Stiftung UmweltEnergieRecht - 25 Jahre EEG
Künstliche Intelligenz

Booster für Atomkraft oder für Erneuerbare?

Je breiter ihr Einsatzfeld, desto mehr Strom wird Künstliche Intelligenz in Zukunft verschlingen. Ob die digitale Gier nach elektrischer Leistung die Kernenergie stützt oder den weltweiten Umstieg auf Sonnen- und Windkraft beschleunigt, ist noch offen.
Von:  Joachim Wille
07.03.2025 | 8 Min.
Erschienen in: Ausgabe 03/2025
Energiefresser: Die Zahl der Rechenzentren für KI-Anwendungen steigt rasant – und mit ihr die Nachfrage nach Strom.
Energiefresser: Die Zahl der Rechenzentren für KI-Anwendungen steigt rasant – und mit ihr die Nachfrage nach Strom.
Foto: Paul Moseley/Newscom/picturealliance

Künstliche Intelligenz gilt als starker Treiber des weltweiten Stromverbrauchs. Um den Energiehunger ihrer KI-Systeme zu decken, planen US-Techkonzerne wie Open AI, Google und Microsoft sogar den Einstieg in die Atomkraft.

Ihre neue Konkurrenz aus China, DeepSeek, könnte beim Rennen um die leistungsfähigste und effizienteste KI ein Gamechanger sein. Angeblich verbraucht die Software bis zu 70 Prozent weniger Strom. Doch die schöne Öko-Rechnung geht nicht automatisch auf. Allein schon, weil die Nachfrage nach KI-Anwendungen rasant steigt, besonders seit Open AI Ende 2022 seinen Sprachassistenten ChatGPT in den Markt eingeführt hat.

Mehr als 8000 Rechenzentren weltweit

Der Trend erfordert immer mehr Rechenzentren, um die digitalen Prozesse bewältigen zu können – und damit mehr Strom. Laut der Internationalen Energieagentur (IEA) gab es Ende 2023 weltweit mehr als 8000 dieser Zentren, geschätzter Verbrauch: zwei bis drei Prozent der weltweiten Elektrizitätsproduktion. Die Agentur erwartet, dass er – unter anderem wegen des Haupttreibers KI – schon bis 2026 von 460 auf bis zu 1050 Milliarden Kilowattstunden steigen könnte. Ein Zuwachs, der höher liegt als der gesamte Strombedarf Deutschlands.

Die für Sprachmodelle wie ChatGPT oder Gemini entwickelten Verfahren nutzen sehr große Datenmengen und erfordern parallele Rechenprozesse. Das erhöht den Stromkonsum der Rechner. Beispiel: Eine Anfrage im Internet via ChatGPT verbraucht gegenüber einer normalen Google-Suche das Drei- bis Zehnfache an elektrischer Energie, im Schnitt produziert sie dabei 4,5 Gramm CO2.

Unersättliche Systeme

Fachleute sind alarmiert. Die IEA nannte den KI-getriggerten Boom bei den Rechenzentren eine „Herausforderung für das Stromsystem“. Das Öko-Institut warnte in einer Analyse zum KI-Boom davor, die Entwicklung völlig ungesteuert laufen zu lassen. Und der Energietechnik-Historiker Daniel Yergin verglich die KI plastisch mit einer „hungrigen Raupe“, die einen nimmersatten Energiebedarf habe.

Ob DeepSeek in diesem Punkt eine Trendwende auslösen kann, ist fraglich. Einerseits hat das System der Chinesen zwar das Potenzial, die benötigte Rechenleistung deutlich zu senken und die Anwendungen dadurch energiesparsamer zu machen. DeepSeek hat nach eigenen Angaben einen Algorithmus entwickelt, der die Rechenprozesse bei gleicher Leistung effizienter gestaltet. Das System passt sich beispielsweise an die unterschiedliche Komplexität der Aufgaben an und vermeidet so überflüssige Berechnungen. Zudem nutzt es eine neuartige Methode zur Datenkompression, die Speicherbedarf und Rechenumfang vermindert. Ein weiterer Hebel: DeepSeek arbeitet eng mit Chipherstellern zusammen, um ernergiesparsame Hardware zu entwickeln.

Andererseits kann es die Nutzung von KI noch weiter popularisieren, was den Energiehunger und damit den CO2-Ausstoß wieder in die Höhe treiben würde. Tatsächlich geht die Beliebtheitskurve der kostenlosen DeepSeek-App bei den Usern gerade durch die Decke. Die Anwendung wurde seit ihrer Veröffentlichung Mitte Januar bereits mehrere Millionen Mal heruntergeladen, und viele Interessenten werden nicht nur Umsteiger von ChatGPT und Co sein, sondern Neunutzer von KI-Programmen. Jens Gröger vom Öko-Institut befürchtet, dass DeepSeek neben den anderen Sprachmodellen koexistieren wird, sein Energieverbrauch komme dann „einfach obendrauf“.

