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Bildung

Generation Klimaschutz?

Tim Altegör, 27.10.16
Schmelzende Gletscher, Weltklimakonferenzen, Energiewende: für heutige Jugendliche und junge Erwachsene ist der Klimawandel immer schon gegenwärtig. Aber führt das auch zu mehr Engagement gegen die Erderwärmung? Studien zeigen: Bildung spielt eine entscheidende Rolle.

Sie sei hier, weil sie etwas verändern wolle, sagt Lara Kannegieser. Hier, das ist beim „2°-Campus“ der Umweltschutzorganisation WWF. Die 16-jährige Schülerin stellt an diesem Tag in Berlin gemeinsam mit den anderen Teilnehmenden die Projektergebnisse vor, in vier Gruppen haben sie über das Jahr hinweg unter Anleitung von Profi-Forschern dazu gearbeitet, wie Energie, Mobilität, Ernährung und Gebäude nachhaltiger werden können. Die Projekte reichen von umweltschonenden Alternativen zu Klimaanlagen bis zum effizienten Aufladen von E-Bikes mithilfe von Kaffeesatz. Nach der Schule will Kannegieser Waldwirtschaft und Umwelt studieren, „das steht schon relativ fest“. In die Forschung will sie eher nicht gehen, im Gegensatz zu Thorben Peping, 17 Jahre. Er plant ein Physikstudium und will forschen, natürlich mit Nachhaltigkeitsbezug. Elisabeth Goebel wiederum interessiert sich vor allem für Ernährung, in ihrer Gruppe hat sie sich mit der Umweltbilanz von Verpackungen befasst. An ihrer Schule ist sie in der „Klimabotschafter-AG“ aktiv.

Wer hier teilnimmt, ist besonders engagiert, klar. Aber wächst da vielleicht auch eine Generation heran, für die Klimaschutz allgemein eine größere Rolle spielt als für diejenigen, die vor Energiewende und Weltklimaverträgen aufgewachsen sind? Es gibt mittlerweile Studien, die sich speziell dieser Frage widmen. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat bereits zweimal, 2012 und 2015, ein „Nachhaltigkeitsbarometer“ zu den Einstellungen von 15- bis 24-Jährigen veröffentlicht. Bereits seit 1996 untersucht das Umweltbundesamt (Uba) zudem alle zwei Jahre das „Umweltbewusstsein in Deutschland“. Das umfasst zwar die gesamte Bevölkerung, 2014 gab es aber noch eine Vertiefungsstudie zu jungen Menschen. Die Spanne liegt hier etwas breiter bei 14 bis 25 Jahren. Für die Uba-Studie wurden nur etwa 250 Personen befragt (Greenpeace: circa 1500), dafür sind die Ergebnisse mit Einzel-Interviews unterfüttert.

Energiewende ist selbstverständlich

Aus den Erhebungen wird deutlich: Das Thema Klimaschutz ist bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland sehr präsent. Die Energiewende ist für die große Mehrheit selbstverständlich, 92 Prozent unterstützen sie laut der Greenpeace-Umfrage von 2015. Auffallend sei die Einigkeit über gesellschaftliche Gruppen hinweg, schreiben die Forscher von der Leuphana Universität Lüneburg, die die Studie durchführten. Die hohe Zustimmung zur Energiewende gelte unabhängig von Geschlecht, Berufsstatus, Schicht oder Region. Zudem wird der Klimawandel immer wichtiger: Anders als drei Jahre zuvor wird er am häufigsten als das zentrale Umweltproblem genannt, vor Arten- und Meeresschutz.

Einen hohen Stellenwert des Klimawandels diagnostiziert auch die Uba-Studie. Das liege, anders als beispielsweise die relativ geringe Bedeutung von Gesundheitsfolgen, nicht bloß an der momentanen Lebensphase der Befragten, vielmehr sei diese Generation grundsätzlich von einer globalen Perspektive auf Umwelt und Natur geprägt. Allerdings kommt die Untersuchung auch zu dem Schluss, dass Umweltschutz im Alltag häufig gegenüber beruflichen Perspektiven und dem Streben nach einem hohen Lebensstandard zurücktritt.

