieren, aber bei den Genehmigungen bewegt sich kaum etwas. Andernorts läuft es viel besser, etwa in Nordrhein-Westfalen. Insofern glaube ich, dass ein Vergleich der Bundesländer untereinander sehr dabei helfen kann, die besten Lösungen zu finden.

Dies ist eine gekürzte Fassung des Interviews. Der vollständige Text ist in Ausgabe 12/2023 von neue energie erschienen.


Frank May
ist promovierter Diplom-Ingenieur für Maschinenbau und seit April 2022 Geschäftsführer des deutschen Grünstrom-Marktführers Alterric. Zuvor war May Geschäftsführer und CEO Westdeutschland bei Actemium, einer Sparte des weltweit tätigen, französischen Konzessions-, Bau und Energiekonzerns Vinci.

 

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