Stiftung UmweltEnergieRecht - 25 Jahre EEG
Stickoxide

Freie Fahrt für alte Diesel

Das Bundesumweltministerium macht einen Rückzieher und legt die Pläne für eine blaue Umweltplakette vorerst auf Eis. Das Vorhaben sollte viele ältere Dieselfahrzeuge aus deutschen Innenstädten verbannen, stieß jedoch im Verkehrsministerium und in der Automobilindustrie auf Widerstand.
Von:  Joschua Katz - energiezukunft.eu
11.08.2016 | Aktualisierung: 24.08.2016 | 3 Min.

In vielen deutschen Städten sind die Stickoxid-Belastungen seit Jahren viel zu hoch, was durch die Einführung einer blauen Umweltplakette eingedämmt werden sollte. Rund 13 Millionen ältere Dieselfahrzeuge erfüllen die Euro-6-Schadstoffnorm nicht, weswegen ihnen durch die Einführung der neuen Plakette in einigen Innenstädten ein striktes Fahrverbot gedroht hätte. Im Gegensatz zur grünen Umweltplakette, die vor allem der allgemeinen Reduzierung des Feinstaubgehalts in der Luft dient, hätte die blaue Variante den Ausstoß von Stickoxiden durch Dieselfahrzeuge betroffen. Bislang liegt der Grenzwert für Stickoxide bei 180 Milligramm pro Kilometer. Laut Euro-6-Norm soll er künftig nur noch 80 Milligramm pro Kilometer betragen. Seit September 2015 dürfen neue Dieselfahrzeuge diesen Wert nicht mehr überschreiten.

Umweltministerium legt Plakette auf Eis

Nun rückt das Bundesumweltministerium von seinen Plänen für die Kennzeichnung ab, obwohl die Umweltminister aus Bund und Ländern auf einer Sonderkonferenz zum Abgasskandal erst Anfang April die Einführung einer blauen Plakette einstimmig beschlossen hatten. Sein Ministerium habe die blaue Plakette für niedrige Stickoxidemissionen erst einmal auf Eis gelegt, bestätigte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Der ehemalige Präsident des Umweltbundesamts betonte aber, dass es bei dem Thema „nicht um eine Marotte von Umweltschützern“ gehe, sondern um die Gesundheit vieler in Innenstädten wohnender Menschen. Mindestens 400.000 Einwohner seien in Deutschland direkt von den Stickoxid-Emissionen betroffen, da sie an viel befahrenen Straßen wohnen, so Flasbarth.

Auf Widerstand war das Vorhaben vor allem im Bundesverkehrsministerium gestoßen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte schon damals verlauten lassen, dass nicht die Mobilität abgeschafft, sondern mehr Mobilität mit weniger Emissionen erreicht werden solle. Nun soll eine Arbeitsgruppe der Verkehrsministerkonferenz bis zum Herbst einen alternativen Vorschlag erarbeiten. Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie, hatte kritisiert, dass die Einführung der neuen Plakette einem Zufahrtsverbot in die Innenstädte gleichkommen würde und vor  Wertverlusten für die betroffenen Fahrzeuge gewarnt. Ein Sprecher des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) bezeichnete den Stopp der Plakette in einer ersten Reaktion als einen „Sieg der Vernunft“. Der ZDK wolle sich nun für „eine Politik mit Augenmaß, die neben berechtigten Umweltanliegen auch die Mobilitätsbedürfnisse sowie auf Treu und Glauben getroffene Investitionsentscheidungen der Steuerzahler berücksichtige", einsetzen.

Deutsche Umwelthilfe: Hendricks ein Totalausfall

Umweltverbände kritisierten die Entscheidung des BMUB dagegen in deutlichen Worten. „Der Abgasskandal wäre eine hervorragende Chance für die Bundesregierung gewesen, sich von der Industrie zu emanzipieren und den Weg in eine ethisch, wirtschaftlich und ökologisch bessere Zukunft zu ebnen“, kommentiert Andree Böhling, Energie- und Verkehrsexperte von Greenpeace. Allerdings werde nun ein Jahr nach dem Dieselgate immer deutlicher, dass sowohl Dobrindt als auch Kanzlerin Merkel diese Chance verstreichen lassen. „Wenn’s ums Auto geht, kann die Lobby in Deutschland offenbar weiterhin alle Gesetze außer Kraft setzen“, so Böhling. „Der Abgasbetrug durch eine gesamte Branche bleibt nach wie vor unaufgeklärt, ungeahndet, giftige und manipulierte Diesel-PKW dürfen jedes Jahr Leib und Leben von zehntausenden Menschen gefährden.“

Harsch fiel auch die Reaktion der Deutschen Umwelthilfe (DUH) aus. „Die einzigen Bundesumweltminister, die sich mit der Automobilindustrie angelegt haben, waren Klaus Töpfer bei der Durchsetzung des Katalysators für Benzinfahrzeuge und Jürgen Trittin beim Dieselpartikelfilter“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. „Bundesumweltministerin Barbara Hendricks ist beim Thema Luftreinhaltung leider ein Totalausfall. Sie überlässt ihrem Kollegen Alexander Dobrindt die Luftreinhaltepolitik – mit fatalen Folgen für viele hunderttausend, direkt an den stark befahrenen Innenstadtstraßen wohnenden, Menschen.“

Joschua Katz – energiezukunft.eu

 

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