Klimaanpassung

Mehr Grün statt Grau

Ein Stück weit ist der Schaden angerichtet: Weltweit muss sich die Menschheit an die Folgen des Klimawandels anpassen. Ein Knackpunkt ist die Finanzierung, so auch in Deutschland. Dort gilt jetzt erstmals ein Klimaanpassungsgesetz.
Von:  Tim Altegör
02.07.2024 | 8 Min.
Erschienen in: Ausgabe 12/2023
Vorbildcharakter: So wie beim „Vertikalen Wald“ (Bosco Verticale) in Mailand sollte es in Städten künftig häufiger aussehen, um der Aufheizung entgegenzuwirken.
Vorbildcharakter: So wie beim „Vertikalen Wald“ (Bosco Verticale) in Mailand sollte es in Städten künftig häufiger aussehen, um der Aufheizung entgegenzuwirken.
Foto: Nicola Marfisi/Avalon/picture alliance

Am 1. Juli 2024 ist das deutsche Klimaanpassungsgesetz in Kraft getreten. Der folgende Text zum Thema ist in leicht anderer Fassung zuerst in der Ausgabe 12/2023 von neue energie erschienen. 

Viele Bäume, Grünflächen und Gewässer, die das Betongrau aufbrechen, schattige Plätze im Sommer, Schneisen in der Bebauung, durch die Frischluft weht, Grünpflanzen auch an den Häuserfassaden – was zunächst einmal nach einer netten Stadtatmosphäre klingt, kann in Zukunft überlebenswichtig sein. „Extreme Hitze ist das tödlichste aller Extremwetterphänomene“, warnte die damalige Chief Heat Officer von Athen, Eleni Myrivili, bei einem Vortrag im April 2022. Mittlerweile ist sie in gleicher Funktion bei den Vereinten Nationen tätig.

Für derartige Temperaturen seien weder unsere Körper gemacht noch unsere Städte und Infrastrukturen, so Myrivili. „Die Dämme, die Wasserstraßen, die Autobahnen, die Zugstrecken – sie sind sorgsam gefertigt worden für ein Klima, das nicht länger existiert.“ Einfach die Klimaanlagen hochzudrehen werde nicht reichen; um der Hitze zu begegnen müssten Städte vollkommen neu gedacht und umgebaut werden. Und zwar in erster Linie, indem die Natur einen weitaus größeren Platz darin einnimmt.

Das Klima verändert sich und die Folgen sind bedrohlich – wer das nicht einsehen will, muss mittlerweile nicht nur die komplette Klimawissenschaft ignorieren, sondern zunehmend auch die eigenen Sinne. Es wird heißer, nasser, trockener, stürmischer, insgesamt extremer. Und dabei liegt die globale Erderhitzung derzeit noch unterhalb der berühmten Marke von 1,5 Grad Celsius, die sie laut dem Pariser Klimaabkommen möglichst nicht überschreiten soll.

Mehrheit für Schutzprogramme

Was Menschen in Athen und anderswo erleben, ist also eingepreist in den internationalen Klimazielen. Selbst wenn wir morgen alle fossilen Energien abschaffen würden, müssten wir uns dennoch an die Folgen des Klimawandels anpassen. Dem Großteil der deutschen Bevölkerung scheint das auch bewusst zu sein: In seiner jüngsten Umweltbewusstseinsstudie hat das Umweltbundesamt die Meinungen zu verschiedenen Klimaanpassungsmaßnahmen abgefragt. Deutliche Mehrheiten von 70 bis über 90 Prozent fanden renaturierte Flüsse, trockenheitsresistente Mischwälder, Hochwasser- und Hitzeschutz wichtig.

Was genau Klimaanpassung beinhaltet, ist je nach Ort und betroffenem Sektor unterschiedlich und meist kleinteilig. Mal geht es darum, einen Parkplatz umzubauen, wie in der Ruhrgebietsstadt Herne. Der drohte sich dort im Sommer massiv aufzuheizen und bei Starkregen das Wasser zur angrenzenden Grundschule zu leiten. Jetzt ist die Fläche aufgebrochen, das Wasser kann im Boden versickern und fließt ansonsten zu einem Sportplatz ab, zudem bieten neu gepflanzte Bäume Schatten. Mal geht es auch darum, das Bewusstsein für Gefahren zu schärfen, wie in Sevilla. In der südspanischen Stadt bekommen Hitzewellen seit 2022 einen Namen und eine Kategorie, wie man es von Hurrikans kennt. Ob das jeweils nötig ist, entscheiden die Rahmenbedingungen wie Maximaltemperaturen, Luftfeuchtigkeit und nächtliche Abkühlung.

Das Thema betrifft jedenfalls alle und alles, beispielsweise die Wasserversorgung, das Gesundheitswesen und die Landwirtschaft. Zugleich gibt es Grenzen der Anpassungsfähigkeit. Unter Menschen und Organisationen, die Klimaschutz verhindern oder verzögern wollen, lautet ein beliebtes Argument, man könne sich an den Klimawandel ja anpassen. Doch das funktioniert nur bis zu einem gewissen Grad, im wahrsten Sinne des Wortes. An welcher Stelle genau alles kippt und menschliche Anpassung ob der extremen Veränderungen aussichtslos wird, kann niemand sagen. Aber das Ziel, bei 1,5 oder wenigstens deutlich unter zwei Grad Celsius zu bleiben, ist an diesem Risiko ausgerichtet.

