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Netzvergabe

Großes Rätseln um Berlins Energienetze

Ralf Hutter, 10.12.15
Die Berliner SPD-Fraktion will, dass das dortige Stromnetz vom Land und möglichst zusammen mit einer Genossenschaft betrieben wird. Der SPD-geführte Senat präsentiert aber ein Konzept für eine Kooperation mit Vattenfall – das der Konzern wiederum gar nicht befürwortet.

Eine Energienetzvergabe ist eigentlich eine eher langweilige Angelegenheit. Die Berliner Landesregierung schafft es aber, die Vergabe von Strom- und Gasnetz filmreif zu gestalten. Seit über einem Jahr wartet sie mit immer neuen spannenden Entwicklungen auf. Die letzte war ein besonderer Knüller – die Hauptstadt wartet gespannt auf die Auflösung.

„Der politische Kompromiss ist mehr als schräg“, zu diesem Fazit kommt Hartmut Gaßner. Der Aufsichtsratsvorsitzende der Genossenschaft Bürgerenergie Berlin (BEB) erklärte auf deren Generalversammlung am 8. Dezember den aktuellen Stand im Stromnetzvergabeverfahren, bei dem die BEB mitbietet. Besagter Kompromiss im Berliner Senat sieht so aus: Die SPD will eigentlich Strom- und Gasnetz in kommunaler Hand, einigte sich mit der kommunalisierungskritischen CDU aber auf öffentlich-private Partnerschaften. Der Senat hat den Sommer über vertrauliche Gespräche mit den an Strom- und Gasnetz beteiligten Konzernen geführt.

Um einem Rechtsstreit beim Gasnetz auszuweichen und die drohende Schlappe des Landesunternehmens Berlin Energie beim Stromnetz zu verhindern, will er die beiden Netze gemeinsam mit je einem der Konzerne betreiben: das Gasnetz mit Eon, dem zusammen mit Vattenfall und dem französischen Konzern Engie der aktuelle Netzbetreiber Gasag gehört, und das Stromnetz mit dessen aktuellem Betreiber Vattenfall. Vor einem Monat präsentierte der Senat diese Idee. Doch bisher stimmen ihr weder Eon noch Vattenfall zu. Solange das Vergabeverfahren läuft, werde Vattenfall sich zu einer Kooperation beim Stromnetz nicht äußern, sagte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage.

In „Flurgesprächen“ sei zu hören, dass dieses Modell für Vattenfall unvorstellbar ist, sagte Hartmut Gaßner bei der Versammlung. Die Landesregierung will dem schwedischen Staatskonzern zunächst die Hälfte der Anteile an der Stromnetzgesellschaft abkaufen, 2023 dann den Rest. Doch warum sollte Vattenfall verkaufen? Hat das Unternehmen in den Gesprächen angedeutet, dass es sich nach dem aktuell betriebenen Verkauf der deutschen Kohlesparte auch aus Berlin zurückziehen will?

Genossen haben Beschwerde eingereicht

Für den hauptberuflich als Anwalt arbeitende Genossenschaftler Gaßner ergibt das keinen Sinn. Seine Mutmaßung: So ein Netzbetrieb könnte ein Grund für die Entscheider in Schweden sein, Vattenfall nicht komplett aus Deutschland zurückzuziehen – woran die hiesigen Führungskräfte der Firma ein Interesse hätten. Die BEB hat sich Anfang November beim Bundeskartellamt über die Verhandlungen des Senats mit den Konzernen beschwert, denn Absprachen zwischen Bewerbern in einem Netzvergabeverfahren sind eigentlich nicht erlaubt. Wann das Kartellamt sich dazu äußert, sei ungewiss, sagte BEB-Vorstand Luise Neumann-Cosel.

Auch in der SPD-Fraktion dürfte Unmut über die Senatsidee herrschen. Die parlamentarische Enquete-Kommission „Neue Energie für Berlin“ hat in ihrem kurz vor den Senatsplänen veröffentlichten Abschlussbericht auf Seite 90 festgehalten: „Die Enquete-Kommission empfiehlt dem Land Berlin die Rekommunalisierung des Stromnetzes. Das Stromnetz trägt Monopolcharakter, ist für die Gestaltung der Energiewende wichtig und bietet über die Bürgerbeteiligung und eine genossenschaftliche Beteiligung die aus Sicht der Enquete-Kommission zu realisierende Möglichkeit, dass die Berlinerinnen und Berliner in ihrer Stadt die Energiewende konkret mitgestalten können.“ Die CDU widerspricht allerdings dieser Aussage in einem Sondervotum.

Zum im November vorgestellten Konzept des Senats gehört übrigens auch eine „Energiewendeplattform“. Sie soll „die Aktivitäten zur Beförderung der Energiewende vorantreiben, bündeln und koordinieren“ und sowohl die „industriellen Partner“ als auch „Bürgerprojekte“ einbinden. „Das ist bestimmt eine tolle Sache“, sagt Neumann-Cosel von der BEB. „Aber nach dem jetzigen Stand sind dafür keine Haushaltsmittel vorgesehen. Das wäre dann eher eine Art Stuhlkreis, bei dem man sich unterhält.“ Sie will nun im Wahlkampf Druck machen: Mitte September wird das Landesparlament neu gewählt.

 

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