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Stromversorgung

Klimaschutz trotz Atomausstieg

Der CO2-Ausstoß der Elektrizitätserzeugung ist im Jahr seit Abschaltung der letzten drei deutschen AKW gesunken. Allerdings ist weiterhin Nuklearstrom im Netz – aus Importen.
Von:  Joachim Wille
17.04.2024 | Aktualisierung: 17.04.2024 | 5 Min.

Vor knapp einem Jahr sind in Deutschland die letzten drei Atomkraftwerke abgeschaltet worden, nämlich Emsland (Niedersachsen), Neckarwestheim 2 (Baden-Württemberg) und Isar 2 (Bayern). Diese lieferten zuletzt rund sechs Prozent des in Deutschland verbrauchten Stroms. Der Ausstieg war damals heftig umkämpft – auch innerhalb der Ampel-Bundesregierung. Eine aktuelle Bilanz zeigt jedoch, dass die Sorgen bezüglich der Folgen für Klima und Strompreis unberechtigt waren. Danach hat die Stromerzeugung in Deutschland im ersten Jahr ohne Atomstrom aus hiesigen Anlagen sogar deutlich weniger Treibhausgase verursacht als im Vorjahreszeitraum, und der durch den Ausstieg befürchtete Preisschock ist ausgeblieben. Allerdings wird weiterhin Atomstrom genutzt, nämlich aus Importen.

Der Atomausstieg war 2011 nach dem Super-GAU im japanischen Fukushima von dem damaligen schwarz-gelben Bundesregierung beschlossen und parteiübergreifend im Bundestag abgesegnet worden. Enddatum für die letzten drei von ehemals 19 Leistungs-AKW: Ende Dezember 2022. Angesichts der Energiekrise und einer Strompreis-Explosion, ausgelöst durch Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, der im Februar 2022 begann, setzten dann aber heftige Debatten über die Sinnhaftigkeit dieses Schritts ein. Die Opposition von Union und AfD, aber auch die Ampel-Partei FDP forderte, die Laufzeiten wieder zu verlängern. Vor allem die Grünen lehnten das ab, und der Konflikt wurde erst durch ein Machtwort von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gelöst. Die drei AKW wurden im „Streckbetrieb“ gefahren und dreieinhalb Monate später, Mitte April 2023, abgeschaltet.

Mehr erneuerbare, weniger fossile Energien

Das Berliner Beratungsunternehmen Enervis kommt in der jetzt vorlegten Studie zu dem Ergebnis, dass der CO2-Ausstoß im Energiesektor in der Zeit seit dem Ausstieg – untersucht wurde der Zeitraum 16. April 2023 bis 15. März 2024 – um 24 Prozent gesunken ist. Grund dafür seien ein Wachstum bei den erneuerbaren Energien sowie zurückgegangene Strommengen aus fossilen Energiequellen gewesen: Braunkohle minus 29 Prozent, Steinkohle minus 47 Prozent und Gas minus fünf Prozent. Entlastend für die Klimabilanz wirkte zudem, dass die Stromnachfrage im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zurückgegangen ist, vor allem wegen der schwächelnden Wirtschaft. Die Studie war von Greenpeace und der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy in Auftrag gegeben worden.

Eingegangen wird in der Untersuchung auch darauf, dass Deutschland im Jahr nach dem Ausstieg mehr Strom aus dem Ausland bezog. Dieser Importüberschuss von rund 20,6 Terawattstunden sei aber nicht Folge von Engpässen im nationalen Kraftwerkspark gewesen, betonen die Enervis-Fachleute. Vielmehr hätten steigende Kosten für fossile Brennstoffe und CO2-Zertifikate im EU-Emissionshandel zur Verteuerung der fossilen Verstromung und so zur verringerten Nutzung geführt. Die Analyse habe gezeigt, dass im Betrachtungszeitraum genug Kapazitäten in Erdgas-Kraftwerken für zusätzliche Stromerzeugung bereitgestanden hätten, so die Greenpeace-Mitteilung. Diese Kapazitäten seien nicht genutzt worden, da Importe günstiger waren.