Anpassungsstrategie in Arbeit

Nur durch die konsequente Vermeidung von Treibhausgas-Emissionen kann Klimaanpassung also überhaupt gelingen. Nach neuesten Prognosen steuern wir ohne Politikwechsel stattdessen auf drei Grad Erderhitzung zu. In Frankreich hat der Umweltminister angekündigt, die neue Anpassungsstrategie der Regierung werde ein Szenario enthalten, in dem global die Zwei-Grad-Grenze überschritten wird und die französische Durchschnittstemperatur um vier Grad steigt.

Auch das deutsche Umweltministerium arbeitet derzeit an einer neuen Strategie zur Klimaanpassung, die im Gegensatz zur letzten Fassung von 2008 messbare Ziele enthalten soll. Im November hat der Bundestag dafür einen gesetzlichen Rahmen geschaffen und mit den Stimmen der Ampelkoalition das erste bundesweite Klimaanpassungsgesetz beschlossen. Es sieht unter anderem vor, dass die Bundesregierung ihre Strategie bis Ende September 2025 vorlegen und dann alle vier Jahre fortschreiben muss. Diese muss „hinreichend ambitionierte“ Ziele für verschiedene Handlungsfelder sowie Indikatoren und dazu passende Maßnahmen enthalten. Alle acht Jahre ist die Regierung zudem eine Klimarisikoanalyse mit aktuellen Daten schuldig.

Das Gesetz soll dafür sorgen, dass Klimaanpassung künftig in Deutschland flächendeckend erfolgt. Momentan ist das Bild sehr lückenhaft: Einige Vorreiter wie beispielsweise die Stadt Mannheim besitzen ausführliche Konzepte mit Maßnahmen zur lokalen Entschärfung von Klimafolgen. Eine Recherche der Investigativredaktion Correctiv und mehrerer öffentlich-rechtlicher Sender kam im 2023 jedoch zu dem Ergebnis, dass nur ein Viertel der Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland ein Anpassungskonzept hat.

Anpassungskonzepte für alle Gemeinden

Auch die Bundesländer werden mit dem Gesetz nun verpflichtet, Anpassungsstrategien zu erarbeiten. Die Frist dafür läuft bis Ende Januar 2027, mindestens alle fünf Jahre wird eine Neufassung fällig. Und lokale Anpassungskonzepte soll es für jede Gemeinde oder zumindest jeden Kreis in Deutschland geben. Außerdem enthält das Bundesgesetz noch ein „Berücksichtigungsgebot“, wonach Träger öffentlicher Aufgaben die Auswirkungen des Klimawandels in ihre Entscheidungen einbeziehen müssen. So sollen etwa Flächen zur Versickerung oder Verdunstung von Wasser „so weit wie möglich erhalten“ und ungenutzte versiegelte Böden entsiegelt werden.

Erledigt ist die Arbeit damit aber nicht, wie auch die Ampel-Fraktionen in einer begleitenden Entschließung zum Gesetz festgehalten haben. Die Rolle der Klimaanpassung müsse nun in unterschiedliche Fachgesetze wie das Baurecht einfließen. Außerdem forderten die Abgeordneten eine Lösung für die große offene Frage: Wer finanziert die Klimaanpassung in den Kommunen? Da sie zunächst unbeantwortet bleibt und konkrete Maßnahmen des Bundes erst mit der Strategie zum Ende der Legislaturperiode folgen sollen, kritisierte die CSU-Abgeordnete Anja Weisgerber das Gesetz im Bundestag als „eine bloße leere Hülle, ein Skelett“. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) betonte dagegen, es biete „erstmals einen strategischen Rahmen für eine vorsorgende Klimaanpassung auf allen Ebenen in Deutschland“. In der Finanzierung liege allerdings „die Krux“.

Sicherheit nur für Reiche?

Nach aktueller Lage können Kommunen auf Beratungsangebote zurückgreifen, etwa durch das Zentrum Klimaanpassung, und Fördergelder beantragen, etwa um örtliche Klimaanpassungsmanager einzustellen. Es handelt sich dabei um begrenzte Ressourcen und Modellprojekte, für ärmere Gemeinden ist Anpassung oder auch nur die Erfassung örtlicher Klimarisiken kaum finanzierbar. Das Parlament müsse dafür sorgen, „dass Klimaanpassung nach Gefahrenanalyse und nicht nach Kassenlage erfolgt“, warnte der SPD-Abgeordnete Axel Echeverria bei der Bundestagsdebatte. „Die Sicherheit unserer Bevölkerung darf nicht von ihrer Postleitzahl abhängen.“

Hinzu kommt, dass große Fördertöpfe seit dem Haushalts-Urteil des Bundesverfassungsgerichts und den politischen Diskussionen um Sparzwänge stärker infrage stehen als zuvor. Fördermittel gibt es zum Beispiel für „natürlichen Klimaschutz“: Die Stärkung von Ökosystemen wie Wäldern, Flüssen und Mooren, gilt als eine Art Königsweg, weil sie CO2 bindet, der Artenvielfalt hilft und gleichzeitig Klimawandelfolgen wie Hitze und Starkregen abmildert.

