Dossier: E-Mobilität

Elektromotoren: Emotionalität gegen Skaleneffekte

E-Mobilität braucht neben besseren Batterien auch bessere Motoren – und bekommt sie. Elektromotoren werden effizienter, kompakter und verzichten sogar auf viele knappe Materialien.
Von:  Jan Oliver Löfken
20.08.2025 | 7 Min.
Erschienen in: Dossier: E-Mobilität
Hairpin Stator-Elektromotor Wickeltechnologie
Hairpin Stator-Elektromotor Wickeltechnologie
Foto: PEM-RWTH-Aachen

Vom mikrometerkleinen Motor für die Medizintechnik bis zum kräftigen Traktionsmotor in Schwerlastlokomotiven: Elektromotoren gibt es seit Langem, in allen Größen und Formen, die Technik scheint ausgereift. Gleichwohl bleibt es herausfordernd, für Autos die passenden elektrischen Antriebe zu entwickeln. Intensiv arbeiten Industrie und Wissenschaft an immer ausgeklügelteren und effizienteren Modellen.  Manche E-Motoren sind auf hohe Geschwindigkeiten optimiert, andere auf energiesparendes Fahren im Stadtverkehr, wieder andere auf hohe Drehmomente für schwere Lastkraftwagen. Geforscht wird zudem an Motoren ohne Permanentmagneten, um die Importabhängigkeit bei Seltenen Erden, essenziellen Bestandteilen dieser Bauteile, drastisch zu reduzieren. „Mit zunehmender Elektromobilität zeigt sich ein sehr starker Innovationsschub“, sagt Henrik Born, der an der RWTH Aachen optimierte Produktionsprozesse für Elektromotoren erforscht. Das ist umso verblüffender, weil alle Elektromotoren auf dem gleichen Grundprinzip aufbauen. Durch Spulen in einem drehbaren Rotor mit einem Kern aus Eisen fließt elektrischer Strom mal in die eine, mal in die andere Richtung. Dadurch werden Magnetfelder aufgebaut, deren Polung regelmäßig wechselt. Ein fester Stator mit integrierten Permanentmagneten umgibt den Rotor. So entsteht ein Wechselspiel aus magnetischer Anziehung und Abstoßung zwischen Stator und Rotor. Der Rotor wird in Drehung versetzt, in heutigen E-Autos bis zu 16 000-mal pro Minute. Diese Rotationsbewegung wird über ein Getriebe auf die gewünschte Drehzahl für die Antriebsachse gedrosselt.

Elektromotoren: Emotionalität gegen Skaleneffekte
Prüfstand für E-Motoren bei MAHLE

Rotierende Vielfalt

An Designvarianten mangelt es dabei nicht. So können Rotor und Stator, Magnete und Spulen jeweils ihre Position zwischen innen und außen tauschen. Noch ausgeklügelter sind sogenannte Axiaflussmaschinen, bei denen der magnetische Fluss nicht senkrecht (radial) wie bei den konventionellen Motoren, sondern parallel zur rotierenden Welle fließt. An diesen Maschinen arbeiten unter anderem Forschungsgruppen des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der TU München und des E-Motoren-Herstellers Yasa in Oxford, der 2021 von Mercedes Benz übernommen wurde. Ein Vorteil des Axiaflusskonzepts: Es ermöglicht einen kompakteren Aufbau ohne Verluste bei Leistung oder Drehmoment. Ein weiterer Pluspunkt ist der reduzierte Materialbedarf an Kupfer und Eisen. Zudem verspricht der Ansatz eine bis zu 30 Prozent höhere Leistungsdichte und um fünf Prozent größere Reichweiten im Vergleich zu herkömmlichen Elektromotoren. Ähnliche Ziele verfolgen Forschende des Innovations Campus Mobilität der Zukunft (ICM), in dem die Universität Stuttgart und das KIT ihre Expertise bündeln. Eines von mehr als 130 Mobilitätsprojekten dort widmet sich etwa einer Transversalflussmaschine, bei der die Kupferspulen platzsparend um die Motorachse gewickelt werden. Der Clou: Die Magnetfelder wirken nicht nur radial oder axial, sondern in alle drei Raumdimensionen. Solche Motoren empfehlen sich zwar nicht für hohe Drehzahlen, bieten aber große Drehmomente. Davon könnten langsame und schwere Lastfahrzeuge profitieren. „Allerdings sind diese Maschinen komplex aufgebaut und sehr teuer zu bauen“, sagt Nejila Parspour, Leiterin des Instituts für Elektrische Energiewandlung an der Universität Stuttgart. Bis zur Serienreife seien daher noch einige Entwicklungsjahre nötig.