Auch bei den Importen dominiert Ökostrom

Etwas mehr als die Hälfte der importierten Elektrizität kam nach Zahlen der Bundesnetzagentur aus erneuerbaren Quellen, jeweils rund ein Viertel stammte aus AKW respektive fossilen Kraftwerken. Der Atomstrom-Anteil im deutschen Netz betrug damit rund vier Prozent. Die stärksten Importländer im untersuchten Zeitraum waren laut der Agentur Dänemark (22 Prozent), Frankreich (19 Prozent) und die Schweiz (zwölf Prozent), wobei die letzteren beiden viel Atomstrom im Netz haben. Die Enervis-Fachleute erwarten, dass der laufende starke Ausbau erneuerbarer Energien Deutschland ungefähr ab 2030 zum Exporteur von günstigem grünem Strom machen wird.

Derzeit beträgt der Anteil von Ökostrom am Verbrauch hierzulande gut 50 Prozent, bis 2030 sollen es nach Plänen der Ampel mindestens 80 Prozent sein. Die Anti-Atom Organisation „ausgestrahlt“ rechnete unterdessen vor, dass das Plus bei den erneuerbaren Energien die Stromproduktion der drei AKW rechnerisch komplett ersetzt hat. Danach haben die Windkraft- und Solaranlagen in Deutschland von April 2023 bis März 2024 zusammen 29 Milliarden Kilowattstunden (kWh) mehr Strom als in den zwölf Monaten zuvor erzeugt, was ziemlich genau dem weggefallenen Atomstrom (30 Milliarden kWh) entspreche.

Kein Effekt auf Strompreise

Die Stabilität des Stromnetzes hat sich aufgrund des Atomausstiegs nicht verändert, obwohl mit den drei Atommeilern Grundlast-Kraftwerke wegfielen. Das teilte die Bundesnetzagentur auf Anfrage mit. Die Abschaltung der Kernkraftwerke sei seit langem geplant gewesen und von allen Akteuren der Energiewirtschaft entsprechend berücksichtigt worden. „Es steht genügend gesicherte Kraftwerksleistung aus anderen Anlagen bereit, um einen sicheren Netzbetrieb zu gewährleisten“, so die Agentur.

Entwarnung gibt es auch in punkto Strompreis. Die Netzagentur stellt fest, der Atomausstieg habe den Großhandelspreis an der Strombörse „nicht oder allenfalls geringfügig beeinflusst". Der Preis sei im Frühjahr 2022 aufgrund der „Gaskrise“ infolge des Ukrainekriegs stark angestiegen und Anfang 2023 wieder deutlich gesunken. „Eine Änderung des Großhandelspreises rund um den Atomausstieg im April 2023 ist nicht erkennbar“, so die Behörde.

Kein Wunder, dass sich die Umweltverbände durch die Entwicklung bestätigt sehen. Greenpeace-Atomexperte Heinz Smital bilanzierte: „Ein Jahr nach dem Atomausstieg ist Strom in Deutschland sauberer, günstiger und sicherer als zuvor. Der Ausstieg aus der Hochrisikotechnologie sei die richtige Entscheidung gewesen, er habe die Energiewende beschleunigt. „ausgestrahlt“ betonte, das Abschalten der AKW habe Deutschland zudem unabhängiger gemacht. „Anders als jene Länder, die noch auf Atomkraft setzen, ist Deutschland nicht mehr abhängig von russischem Uran“, sagte Sprecher Armin Simon.

Warnung vor Kehrtwende

Doch auch der Präsident des Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), Christian Kühn, betont, dass Deutschland mit dem vollzogenen Ausstieg auf dem richtigen Weg sei. „Deutschland ist durch den Atomausstieg sicherer geworden“, sagte er. Zudem habe der Schritt „dafür gesorgt, dass keine weiteren hochradioaktiven Abfälle mehr produziert werden“. 

Kühn verwies darauf, dass Deutschland „anders als viele andere Staaten einen gesetzlich geregelten, wissenschaftsbasierten und transparenten Suchprozess“ für ein nukleares Endlager festgelegt und durch einen Fonds finanziell abgesichert habe, in den die Atomkraftwerksbetreiber einzahlen mussten. Und er warnte: „Dieser vertrauensbildende Prozess ist gefährdet, wenn der Atomausstieg und wider besseren Wissens die weltweit anerkannte Notwendigkeit der geologischen Tiefenlagerung infrage gestellt werden.“

 

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