Klimabilanz

Deutschlands CO2-Ausstoß auf niedrigstem Stand seit 70 Jahren

Die deutschen Treibhausgasemissionen sind 2023 überraschend stark gesunken. Ein Grund zum Jubeln ist das trotzdem nicht: Erkauft ist das Minus teils durch einen Produktionsrückgang. Verkehr und Gebäude verfehlen weiter die Klimaziele.
Von:  Ina Matthes
09.01.2024 | Aktualisierung: 16.02.2024 | 3 Min.

Weniger Kohlestrom, mehr Energieimporte, der Ausbau der Erneuerbaren und eine schwache Konjunktur haben den Ausstoß von klimaschädlichem Kohlendioxid in Deutschland deutlich zurückgehen lassen. Nach vorläufigen Berechnungen des Thinktanks Agora Energiewende sind die CO2-Emissionen 2023 auf 673 Millionen Tonnen und damit den niedrigsten Stand seit 70 Jahren gefallen. Gegenüber dem Vergleichsjahr 1990 sind die Emissionen um 46 Prozent gesunken.

Die Einsparung im vergangenen Jahr ist den Angaben von Agora zufolge aber wenig nachhaltig: Rund die Hälfte sei auf kurzfristige Effekte zurückzuführen, wie eine geringere Produktion in der energieintensiven Industrie. Die Experten warnen deshalb davor, dass die Emissionen konjunkturbedingt wieder steigen könnten. Nur 15 Prozent des Rückgangs seien langfristig wirksam, vor allem aus dem Zubau erneuerbarer Energien, gestiegener Effizienz und dem Umstieg auf klimafreundlichere Brennstoffe.

Eine unerwartet starke Senkung gab es beim Kohleverbrauch, bedingt durch verminderte Stromnachfrage und mehr günstige Importe, die etwa zur Hälfte aus erneuerbaren Quellen stammten. Die geringere Stromproduktion aus Braunkohle sparte nach den Daten der Energieexperten 29 Millionen Tonnen CO2 ein, bei der Steinkohleverstromung waren es 15 Millionen Tonnen.

Umweltschützer: Tempolimit könnte Klimalücke im Verkehr fast schließen

Während der Treibhausgas-Ausstoß insgesamt fiel, blieben Verkehrs- und Gebäudebereich deutlich hinter ihren Klimazielen zurück. Gebäude verursachten 109 Millionen Tonnen CO2 – acht Millionen Tonnen mehr als gesetzlich erlaubt. Die Verkehrsemissionen überschritten nach den Angaben von Agora Energiewende die gesetzliche Höchstmenge von 133 Millionen Tonnen CO2 um zwölf Millionen Tonnen. Damit verfehlte der Verkehrsbereich im dritten und der Gebäudesektor im vierten Jahr in Folge das Minderungsziel.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordert zum wiederholten Mal Sofortmaßnahmen. „Ein Tempolimit von 100/80/30 würde mit einer jährlichen CO2-Einsparung von elf Millionen Tonnen die Klimalücke des Verkehrssektors aus dem vergangenen Jahr beinahe vollständig stopfen“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch in einer Mitteilung. Im Gebäudesektor fordert die DUH eine „Sanierungsoffensive“ und ein Ende des Einbaus neuer Öl- und Gasheizungen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verspricht sich vom neuen Gebäudeenergiegesetz und den Förderungen für klimafreundliches Heizen eine Senkung des Treibhausgasausstoßes. Deutschland müsse ein starker Industriestandort bleiben und klimaneutral werden, sagte Habeck in einem Kommentar zu den Agora-Zahlen. Dass der Ausbau der Erneuerbaren klar angezogen habe, sei „sehr gut für den Klimaschutz“.

Rekord bei grünem Strom – aber schwacher Ausbau der Windenergie

Zum positiven Teil der Bilanz für 2023 zählt, dass erneuerbare Energien erstmals mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs deckten. 55 Prozent des in die Netze eingespeisten Stroms stammten aus grünen Quellen, hauptsächlich aus Windenergie.  Windräder an Land lieferten nach vorläufigen Daten der Bundesnetzagentur 118,7 Terawattstunden (TWh) Energie – ein Plus von etwa 18 Prozent im Vergleich zu 2022. Aus Offshore-Anlagen stammten 23,5 TWh. Insgesamt erzeugte die Windkraft damit mehr Strom als die deutschen Kohlekraftwerke (132 TWh).

Solaranlagen hingegen speisten mit rund 55 TWh Strom ähnlich viel ein wie 2022, was vor allem an weniger Sonnenstunden im Jahresvergleich lag. Denn beim Ausbau erreichte die Photovoltaik im vergangenen Jahr mit 14,4 Gigawatt einen Rekordwert. Der Ausbau der Windkraft an Land hingegen sei mit 2,9 Gigawatt deutlich zu gering ausgefallen, schätzten die Experten von Agora Energiewende ein. Um die gesetzlichen Ausbauziele bis 2030 zu erreichen, müsse ab 2024 der jährliche Zubau auf durchschnittlich 7,7 Gigawatt ansteigen.

 

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