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Corona-Krise

Erneuerbaren-Projekte erhalten mehr Zeit

Michael Hahn, 26.03.20
Ausnahmsweise wegen des Corona-Virus: Die Bundesnetzagentur will Verzögerungen beim Bau von Erneuerbaren-Anlagen nicht bestrafen – anders als es das Gesetz eigentlich vorsieht. Eine Fristverlängerung nur für beklagte Projekte lehnt die Bundesregierung unterdessen ab.

Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen wirken sich auf alle Lebensbereiche aus. Die Wirtschaft wird massiv belastet. Auch der Ausbau der erneuerbaren Energien ist betroffen durch Lieferengpässe oder Personalmangel. Viele Vorhaben stehen auf der Kippe. Die Branche hatte deshalb gewarnt, dass durch Verzögerungen die Umsetzungsfristen für Ausschreibungsprojekte gefährdet sind, was im Normalfall zu Strafzahlungen führt.

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat auf die Ausnahmesituation reagiert und eine Reihe von Maßnahmen für bereits durchgeführte, laufende und bevorstehende Ausschreibungen für Erneuerbare-Energien- und Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen bekanntgegeben. Dazu zählt auch, dass bei Projektverzug keine Strafen, die sogenannten Pönalen, fällig werden.

Grundsätzlich sollen alle weiteren Ausschreibungstermine wie geplant stattfinden, da sie gesetzlich vorgegeben seien, erklärt die BNetzA. Auch das Prozedere soll sich nicht grundlegend ändern. Alle Gebote würden geprüft und die erfolgreichen Bieter schriftlich informiert. Ebenso wie erfolglose und ausgeschlossene Bieter.

Zuschläge nicht mehr öffentlich

Allerdings will die Behörde die Zuschlagsergebnisse nicht mehr online veröffentlichen. „Damit beginnen die Fristen (betrifft unter anderem Pönalen, Realisierungsfrist und Zahlung der Zweitsicherheit) nicht zu laufen“, schreibt die BNetzA. Wenn sich die Lage wieder beruhigt, soll die Veröffentlichung nachgeholt werden. Ausgenommen davon seien jedoch bezuschlagte Biomasse-Bestandsanlagen und Bieter, „die eine individuelle Vorabveröffentlichung wünschen“. Letztere müssen dies formlos beantragen. Informationen über Gebotsmenge und –wert sollen aber ins Netz gestellt werden.

Für Projekte, die bereits einen Zuschlag erhalten haben, will die BNetzA Fristverlängerungen gewähren, für die dann auch keine Strafen gezahlt werden müssen. Dafür reiche eine formlose E-Mail mit Angabe der Gründe für die Verzögerung. „Bei Solaranlagen ist die Beantragung einer Zahlungsberechtigung bis auf weiteres vor der Inbetriebnahme der Anlage möglich, wenn die geplante Anlage als Projekt im Marktstammdatenregister erfasst ist, sodass der Zuschlag nicht verfällt.“ KWK-Anlagen sind aufgrund der längeren Realisierungsfristen bislang nicht von den Maßnahmen betroffen.

(Update 7. April: Mittlerweile hat die Bundesnetzagentur eine Handreichung zu Anträgen auf Fristverlängerung online gestellt. Demnach sind Anträge frühestens acht Monate vor Ablauf der Frist möglich und müssen mit Unterlagen belegen, dass sich das Projekt durch die Pandemie verzögert.)

Beim Maschinenbauverband VDMA Power Systems kamen die Maßnahmen positiv an. „Es ist gut zu sehen, dass pragmatisches Behördenhandeln und politische Absichtserklärungen hier gut zusammenpassen“, lässt sich Geschäftsführer Matthias Zelinger zitieren. Auch Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands WindEnergie, begrüßte den Schritt der BNetzA. Er verwies jedoch darauf, dass für rechtssichere Fristverlängerungen eine Gesetzesänderung unumgänglich bleibe. Das zuständige Wirtschaftsministerium teilte auf Nachfrage mit, man werde „im Zuge der anstehenden EEG-Novelle prüfen, welche Änderungen an den Realisierungsfristen erforderlich sind.“