Ein Lösungsansatz für die Finanzierungsfrage lautet, Klimaanpassung als sogenannte Gemeinschaftsaufgabe ins Grundgesetz aufzunehmen. Denn der Bund darf den Kommunen nicht einfach Geld überweisen, für diese Aufgaben – derzeit die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, der Agrarstruktur und des Küstenschutzes – gilt aber eine Ausnahme. So könnten Bund und Länder sich die Kosten aufteilen. Bei der Anhörung zum Gesetz im Umweltausschuss warb ein Großteil der geladenen Expertinnen und Experten für diesen Schritt. Damit lasse sich ein „Förderprogrammdschungel“ vermeiden, wie er beim kommunalen Klimaschutz existiere, sagte etwa Franziska Ortgies von der Klima-Allianz Deutschland.

In armen Ländern fehlt eine Milliardensumme

In der internationalen Politik gibt es ähnliche Debatten. Der Pariser Klimavertrag enthält zwar ein Kapitel zur Klimaanpassung, das aber unkonkret bleibt. Seit 2021 tagte eine Arbeitsgruppe dazu, ein globales Anpassungsziel zu formulieren, das auf der UN-Konferenz Ende 2023 in Dubai verabschiedet werden sollte. Die Verhandler waren allerdings uneinig, ob es sich um sehr konkrete Vorgaben oder eher um allgemeine Formulierungen handeln soll. Am Ende wurde in Dubai ein Rahmen beschlossen, der etwa benennt, in welchen Bereichen Klimaanpassung erforderlich ist. Indikatoren zur Erfolgsmessung sind weiter in Arbeit.

Und auch hier geht es ums Geld: Ärmere Länder fordern eine verpflichtende finanzielle Unterstützung durch reiche Staaten. Das erforderliche Ausmaß macht der „Adaptation Gap Report“ der UN-Umweltbehörde Unep deutlich. Die Fassung von 2023 trägt die Überschrift „Underfinanced. Underprepared“, zu Deutsch: „Unterfinanziert. Schlecht vorbereitet“. Laut der Analyse ist für die erforderlichen Maßnahmen in Entwicklungsländern deutlich mehr Geld nötig als bisher gedacht. Gleichzeitig seien die internationalen Hilfszahlungen in diesem Bereich seit 2020 gesunken.

Im Ergebnis liege der namensgebende „Gap“, die Lücke zwischen diesen beiden Zahlen, bei 194 bis 366 Milliarden US-Dollar im Jahr. Um sie zu schließen, müssten die internationalen Gelder um das Zehn- bis 18-fache steigen. Das erklärte Ziel, sie bis 2025 zu verdoppeln, würde die Lücke dagegen bloß um fünf bis zehn Prozent verringern. „Ich denke, der Titel sagt alles“, so die Unep-Direktorin Inger Andersen bei der Vorstellung des Berichts kurz vor der Konferenz in Dubai. Wenn sich keine Lösung finde, „werden wir in großen, großen Schwierigkeiten sein“.

Lokal wie global, die Folgen des Klimawandels drohen bestehende soziale Ungleichheiten zu verschärfen. Klimaanpassung kann nur als gelungen gelten, wenn sie das verhindert – so formuliert es auch das deutsche Anpassungsgesetz. Im Land sei das Ziel die „Bewahrung gleichwertiger Lebensverhältnisse“. Anders gesagt, in Straßen mit begrünten Häuserfassaden sollen alle leben können.

Kommentar verfassen

Hinweis: Kommentare werden vor der Freischaltung zunächst gesichtet. Dies kann unter Umständen etwas Zeit in Anspruch nehmen.

*Pflichtfelder

Die E-Mailadresse wird nicht gespeichert, sondern gelöscht, sobald Sie eine Bestätigungsmail für Ihren Kommentar erhalten haben. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung


Captcha Image
=
Vorbildcharakter: So wie beim „Vertikalen Wald“ (Bosco Verticale) in Mailand sollte es in Städten künftig häufiger aussehen, um der Aufheizung entgegenzuwirken.
Foto: Nicola Marfisi/Avalon/picture alliance
PNE AG - WindEnergy Hamburg, Halle A1. Stand 330
Termine
11.09.2024
DBFZ Jahrestagung 2024
Deutsches Biomasseforschungszentrum gemeinnützige GmbH

17.09.2024
Konferenz zu Potenzialen der Energieeffizienz in der Stadt in Deutschland und Frankreich
Deutsch-französisches Büro für die Energiewende

22.09.2024 bis 27.09.2024
New York Climate Week
GWEC – Global Wind Energy Council

23.09.2024 bis 24.09.2024
24. Fachkongress für Holzenergie
Bundesverband Bioenenergie e. V. (BBE)