„Viele sagen lieber: Ich habe Spaß. Man ist schon in der Minderheit“, berichtet Campus-Teilnehmer Sebastian Durchholz aus Frankfurt am Main. Ihn stört auch, dass Nachhaltigkeit und Klimaschutz eher etwas für Privilegierte seien, ob beim Geld für teure Bio-Lebensmittel oder dem Bildungsniveau der Eltern. Hier scheint sich laut den Greenpeace-Erhebungen allerdings etwas zu tun: Erkannten die Forscher 2012 noch ein deutliches „Zwei-Klassen-System“, in dem vor allem Jugendliche mit höherem Bildungshintergrund mit Nachhaltigkeit in Kontakt kämen, spielt die soziale Herkunft 2015 eine geringere Rolle. Die Studie interpretiert das als Folge der zunehmenden Behandlung des Themas im Schulunterricht, statt 40 begegnen ihm dort nun 71 Prozent.

Zwischen „umweltpassiv“ und „nachhaltigkeitsaffin“

Thorben Peping hat einen positiveren Eindruck von seinen Mitschülern, „vielleicht weil ich im ländlichen Raum lebe. Viele sind interessiert, es fehlt nur das Wissen.“ Beide Seiten finden sich in den Umfragen wieder, die jeweils verschiedene Typen identifiziert haben – teils mit widersprüchlichen Ergebnissen. So sind beim Uba immerhin 37 Prozent als „Umweltpassive“ eingestuft, die sich vor allem auf ihre persönlichen Probleme konzentrieren. Das ist mit Abstand der höchste Wert und er liegt um zehn Prozent über dem der Umweltpassiven in der Gesamtbevölkerung. Bei Greenpeace bilden dagegen die „Nachhaltigkeitsaffinen“ mit 32 Prozent die größte Gruppe, allerdings waren es 2012 auch schon einmal mehr (39 Prozent). Den höchsten Zuwachs verzeichnen seitdem diejenigen, die zwar an Nachhaltigkeit interessiert sind, aber (noch) nicht entsprechend handeln. Ihr Anteil hat sich von 10,5 auf 20,3 Prozent fast verdoppelt.

Hier klingt das Problem an, Überzeugungen in Handeln zu übersetzen. Immerhin: Mehr als 80 Prozent der 15- bis 24-Jährigen wollen laut der Greenpeace-Studie später Ökostrom beziehen, oder tun das sogar schon. Auch das gilt unabhängig vom finanziellen Hintergrund der Befragten. 45 Prozent wollen sich in regionale Energie-Projekte einbringen, 25 Prozent sich auch politisch für die Energiewende einsetzen. Am häufigsten schon praktiziert wird mit mehr als 70 Prozent das private Energiesparen. Beim Uba geben neun Prozent an, sich bereits für Umwelt- und Naturschutz zu engagieren, 50 Prozent können es sich zumindest vorstellen.

Einzelfälle sind die Jugendlichen beim 2°-Campus also zumindest nicht. Ob sie persönliche Zukunftssorgen antreiben, sich für den Klimaschutz zu engagieren? Immerhin wird sie der Wandel direkter betreffen als ihre Vorgänger-Generationen. Angst habe er nicht, sagt Peping. „Aber wir werden schon Veränderungen erleben.“ Klimagerechtigkeit sei ihm wichtig, ergänzt Durchholz. „Am stärksten kriegen es die ab, die am wenigsten emittieren. Das ist nicht in Ordnung.“

Bewerbungsschluss für die nächste Runde des 2°-Campus ist am 1. Dezember. Weitere Infos gibt es hier.

 

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