Positive Klimaeffekte

Entscheidend für die gesamte Energieund Klimabilanz ist aber noch ein weiterer Aspekt. Die Frage ist, ob das innovative Entwicklungsprinzip von DeepSeek genutzt werden kann, um potenziell positiven Effekten von KI für die Energiewende und eine nachhaltige Rohstoffnutzung zum Durchbruch zu verhelfen. Schon heute lassen sich mittels künstlicher Intelligenz fluktuierende erneuerbare Energien wie Solar- und Windkraft besser in die Stromnetze integrieren – etwa durch genauere Analyse von Wetterdaten und damit präzisere Vorhersage der Einspeisung und Stromspeicher-Steuerung. 

Auch ermöglicht KI es, technische Prozesse bei der Herstellung, Wartung, Verwendung und Wiederverwertung von Produkten zu optimieren, was die Energie- und Ressourcennutzung verbessert und die Kreislaufwirtschaft fördert. Mit fortschreitender Entwicklung der Technologie lässt sich dieses Einsatzfeld sicher ausbauen.

Regulierung erforderlich

„Es ist erfreulich, wenn KI-Unternehmen sich Konkurrenz machen und es dadurch bei den KI-Modellen einen Effi zienzwettbewerb gibt“, sagt Gröger. Allerdings warnt er, dass eine hocheffi ziente KI eben auch anderen Zwecken als der Nachhaltigkeit dienen kann – etwa dem Ziel, neue Öl- und Gasfelder zu erschließen. „Man kann nicht ausschließen, dass auch DeepSeek – mit dem süßen Walfisch-Logo – dazu genutzt wird, die Tiefsee nach neuen Rohstoffen zu durchsuchen und Umweltzerstörung und Klimawandel noch weiter voranzutreiben“, moniert der Experte, der Forschungskoordinator für nachhaltige digitale Infrastrukturen in seinem Institut ist.

Man kann nicht ausschließen, dass DeepSeek dazu genutzt wird, Umweltzerstörung und Klimawandel weiter voranzutreiben.“ Jens Gröger, Öko-Institut

Generell fordert er, die Gesellschaft dürfe bei Digitaltechnik und KI die technische Entwicklung „nicht einfach laufen lassen“. Eine Technikfolgenabschätzung sei unabdingbar – und darauffolgend eine Regulierung. Fehlentwicklungen sollten frühzeitig erkannt werden, bevor sie unkontrollierbar werden.

Gröger plädiert daher dafür, eine Art Ökobilanz für KI-Anwendungen aufzustellen. Bei der klassischen Ökobilanz eines Produkts werde dessen gesamter Lebenszyklus analysiert, von der Rohstoffgewinnung und Produktion über Transport und Nutzung bis hin zur Entsorgung, erläutert er. Diese Methodik sei auch auf digitale Anwendungen wie Software und KI übertragbar, so der Experte. „Und damit lässt sich dann im zweiten Schritt eine Reduktion des Energie- und Ressourcenverbrauchs realisieren.“

Unbeschränkte Megaprojekte

Derzeit allerdings spielen solche Überlegungen bei der internationalen Entwicklung der KI nur eine geringe Rolle. Die USA und nun auch China geben dabei den Takt vor. So kündigte der neue US-Präsident Donald Trump gleich nach seinem Amtsantritt im Januar unter dem Namen „Stargate“ ein neues Infrastrukturprojekt zur Ausweitung von KI-Anwendungen an, in das in den nächsten Jahren Investitionen von rund 500 Milliarden Dollar fließen sollen. Neben Open AI sind der Software-Riese Oracle und der japanische Technologie-Konzern Softbank mit an Bord. 

Trump hob in diesem Zusammenhang ein Dekret seines Vorgängers Joe Biden zur KI-Regulierung auf. Dieses Regelwerk sah vor, dass große KI-Entwickler wie Open AI und Google ihre Sicherheitsbewertungen und andere zentrale Informationen an Bundesbehörden weitergeben. Das fällt nun weg.

Europa startet KI-Initiative

In den Staaten der Europäischen Union wächst unterdessen die Sorge, von der rasanten Entwicklung im KI-Sektor abgehängt zu werden – und man versucht gegenzusteuern. In Paris fand zu diesem Zweck im Februar ein großer KI-Gipfel statt. Dort kündigte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an, die EU werde gemeinsam mit privaten Investoren insgesamt 200 Milliarden Euro für eine „vertrauenswürdige KI-Entwicklung“ mobilisieren. Zudem will man Bürokratie abbauen, die den Ausbau der Technologie bremst.

Klar ist allerdings: Solche KI-Initiativen können nur funktionieren, wenn neue Rechenzentren gebaut werden – und auch genügend Strom produziert wird, um sie zu betreiben. Die IEA erwartet, dass der Boom bei der künstlichen Intelligenz – gemeinsam mit der Umstellung auf E-Mobilität, mehr Klimaanlagen und Elektrifizierung in der Industrieproduktion – das Wachstum der Stromnachfrage weltweit beschleunigt. In den nächsten Jahren werde der Strombedarf voraussichtlich sechsmal mehr steigen als die gesamte Nachfrage nach Energie, heißt es in einem im Januar veröffentlichten IEA-Bericht.