Elektrische Erregung

Motoren ohne Permanentmagnete und damit ohne Seltene Erden – Elemente wie Samarium, Neodym, Praseodym, Terbium oder Dysprosium – haben sich dagegen im Praxiseinsatz schon bewährt. Ihr Name: elektrisch erregte Synchronmaschinen (EESM). So erzeugt ein solches Aggregat im Renault Zoe die nötigen Magnetfelder durch eine eigene elektrische Erregung – ein Stromfluss baut in einer Spule ein Magnetfeld auf und macht dadurch Permanentmagnete überflüssig. Allerdings sind frühe Varianten dieser Maschinen noch verschleißanfällig, da die Energie auf die Rotorwelle über Schleifringe übertragen wird.

Nejila Parspour von der Universität Stuttgart ist überzeugt, dass die magnetfreien Motoren bald häufiger eingebaut werden. Auch für die verschleißenden Schleifringe hat sie eine Lösung parat: kontaktlose Induktion. Mitarbeiter ihres Instituts haben eine induktiv elektrisch erregte Synchronmaschine (iEESM) konstruiert, die kontaktlos elektrische Energie vom Stator auf den drehenden Rotor überträgt. „Dazu nutzen wir ein resonant gekoppeltes Spulensystem für die Induktion“, erläutert Parspour. Diese Spulen lassen sich zudem sehr platzsparend in der Hohlwelle inmitten des Motors integrieren. Wartung oder Austausch von Schleifringen sind bei diesem patentierten Elektromotor überflüssig. Überzeugend ist zudem der sehr hohe Wirkungsgrad von bis zu 98 Prozent.

Die Industrie greift das Konzept auf, wie aktuelle Entwicklungen bei ZF in Friedrichshafen oder Mahle in Stuttgart zeigen. Autohersteller BMW setzte im i3 bereits auf elektrisch erregte Synchronmaschinen. In künftigen BMW-Modellen könnte sogar die induktive Variante – dann ohne verschleißende Schleifringe – zum Einsatz kommen.

Verzicht auf Seltene Erden

Doch in den kommenden Jahren werden die etablierten Permanentmagnet-Synchronmotoren (PMSM) die Elektromobilität weiter dominieren. Der Maschinenbauer Bosch will darin allerdings den Anteil an Seltenen Erden weiter reduzieren: Künftige Motoren sollen bei gleicher Leistung und Effizienz bis zu 30 Prozent weniger Magnetmaterial enthalten. Aktuell setzt Bosch auf eine Verdopplung der elektrischen Spannung von 400 auf bis zu 850 Volt. Dieser Umstieg reduziert bei gleicher Leistung die Stromstärke um die Hälfte. Laut Bosch ermögliche das filigranere Leitungen, die Platz, Gewicht und den Rohstoff Kupfer sparen. Den Spitzenwirkungsgrad eines solchen Motors mit 460 Kilowatt Leistung gibt Bosch mit 98 Prozent an.

An diese Werte reicht die Asynchronmaschine (ASM) nicht heran. Bei gleicher Leistung sind ASM ein knappes Drittel größer als Synchronmaschinen, sie können jedoch auf Permanentmagnete verzichten. Für den kontaktlosen Energietransfer über Induktion dreht der Rotor etwas langsamer als das wechselnde Magnetfeld des Stators, daher kommt die Bezeichnung „asynchron“. Bislang setzen nur wenige Autobauer auf diesen Antrieb, darunter Audi für die Vorderachsen seiner E-tron-Modelle. Gerade für schnelle Fahrten auf der Autobahn seien diese Motoren ideal, sagt Expertin Parspour, nur der Wirkungsgrad müsse noch optimiert werden.

