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Energiekonzerne

Auch RWE spaltet sich auf

Tim Altegör, 02.12.15
Nun also doch: RWE trennt sein Geschäft, Erneuerbare, Netze und Vertrieb sollen an eine Tochtergesellschaft gehen. Der Essener Energiekonzern wählt damit ein anderes Konstrukt als Mitbewerber Eon, beide eint aber eine späte Erkenntnis: dass sie die Energiewende massiv unterschätzt haben.

Zu den Pflichten eines börsennotierten Unternehmens gehört es, rechtzeitig über Geschäftszahlen oder Entscheidungen zu informieren, die den Aktienkurs beeinflussen könnten – damit soll Insiderhandel vorgebeugt werden. Zu diesem Zweck gibt es sogenannte Ad-hoc-Mitteilungen, und eine solche hielt der Energiekonzern RWE am 1. Dezember für nötig. Der RWE-Vorstand teilte darin mit, dass die Geschäftsfelder Erneuerbare Energien, Netze und Vertrieb in eine neue Tochtergesellschaft ausgelagert werden, die 2016 den Betrieb aufnehmen soll. Allerdings muss der Aufsichtsrat des Unternehmens den Plänen noch zustimmen, für den 11. Dezember ist eine Sitzung anberaumt.

Der Vorstandsvorsitzende von RWE, Peter Terium, bezeichnete die Neustrukturierung als „unsere Antwort auf den Umbau der europäischen Energielandschaft“. Erst im August hatte er eine Verschlankung der Unternehmensstruktur verkündet. Die Erneuerbaren-Sparte sollte demnach eine von vier Säulen von RWE darstellen, ebenso wie die Bereiche Vertrieb und Netze. Mit der Ausgliederung folgt RWE nun jedoch dem Konkurrenten Eon, der ab 2016 sein fossiles Geschäft in das neu geschaffene Unternehmen Uniper überträgt. Bei RWE plant man anders herum: Das konventionelle Kraftwerksgeschäft sowie der Energiehandel verbleiben im Mutterkonzern. In die neue Tochter würden laut RWE nach derzeitigem Stand rund zwei Drittel der 60.000 RWE-Mitarbeiter wechseln.

Die Beschlüsse in den Vorstandsetagen der beiden größten deutschen Energieunternehmen geschehen unter starkem wirtschaftlichem Druck: Ihre Bilanzen verschlechtern sich zusehends, auch weil ihre fossilen Kraftwerke aufgrund niedriger Börsenstrompreise immer weniger Gewinn abwerfen. Im dritten Quartal verkündete etwa RWE einen Rückgang beim betrieblichen Ergebnis von neun Prozent im Vergleich zum Vorjahr, Eon verzeichnete seit Januar gar einen Gesamtverlust von mehr als 5,6 Milliarden Euro.

Kritik am Vorgänger

Terium machte in seiner Rede zum Konzernumbau einerseits die Bundesregierung für die wirtschaftliche Misere der einst unbestrittenen Marktführer verantwortlich. Durch einen fehlenden „Masterplan“ für die Energiewende seien sie verunsichert worden. Andererseits benannte er auch eigene Fehler, so habe es zum Zeitpunkt seines Amtsantritts vor drei Jahren an „Veränderungsbereitschaft“ gemangelt, als diese aufgrund der Umbrüche im Energiesektor nötig gewesen sei. Damit greift Terium indirekt seinen Vorgänger Jürgen Großmann an, der den Siegeszug erneuerbarer Energien unterschätzte und bis zuletzt an der Atomenergie festhielt.

Ob deren Altlasten finanziell abgesichert sind, stellten Experten zuletzt zunehmend infrage. Die Betreiber müssen dafür Rücklagen bilden, im Zuge der Eon-Pläne kursierte jedoch der Vorwurf, der Konzern wolle sich seiner Verpflichtungen durch eine Ausgliederung entledigen. Im Oktober verabschiedete die Bundesregierung deshalb ein Gesetz, das die Nachhaftung für Folgegesellschaften sichern soll. Letztlich entschied Eon, seine Kernkraftwerke doch im Unternehmen zu behalten und nicht mit auszugliedern, wie ursprünglich vorgesehen.

Terium legte in seiner Erklärung Wert auf die Feststellung, dass alle Geschäftsbereiche von RWE – anders als im Falle von Eon – in einem Konzern verbleiben sollen. Damit stehe man auch weiterhin zur eigenen „Verantwortung für die Kernenergie“. Den Kohlestrom will allerdings auch Terium noch lange nicht abschreiben: Konventionelle Kraftwerke seien „noch über Jahrzehnte hinweg als Partner der erneuerbaren Energien unersetzlich“.

Die Zukunft allerdings sieht RWE erklärtermaßen in Solar- und Windenergie, sowie in dezentraler und digitalisierter Energieversorgung. Um dort stärker einzusteigen, sollen rund zehn Prozent des neuen Unternehmens im Zuge einer Kapitalerhöhung an der Börse platziert werden. So will sich der Konzern zusätzliche Mittel für Investitionen verschaffen, etwa die Hälfte des Erlöses soll in erneuerbare Energien fließen. Für den im vergangenen Jahr zwischenzeitlich um bis zu 65 Prozent eingebrochenen Kurs der RWE-Konzernaktie brachte die Neuausrichtung zumindest schon eine kleine Erholung: Aktuell beträgt das Jahresminus nur noch um die 55 Prozent.

 

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