Kein Aufschub wegen Klagen

Corona-bedingte Verschiebungen scheinen jedoch die einzige Ausnahme zu sein: Einen Gesetzesentwurf des Bundesrats auf Initiative von Nordrhein-Westfalen zur Fristverlängerung für beklagte Erneuerbaren-Projekte, für die sich dadurch die Vergütungsdauer reduzieren könnte, lehnte das Bundeskabinett am Montag (23. März) ab. „Zwar gibt es derzeit einige Praxisfälle im Bereich der Windenergie an Land, in denen Klagen anhängig sind und eine Realisierung der Projekte verhindern. Würde man die Pönalen pauschal bei Widerspruch oder Klage jedoch entfallen lassen, würde dies den Bietern eine zu einfache Möglichkeit geben, auf einfachem Weg Pönalen generell auszuweichen“, schreibt die Bundesregierung. Sie wolle jedoch prüfen, „ob und in wie weit diese Fragen in der anstehenden EEG-Novelle im ersten Halbjahr 2020 aufgegriffen werden können.“

Auf ein weiteres Corona-Problem für Erneuerbaren-Projekte weist unterdessen Torsten Szielasko, Geschäftsführer des rheinland-pfälzischen Projektierers Gaia, hin. So sei wegen des Virus keine Öffentlichkeitsbeteiligung möglich. In Rheinland-Pfalz könnten Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen nach Bundes-Immissionsschutzgesetz gar nicht mehr durchgeführt werden, „weil die Kreisverwaltungen für den Publikumsverkehr geschlossen sind und ein Teil der Mitarbeiter der Behörden versucht, im Homeoffice zu arbeiten.“ Tatsächlich ist die dünne Personaldecke in den zuständigen Behörden schon im Normalbetrieb einer der Hauptgründe, weshalb es bei Erneuerbaren-Projekten zu erheblichen Verzögerungen bei der Ausstellung von Genehmigungen kommt.

Online-Verfahren gefordert

Szielasko betont, dass die Kreisverwaltungen die Unterlagen zwar online veröffentlichen könnten. Dennoch müssten sie „eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen, bei der interessierte Personen die Möglichkeit haben, die Unterlagen physisch vor Ort einzusehen“. Er fordert, dass das gesamte Antragsverfahren inklusive Öffentlichkeitsbeteiligung auch digital möglich sein sollte.

Handlungsbedarf besteht bei den Wind-Auktionen darüber hinaus noch an anderer Stelle: den Sonderregeln für Bürgerenergiegesellschaften. Zur Erinnerung: 2017 hatten aufgrund dieser Regeln vor allem Projekte ohne Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz einen Zuschlag erhalten. Zugleich wurden längere Umsetzungsfristen eingeräumt. Dadurch wurde die spätere Umsetzung gefährdet – was sich in den niedrigen Ausbauzahlen der letzten Jahre bemerkbar macht. Teilweise kam es auch zu Missbrauch. Übergangsweise bis Juni 2020 wurden deshalb für alle Projekte, die sich um einen Zuschlag in Auktionen bewarben, Genehmigungen zur Pflicht. Falls es nun nicht bald zu einer Anpassung im EEG kommt, könnte es in Kürze wieder zu ähnlichen Verwerfungen kommen wie im Jahr 2017, befürchten Experten.

Dieses Risiko sei klar erkennbar, sagt BWE-Präsident Hermann Albers. „Die erneut weit verfehlten Ausschreibungsziele für Wind an Land machen deutlich, wie wichtig die Umsetzung des Zehn-Punkte-Plans der Windbranche vom Spätsommer 2019 ist.“ Aber noch immer fehlten die Antworten aus den Ministerien. Dabei fordere die Branche lediglich eine Korrektur bei administrativen Hürden. „Dazu gehört auch die Verlängerung der Genehmigungspflicht für Bürgerenergieprojekte. Das sollte dem Gesetzgeber trotz Corona gelingen können“, so Albers.

Bei der letzten Auktionsrunde mit Gebotstermin 1. März haben Windenergieanlagen mit einer Kapazität von 151 Megawatt einen Zuschlag erhalten – nur etwas mehr als die Hälfte der insgesamt möglichen 300 Megawatt. Der durchschnittliche Zuschlagswert lag bei 6,07 Cent je erzeugter Kilowattstunde.

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