Preisgünstig: der Reluktanzmotor

Der Wirkungsgrad von ASM-Motoren ist gleichwohl besser als der von geschalteten Reluktanzmotoren: der liegt bei 80 bis 85 Prozent. Bei diesem Motortyp bewegt sich der Rotor, weil er stetig nach dem geringsten magnetischen Widerstand, der Reluktanz, strebt. Auch dieses System kommt ohne Permanentmagneten und sogar ohne aufwendig gewickelte Spulen aus. Wegen seines einfachen Aufbaus lässt es sich günstig produzieren. „In sehr preiswerten kleinen Elektroautos, etwa für den indischen Markt, könnten robuste Reluktanzmotoren eine Marktnische finden“, sagt Parspour. Auch bei diesem Motortyp geht die Entwicklung weiter: Am Stuttgarter ICM erzielt eine synchrone Reluktanzmaschine einen verblüffend hohen Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent.

„Für die Zukunft sehe ich eine enorme Vielfalt an Elektromotoren – immer abhängig von der Nutzung“, sagt Parspour. Lieferfahrzeuge in Städten könnten mit synchronen Reluktanzmaschinen fahren. Die sind günstig und robust. Für Familien-Pkw und sogar Laster bietet sich eine induktiv elektrisch erregte Synchronmaschine an. Die dreht hocheffizient sowohl auf kurzen Strecken in der Stadt als auch auf langen Distanzen auf der Autobahn.

Effizienter produzieren

Da sich Elektroautos mittlerweile zu einem Massenprodukt entwickeln, sind für alle Motortypen – mit oder ohne Permanentmagnete – hocheffiziente Produktionsprozesse nötig. Auf diesem Feld forscht RWTH-Ingenieur Henrik Born. In mehreren Projekten arbeitet er an einer günstigeren Wickeltechnik für die Spulen. Bei der sogenannten Hairpin-Technik etwa werden die Kupferleitungen in einer haarnadelförmigen Geometrie auf Steckspulen angeordnet. „Die Hairpin-Technologie ist großserientauglich“, sagt Born. Nun gelte es, Produktionsanlagen für sehr große Stückzahlen mit kurzen Taktzeiten zu entwickeln. „Das ist eine riesige Chance für den Anlagenbau. Ein Feld, auf dem wir in Deutschland sehr gut sind.“

Zwar zeigt Born auch vor dem Können chinesischer Anlagenbauer durchaus Respekt, jedoch beobachtet er beim Zerlegen vieler Elektromotoren aus China einen simpleren Aufbau. „Schon der absolute Laie erkennt, dass zum Beispiel der Stator in einem BYD-Fahrzeug sehr einfach zusammengebaut ist“, so Born. Elektromotoren aus europäischer Produktion zeigten da bessere Qualität. Dennoch haben aus seiner Sicht chinesische Hersteller einen großen Vorteil. „Das Auto wird in China nicht so emotional gesehen wie hierzulande“, sagt der Experte. „Es muss günstig und zuverlässig von A nach B fahren.“ Daher genüge ein begrenztes Sortiment an Motorvarianten – sehr hohe Stückzahlen mit geringen Produktionskosten seien die logische Folge. Der RWTH-Forscher sieht daher zwei Trends: ausgefeilte, aber teure Eigenentwicklungen für die eigene Marke einerseits und Massenfertigungen günstiger, aber identischer Motoren andererseits. Emotionalität versus Skaleneffekte. Diese Effekte könnten sich wegen des hohen Kostendrucks in der Automobilbranche langfristig durchsetzen. Bislang behaupten sich deutsche Ingenieurinnen und Ingenieure im internationalen Wettbewerb allerdings gut. „Bei Qualität und neuen Ideen müssen sich weder Industrie noch Forschung verstecken“, sagt Nejila Parspour von der Universität Stuttgart. Nur die Umsetzung, schränkt sie ein, verlaufe oft etwas langsam.

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