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Industrie

Chemie unter Strom

Foto: Michael Probst/Associated Press/picture alliance

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Chemiepark von BASF in Ludwigshafen

Joachim Wille, 18.03.24
Eine Analyse listet die zwölf Produktionsstätten der chemischen Industrie in Deutschland mit den höchsten CO2-Emissionen auf. Die Umweltorganisation WWF fordert die Umstellung auf erneuerbare Energien und Kreislaufwirtschaft.

Die Chemieindustrie steckt derzeit in der Krise. Deutschlands drittgrößter Industriezweig hat binnen zwei Jahren rund 23 Prozent seiner Produktionsmenge verloren, vor allem wegen der schwachen Konjunktur und hoher Energiepreise. Trotzdem muss die Chemie sich den Klimaschutz-Anforderungen stellen, mahnt die Umweltstiftung WWF in einer neuen Analyse, denn ihr komme für die ökologische Transformation Deutschlands „eine Schlüsselrolle“ zu.

Die Studie „Dirty Dozen: Chemie“ zeigt, dass die zwölf Chemieparks mit dem höchsten CO2-Ausstoß allein bereits für rund drei Prozent der gesamten deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich sind. Zusammen betrug ihre CO2-Fracht 2022 rund 23 Millionen Tonnen. Auf dem Spitzenplatz liegt der Chemiepark von BASF in Ludwigshafen mit einem Ausstoß von 5,9 Millionen Tonnen CO2. Es folgt der Park von Ineos/Currenta in Köln mit 3,6 Millionen Tonnen, Platz drei teilen sich Basell in Wesseling und Evonik in Marl mit je 2,1 Millionen Tonnen. Die Studie wurde vom Öko-Institut erarbeitet, das im vergangenen Jahr für den WWF bereits die „Dirty Thirty“ des gesamten Industriesektors zusammengestellt hatte.

Kraftwerke in Chemieparks als größte CO2-Quelle

„Die Chemieindustrie ist ein Schwergewicht beim CO2-Ausstoß“, sagte WWF-Klimachefin Viviane Raddatz bei der Vorstellung der neuen Studie in Berlin. Großes Einsparpotenzial ergebe sich besonders bei den bisher in Grundlast betriebenen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen, die Strom und Wärme für die Produktion in den Chemieparks liefern. Die Erdgas-KWK-Anlagen könnten flexibilisiert eingesetzt werden, sodass bei einem hohen Angebot von Solar- und Windstrom dieser genutzt werden könne, so Raddatz. Den Wärmebedarf sollen dann andere Kapazitäten wie Wärmepumpen oder elektrische Dampferzeuger decken.

Die Analyse zeigt, dass mit insgesamt 40 Prozent der größte Teil der Emissionen auf die Kraftwerke in den Chemieparks zurückzuführen ist. Danach folgen die Emissionen aus den sogenannten Steamcrackern – Anlagen zur Herstellung von Grundchemikalien – mit 24 Prozent und Ammoniakanlagen mit 14 Prozent. Raddatz betonte, dass der Strombedarf der Chemieindustrie durch die Elektrifizierung der Produktionsanlagen und die Nutzung von grünem Wasserstoff in der Vorkette steigen werde. „Umso wichtiger ist es daher, dass die Politik endlich den Ausbau erneuerbarer Energien noch stärker ankurbelt als bisher.“ Nötig seien zum Beispiel ein beschleunigter Netzausbau, die Schaffung sicherer Lieferketten für klimafreundlichen Wasserstoff und die Erleichterung des Schwerlasttransports von Windanlagen.

Gewaltiger Strombedarf

Wie groß die Herausforderung der Umstellung auf grüne Energie ist, zeigt zum Beispiel die Prognose des Chemieverbands VCI in der „Roadmap Chemie 2050“ von 2019, wonach der jährliche Stromverbrauch der Branche bis Mitte des Jahrhunderts auf 628 Milliarden Kilowattstunden ansteigen muss, um CO2-Neutralität zu ermöglichen. Zum Vergleich: Die gesamte Stromproduktion Deutschlands betrug 2023 rund 450 Milliarden Kilowattstunden.

Laut Raddatz können die Industrieunternehmen selbst zum Erneuerbaren-Ausbau und -Einsatz beitragen, etwa indem sie Direktlieferverträge mit Windkraft- und Solarproduzenten abschließen und Strom wo möglich flexibel dann nutzen, wenn gerade viel erneuerbare Energie ins Netz fließt. Tatsächlich gibt es durchaus schon Ansätze in diese Richtung. So bezieht BASF Strom aus dem weltgrößten Offshore-Windpark „Hollandse Kust Zuid“ in den Niederlanden und will auch bei weiteren Projekten des schwedischen Stromkonzerns Vattenfall in der Nordsee einsteigen.

Für WWF-Expertin Raddatz tun die Chemiekonzerne zudem nicht genug, um künftig nach den Kriterien der Kreislaufwirtschaft zu produzieren. „Weniger Ressourcenverbrauch, mehr Recycling und bessere Materialeffizienz sind einige der Stellschrauben, die bisher noch zu wenig Beachtung finden“, mahnte sie. Die Umweltstiftung fordert in diesem Zusammenhang unter anderem verbindliche Ressourcenziele nach dem Vorbild der Klimaziele und eine Ressourcensteuer für Verpackungen. „Umweltkosten müssen sich endlich auch im Preis niederschlagen“, sagte Raddatz.

 

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