Stromquellen strittig

Die Frage ist, mit welchen Technologien dieses Wachstum befriedigt werden kann: durch den Ausbau erneuerbarer Energien, eine Laufzeitverlängerung für fossile Kraftwerke oder eine Renaissance der Atomenergie? Mehr KI-Rechenpower bedeutet in noch stark kohlelastigen Ländern wie China bisher, dass die Stromproduktion sowohl in Kohle- als auch Erneuerbaren-Kraftwerken angeheizt wird. In den Industriestaaten hingegen läuft es auf die Entscheidung zwischen zwei CO2-armen Enerieformen hinaus: Kernkraft oder Erneuerbare.

Atomkraft-Befürworter wie IEA-Chef Fatih Birol oder der französische Staatspräsident Emmanuel Macron glauben, dass der KI-Boom zu einer nukearen Renaissance beitragen wird. In dem IEA-Report heißt es, um mit der rasant wachsenden Stromnachfrage Schritt zu halten, würden neue Erzeugungskapazitäten gebraucht, darunter auch solche, die rund um die Uhr Leistung erbringen können wie die Atomkraft. 

Frankreich setzt auf Atomkraft

Birol machte denn auch bereits ein „Comeback der Atomenergie“ aus, „das die IEA vor einigen Jahren vorhergesagt hat“. Macron wiederum sieht den KI-Boom als Booster für seinen Pro-Nuklear-Kurs. Internationale Investoren haben in jüngster Zeit milliardenschwere Investitionen in französische Rechenzentren angekündigt. Frankreich verfügt derzeit über einen Atomstromanteil von über 60 Prozent, und der Präsident hat versprochen, in den nächsten zwei Jahrzehnten bis zu 14 neue Akw bauen zu lassen, wobei die Realisierbarkeit der Pläne angesichts der hohen Kosten neuer Reaktoren unklar ist.

Auf dem KI-Gipfel in Paris sagte Macron auf Englisch in Anspielung auf Trumps „Drill, baby, drill“-Slogan zur Ausweitung der Erdöl- und Erdgas-Produktion: In Frankreich brauche man demgegenüber nur einen Stromstecker zu benutzen: „It‘s just plug, baby, plug.“

Fachleute wie Norbert Allnoch vom Internationalen Wirtschaftsforum Regenerative Energie (IRW) im westfälischen Münster halten solche Äußerungen und auch die Ankündigung der US-amerikanischen KI-Konzerne, auf Atomkurs zu gehen, für unrealistisch. Allnoch verweist auf den geringen Leitungszuwachs der weltweiten Akw-Stromproduktion in den vergangenen Jahren bei gleichzeitig starkem Boom der Ökoenergien. 2024 beispielsweise seien netto nur knapp 4000 nukleare Megawatt (MW) hinzugekommen, während allein China im selben Zeitraum Photovoltaik-Anlagen mit einer Rekordleistung von 277.000 MW neu installiert habe. Allnoch bezieht sich bei der Akw-Bilanz auf die offiziellen Daten der Internationalen Atomenergie-Organisation IAEA.

Erneuerbare im Vorteil

Die entscheidenden Ursachen für das schwache Wachstum des globalen Markts für Atomkraftwerke sind Allnoch zufolge neben hohen Investitionskosten und sehr langen Bauzeiten von zehn bis 15 Jahren vor allem die großen Finanzierungsrisiken, die praktisch nur von Staatsunternehmen übernommen werden könnten. Der zusätzliche Energiebedarf der KI-Rechenzentren ändere nichts daran. Um ihn abzudecken, so der Energieexperte, seien Atomkraftwerke „wettbewerblich keine Alternative zu erneuerbaren Energien“, die deutlich preiswerter und viel schneller zu installieren seien.

Stiftung UmweltEnergieRecht - 25 Jahre EEG

Kommentar verfassen

Hinweis: Kommentare werden vor der Freischaltung zunächst gesichtet. Dies kann unter Umständen etwas Zeit in Anspruch nehmen.

*Pflichtfelder

Die E-Mailadresse wird nicht gespeichert, sondern gelöscht, sobald Sie eine Bestätigungsmail für Ihren Kommentar erhalten haben. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung


Captcha Image
=
Energiefresser: Die Zahl der Rechenzentren für KI-Anwendungen steigt rasant – und mit ihr die Nachfrage nach Strom.
Foto: Paul Moseley/Newscom/picturealliance
14. Zukunftskonferenz Wind & Maritim - 06. und 07.05. Rostock
Termine
18.03.2025
Betreiberpflichten: Gesetze, Verordnungen & Rechtsfolgen
Bundesverband WindEnergie e.V.

18.03.2025
Berlin Energy Transition Dialogue (BETD) 2025
BETD-Team

18.03.2025 bis 20.03.2025
Neu hier? Grundlagen der Windenergie Onshore
Bundesverband WindEnergie e.V.

19.03.2025
Branchentag Erneuerbare Energien Mitteldeutschland
Bundesverbände WindEnergie e.V. und Erneuerbare Energien e.V.