Die Idee ist genial: Elektrofahrzeuge können in einem modernen Stromnetz als „Kraftwerke auf Rädern“ fungieren, um mit ihren Batterien Stromspitzen aus erneuerbaren Energien aufzufangen und den Ökostrom bei Knappheit wieder ins Netz zurückzuspeisen. Der süddeutsche Netzbetreiber Transnet BW erprobt nun in einem großangelegten Versuch den ersten Teil dieser Idee, nämlich das Laden von Elektroautos zur Flexibilisierung des Stromnutzung zu nutzen. Stichwort: Netzengpass-Management. Die E-Auto-Nutzer profitieren dabei von niedrigen Preisen für den Ladestrom.
Die Stromnetz-Betreiber haben immer häufiger mit dem Problem zu tun, dass es ein zu hohes Angebot an erneuerbarer Energie gibt, das wegen noch fehlender Leitungen nicht genutzt werden kann. Etwa im Norden der Republik, wenn viel Wind weht. Situationen mit „zu viel Strom“ werden zunehmend häufiger aber auch entstehen, wenn die Solarenergie wie geplant weiter stark ausgebaut wird. Im vorigen Jahr konnten bereits rund 7,1 Milliarden Kilowattstunden Strom aus Wind- und Solaranlagen nicht erzeugt werden, weil die Netze ausgelastet waren und keine Speichermöglichkeiten zur Verfügung standen.
Günstiger Strom durch flexibles Laden
Transnet BW hat sich für das aktuelle Projekt „OctoFlexBW“ mit dem Öko-Energie-Unternehmen Octopus Energy Germany zusammengetan, das unter anderem Grünstrom-Tarife für E-Autos und Wärmepumpen anbietet. Ziel ist es, die Netzstabilität in Baden-Württemberg durch ein intelligentes Lademanagement für bis zu 1500 E-Autos zu erhöhen. Bei hoher Netzauslastung meldet Transnet BW dies an das Partnerunternehmen, das daraufhin die Ladevorgänge von E-Autos, für die ein „smarter“ Stromtarif abgeschlossen wurde, in günstigere Zeiten verschiebt.
Der Versuch wird ein Jahr lang laufen. Die dabei gewonnenen Daten sollen zeigen, wie zuverlässig die Flexibilität bereitgestellt wird, wie das zukünftige Potenzial für diese Anwendung ist und wie gut die Autostrom-Kunden auf das Angebot reagieren. Der Chef von Octopus, Bastian Gierull, sagte zu dem Projekt: „Das Potenzial von E-Autos für die Stabilisierung der Netze ist riesig.“ Mit der Vernetzung der Plattformen beider Unternehmen gehe man einen großen Schritt im Engpassmanagement. Ziel sei es, die Autonutzer nicht nur einzubeziehen, sondern sie für ihre Flexibilität auch mit günstigem Ladestrom zu belohnen. E-Mobilität werde so noch attraktiver.
Octopus bietet Kunden denn auch einen flexiblen Stromtarif an, um Elektroautos dann zu laden, wenn Strom günstig und überwiegend aus erneuerbaren Energien erzeugt wird. Der Strom kostet maximal 20 Cent pro Kilowattstunde. Das Unternehmen wirbt dafür mit dem Slogan: „Lade dein E-Auto genau dann, wenn der Strom günstig und grün ist. So sparst du nicht nur Kosten ein, sondern kannst gleichzeitig der Umwelt etwas Gutes tun.“
E-Autos als virtuelles Kraftwerk
Normaler Haushaltsstrom, der auch zum E-Auto-Laden genutzt wird, kostet laut dem „Ladesäulencheck“ des Stromanbieters Lichtblick vom Mai im Schnitt rund 35 Cent, an öffentlichen Ladesäulen sind im Schnitt sogar 55 (normaler Wechselstrom) bis 66 Cent (Schnelllade-Säulen) fällig.
Die Kunden im entsprechenden Tarif müssen von Octopus Energy am Stromzähler einen „Smart MeterDigitale Stromzähler, die regelmäßig Daten zum Verbrauch und – falls vorhanden – zur Erzeugung erfassen und auch an Netzbetreiber versenden.Digitale Stromzähler, die regelmäßig Daten zum Verbrauch und – falls vorhanden – zur Erzeugung erfassen und auch an Netzbetreiber versenden. Gateway“ als ansteuerbare Kommunikationseinheit installieren lassen und dann nur einmal angeben, bis zu welchem Zeitpunkt am Tag und bis zu welchem Ladestand ihr E-Auto täglich geladen werden soll, zum Beispiel bis sechs Uhr morgens mit 90 Prozent. Octopus optimiert dann die Steuerung des Ladens im Hintergrund.
Zusammen bildeten die E-Autos ein „virtuelles Kraftwerk“, das netzdienlich geregelt werden könne und so zur Versorgungssicherheit beitrage, erläutern die Projektpartner. Nach Abschluss von OctoFlexBW ist nach ihren Angaben eine Ausweitung auf andere Regionen denkbar, ebenso die Einbindung weiterer „Flexibilitätsquellen“ wie Wärmepumpen, deren Stromaufnahme ebenfalls in gewissen Grenzen verschoben werden kann.