Anzeige
Künstliche Intelligenz

Die Folgen von „Sora“ und Co beim Energieverbrauch

Foto: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Foto: Sebastian Gollnow/dpa/picture alliance

Stromintensive Infrastruktur für die Digitalisierung: Ein Serverschrank in einem Rechenzentrum.

Joachim Wille, 28.02.24
Die Konsequenzen der Digitalisierung fürs Klima sind zwiespältig: Sie kann gewaltig schaden, aber auch helfen. Eine Studie sieht noch großen Forschungsbedarf.

Der Video-Generator „Sora“ soll der nächste KI-Hit werden. Wollmammuts, die durch eine verschneite Landschaft laufen, ein Spaziergang durch eine neonbeleuchtete Straße in Tokio, ein junger Mann, der auf einer Wolke sitzt und ein Buch liest – das sind Beispiele für Kurzvideos, die die US-Firma Open AI jetzt präsentierte. Deren neuestes Projekt Sora hat die Ein-Minuten-Clips allein aufgrund von kurzen Textanweisungen erzeugt. Ziel ist es, künstliche Intelligenz zu befähigen, die physische Welt und ihre Bewegungen zu verstehen und nachzubilden.

Das kalifornische Unternehmen Open AI, das mit seinem Textroboter Chat GPT Furore machte, sieht in Sora einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zur allgemeinen künstlichen Intelligenz. Und tatsächlich sind die Möglichkeiten, die KI bietet, beeindruckend. Freilich hat sie auch fragwürdige Nebenwirkungen. Zum Beispiel: Sie verbraucht jede Menge Strom.

Fachleute haben bereits nach der Einführung von Chat GPT und anderen KI-Anwendungen im vorigen Jahr vor einem dadurch stark steigenden Energieverbrauch der Rechenzentren gewarnt. Der Datenwissenschaftler Alex de Vries aus Amsterdam zum Beispiel rechnete vor, dass alleine die Suchanfragen per Google etwa 29,2 Terawattstunden Strom pro Jahr benötigen würden, wenn dabei künftig in jedem Fall KI eingesetzt würde; das entspreche dem Jahresstromverbrauch Irlands. Das sei zwar ein Extremszenario, sagt de Vries, das kurzfristig nicht eintreten werde, zeige aber die Dimensionen auf. Bei einem KI-Trainingsdurchlauf entstehen, je nach Strommix und Berechnungsmethode, bis zu 942 Tonnen CO2 – so viel wie etwa 90 Deutsche im Jahr verursachen.

Rechenzentren und die sonstige Nutzung digitaler Technologien sind heute laut dem Weltklimarat IPCC bereits für rund zwölf Prozent des weltweiten Stromverbrauchs verantwortlich. Fachleute schätzen, dass der Anteil in den nächsten Jahren auf 30 Prozent ansteigen kann, unter anderem durch rechenintensive Anwendungen wie die Textroboter, das Videostreamen unterwegs oder das autonome Fahren von Pkw. 

Digitale Verschmelzung von Energie und Mobilität

Doch die Gesamtbilanz der Digitalisierung bei Energie- und Ressourcenverbrauch ist nicht so negativ, wie man aufgrund dieser Entwicklungen denken könnte. Einige digitale Technologien können sich auch positiv darauf auswirken, etwa wenn mit ihrer Hilfe Stromnutzung und Heizung in Gebäuden effizienter gesteuert werden. Das hat jetzt eine Übersichtsstudie gezeigt, für die im Auftrag des Bundesforschungsministeriums rund 200 wissenschaftliche Untersuchungen analysiert wurden. Danach gibt es in den Sektoren Gebäude, Energiesystem und Verkehr „Anzeichen für positive Wirkungen“, so die Autoren. In den meisten Bereichen brauche es aber mehr belastbare Zahlen, urteilen sie. Auftragnehmer waren das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in Berlin und der Thinktank Technopolis Deutschland, der Büros in Frankfurt/Main und Berlin hat. 

„Klare Vorteile“ erwarten die Fachleute im Gebäude- und Energiesektor, weil hier der Wärme- und Stromverbrauch durch smarte Mess- und Steuerungstechnik gesenkt werden kann – etwa durch bessere Anpassung an den Bedarf. Hilfreich seien zudem „virtuelle Kraftwerke“ und „Smart Charging“ (intelligentes Aufladen), wobei Dienstleister zum Beispiel Batteriespeicher in Haushalten und Elektroautos zusammenschalten und sie gezielt steuern. Diese könne helfen, die Stromnachfrage und das bei Solar- und Windenergieanlagen fluktuierende Angebot ins Gleichgewicht zu bringen und damit Emissionen aus fossilen Kraftwerken zu reduzieren. Zitat der Expertinnen: „So verschmelzen Energie- und Mobilitätssysteme miteinander.“ 

Auch in der Verkehrsabwicklung liegen laut der Studie große Potenziale. Straßen könnten effizienter genutzt werden und der Energieverbrauch von Fahrzeugen sinken, wenn Routen oder Ampelschaltungen dank KI optimiert werden. IÖW-Ökonom Christian Lautermann schränkt allerdings ein: „Die Umwelteffekte beim autonomen Fahren hängen davon ab, ob die neue Technik auch insgesamt die Zahl der Pkw und der gefahrenen Kilometer reduziert.“ Zudem solle künftige Forschung verstärkt Carsharing sowie Bus- und Güterverkehr betrachten. Die Potenziale digitaler Technologien seien hier bisher nämlich deutlich weniger erforscht als beim Auto-Individualverkehr.

Emissionen werden ins Ausland verlagert

Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien könne durchaus zu einer Verbesserung der nationalen Treibhausgasbilanz beitragen, bilanziert Jan Stede von Technopolis, der die Studie leitete. Allerdings sei zu bedenken: „Die CO2-intensive Produktion von digitalen Technologien findet oft in anderen Ländern statt.“ Einsparung hierzulande stehen also höhere Emissionen dort gegenüber. Zukünftige Forschung zur Klimawirkung von Digitalisierung müsse daher verstärkt die Verlagerung der Emissionen in der Produktion in den Blick nehmen, rät der Experte.

Ein weiteres, zunehmend wichtiges Forschungsfeld betrifft Stede zufolge „Rebound-Effekte“ etwa in der Industrie. Hier geht es darum, dass Produktionsprozesse durch eine digitale Vernetzung zwar effizienter und damit energiesparender ablaufen, dies aber zu einer höheren Produktion führen kann. Das wiederum droht einen Teil der Einsparungen zunichtezumachen. Solche Effekte müssten zumindest näherungsweise eingerechnet werden, meint der Experte.

Als Manko der bisherigen Forschung identifizierten IÖW und Technopolis, dass die meisten Studien nur die Folgen für den CO2-Aussstoß quantifizierten. Eine umfassende Lebenszyklusanalyse würde hingegen auch andere direkte und indirekte Folgen betrachten – von Umweltverschmutzung bis zu Auswirkungen auf die Biodiversität. „Die Forschung sollte stärker als bisher den ökologischen Fußabdruck digitaler Technologien berücksichtigen und unerwünschte Nebenwirkungen untersuchen“, empfiehlt IÖW-Experte Lautermann. „Nur so wird es möglich, die Chancen der Digitalisierung realistisch zu bewerten.“

 

Kommentare (0)

Kommentar verfassen»

Kommentar verfassen

Anzeige
Anzeige