In der Hälfte der deutschen Landkreise und kreisfreien Städte wird zu viel Grundwasser entnommen. Das zeigt eine aktuelle Studie des Instituts für sozial-ökologische Forschung (Isoe), die im Auftrag des Umweltverbands BUND erstellt wurde. Die Forschenden warnen darin vor einem „strukturellen Grundwasserstress“, der gravierende Folgen für die Trinkwasserversorgung, Landwirtschaft und Natur habe.
„Wir sehen anhand der vorhandenen Daten sowohl akuten als auch strukturellen Grundwasserstress“, sagt Studienleiter Robert Lütkemeier. Laut internationalen Standards gilt eine Region als strukturell belastet, wenn dauerhaft mehr als ein Fünftel des jährlich neu gebildeten Grundwassers entnommen wird. Genau das ist inzwischen in fast einem Viertel der Landkreise in Deutschland der Fall. In nahezu allen Bundesländern wurden neue Tiefstände gemessen. Besonders stark betroffen sind Regionen in Ostdeutschland, Ballungsräume entlang des Rheins sowie Teile Niedersachsens und Schleswig-Holsteins. Die Ursachen für den Grundwasserstress liegen nicht allein im Klimawandel. Auch großflächige Entnahmen für Fernwasserleitungen, industrielle Prozesse und Bergbau tragen erheblich dazu bei. Erstmals wurde jetzt flächendeckend analysiert, wo und durch wen Grundwasser in Deutschland genutzt wird. Den Ergebnissen zufolge wird mehr als die Hälfte des Grundwassers für die Trinkwasserversorgung entnommen, wobei das Wasser teils mehrere Hundert Kilometer weit in größere Städte transportiert wird. So versorgt Wasser aus dem Bodensee etwa die Region Stuttgart.
Bergbau, Industrie und Landwirtschaft belasten das Grundwasser ebenfalls enorm. So senkt der Braunkohleabbau am Niederrhein und in der Lausitz durch das Abpumpen großer Wassermengen den Grundwasserspiegel, während die Chemieproduktion – etwa bei BASF in Ludwigshafen – erhebliche Mengen an Wasser verbraucht. Lütkemeier warnt vor zunehmenden Nutzungskonflikten: „Es ist wichtig zu verstehen, dass die lokale Verfügbarkeit von Grundwasser elementar ist. Der Stress birgt deshalb Konflikte um die Ressourcennutzung, die wir erkennen und vermeiden müssen.“ Eine klare Priorisierung der Nutzung sei dringend notwendig.
Neben dem hohen Verbrauch ist auch der Mangel an verlässlichen Daten ein Problem. Zwar lasse sich die Grundwasserneubildung inzwischen sehr genau modellieren, doch bei den Entnahmedaten fehlen oft zeitliche und räumliche Details. „Ob und in welchem Ausmaß ein konkreter Grundwasserkörper übernutzt wird, lässt sich auf der Grundlage der für Deutschland verfügbaren Datenbestände nur schwer beantworten“, kritisiert Lütkemeier. Eine bundesweit systematische und umfassende Erfassung der Entnahmen sei daher unerlässlich, um Risiken besser einschätzen und steuern zu können.
Die Umweltschutzorganisation BUND fordert konkrete Schritte: Die Wasserrückhaltefähigkeit der Landschaft müsse verbessert werden, etwa durch den Schutz von Mooren, Auen und humusreichen Böden. „Der Verbrauch muss runter, und Landschaften müssen so wiederhergestellt werden, dass sie Trockenperioden und Starkregen abfedern“, so die BUND-Forderung.