neue energie: Herr Miara, Sie heizen zu Hause mit einer Wärmepumpe. Wie lange schon?
Marek Miara: Seit sieben Jahren. Ich heize mit einer Luft-Wasser-Wärmepumpe. Auch für Warmwasser nutze ich die Wärmepumpe.
ne: Wie zufrieden sind Sie damit? Bekommen Sie das Haus auch dann gut warm, wenn es im Winter richtig kalt wird?
Miara: Die Anlage ist so ausgelegt, dass sie Reserven hat. Den elektrischen Heizstab der Wärmepumpe habe ich als Zusatzheizung noch nie gebraucht. Die Wärmepumpe erreicht eine durchschnittliche Jahresarbeitszahl von 4,6 inklusive der Warmwasserbereitung. Das heißt, sie arbeitet sehr effizient.
ne: Wenn man sich Wärmepumpen von vor sieben Jahren anschaut und die Technik heute – was hat sich wesentlich verändert?
Miara: Es gibt eine große Bandbreite technologischer Verbesserungen – in der Effizienz, bei den Kältemitteln, beim Schall, den die Geräte erzeugen. Propan zum Beispiel wurde vor sieben Jahren kaum als Kältemittel verwendet. Einige Wärmepumpen sind größer und damit effizienter und leiser geworden. Auch eine elektronische Leistungsregelung ist heute gang und gäbe. Eine Revolution in der Technik gab es seither aber nicht.
ne: Werden wir in den nächsten Jahren etwas Revolutionäres auf dem Gebiet der Wärmepumpen sehen?
Miara: Wir werden eine Revolution bei den Kältemitteln sehen, eine Umstellung auf natürliche Kältemittel wie Propan. Propan wird bereits bei Wärmepumpen eingesetzt, die außerhalb von Gebäuden stehen. Erste Produkte für Innenräume gibt es bereits. Die Frage dabei ist, wie die Sicherheit in Innenräumen gewährleistet werden kann.
ne: Es herrscht in der öffentlichen Diskussion viel Verunsicherung um den Einsatz von Wärmepumpen im Altbau. Es wird oft bezweifelt, dass sich Altbauten damit kostengünstig heizen lassen.
Miara: Wir forschen am Ise seit zehn Jahren zu Wärmepumpen im Bestand. Wärmepumpen funktionieren nicht nur im Neubau, auch im Altbau. Wir haben in mehreren Projekten 350 Häuser untersucht, energetisch sanierte und nicht sanierte. Die Wärmepumpen konnten dort die benötigte Wärme liefern. Es wurden dabei extrem selten Vorlauftemperaturen von mehr als 60 Grad gebraucht, auch bei unsanierten Gebäuden. Mit Niedertemperaturheizkörpern kann im Altbau die Vorlauftemperatur gesenkt werden und man erreicht eine sinnvolle Effizienz der Anlagen. Sinnvoll meint, dass man etwa eine Jahresarbeitszahl ab drei aufwärts erreicht. Das ist auch ohne eine Fußbodenheizung möglich.
ne: Wenn es um die Entwicklung und den Einsatz von Wärmepumpen geht – welche sind derzeit die wichtigsten Fragen und Probleme in der Forschung?
Miara: Eine sehr große Rolle spielt die Standardisierung von Produkten und Konzepten. Sie trägt dazu bei, dass die Installation schneller und günstiger wird und dabei weniger Fehler passieren. Ein Beispiel: In der Schweiz arbeiten Installateure mit sechs Anlagenschemata und damit lassen sich alle Wärmepumpen installieren. In Deutschland haben wir deutlich mehr von diesen Schemata, eine riesige Bandbreite.
ne: Was bedeutet Standardisierung von Anlagenschemata, wie lässt sich das beschreiben?
Miara: Das heißt, dass man die Anzahl der Möglichkeiten reduziert, wie einzelne Bauteile miteinander verbunden werden. Die Bafa-Liste mit förderfähigen Wärmepumpen hat circa 7000 Positionen Eine solche Vielfalt ist nicht nötig. Was sich auch verbessern muss, ist die Kommunikation zwischen den einzelnen Komponenten der Anlagen. Die Digitalisierung ist bei den Wärmepumpen noch nicht wirklich angekommen.
ne: Was können Sie als Forscher beitragen, wenn es um Standardisierung geht?
Miara: Das lässt sich gut an einem Beispiel erklären. Am Ise haben wir eine Propan-Wärmepumpe entwickelt, die LC 150. Wir haben mit unterschiedlichen Komponenten gearbeitet, verschiedene Konfigurationen getestet. Es ging darum, das vielversprechendste Setting zu finden. Für Hersteller ist es interessant, dabei zu sein und neues Basiswissen zu bekommen.
ne: Lässt sich ein Hochhaus über Wärmepumpen heizen, kein Neubau, ein schon existierendes Gebäude?
Miara: Ja, klar. Man muss dort schauen, wie viele Heizkörper man austauschen muss, um effizient zu sein. Das müssen nicht alle sein. Schon wenn man nur die Heizkörper in kritischen Räumen ersetzt, kann man viel erreichen. Es gibt dazu große internationale Projekte, die zeigen, dass das funktioniert. Ich kenne zwei interessante Beispiele aus der Schweiz, zwei Häuser, die kaum saniert waren. Dort hat man Wärmepumpen auf dem Dach installiert – das zeigt, es ist möglich.
ne: Welche technischen Probleme sind zu lösen, wenn Wärmepumpen in Mehrfamilienhäusern eingebaut werden sollen?
Miara: Das sind vor allem Probleme bei der Warmwasserbereitung. Aus hygienischen Gründen müssen die Vorlauftemperaturen höher sein. Es können auch sogenannte Verteilungsverluste, also Verluste bei der Verteilung der Wärme im Heizsystem auftreten. Eine spannende Frage ist, welche Wärmequelle angezapft wird – das kann das Erdreich sein, die Luft oder etwa der Abwasserkanal. Wärmepumpen lassen sich mit Photovoltaik-Kollektoren verbinden. Man kann mehrere kleine oder eine große Wärmepumpe im Haus einsetzen. Auch dazu gibt es großen Forschungsbedarf. Derzeit ist oft jede Umrüstung im Altbau ein individuelles Projekt. Standardisierung kann helfen, Planungszeiten zu verkürzen. Allerdings sind in Mehrfamilienhäusern häufig nicht die technischen Aspekte die entscheidenden, sondern zum Beispiel die Besitzerstrukturen. Und die können sehr komplex sein.
ne: Welche Grenzen hat diese Technik? Gibt es Häuser, wo sich die Wärmepumpe nicht einsetzen lässt?
Miara: Bei Häusern mit großem Energiebedarf von 200 bis 250 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr ist eine Wärmepumpe nicht effizient. Das kommt aber aus meiner Sicht sehr selten vor. In solchen Fällen müsste man zunächst einen passenden Sanierungsplan aufstellen. Bei einem Energieverbrauch bis 150 Kilowattstunden pro Quadratmeter im Jahr ist eine Wärmepumpe sinnvoll.
ne: Geraten Wärmepumpen bei heftigem Frost an ihre Grenzen?
Miara: Die Anlagen sind oft für minus zehn bis minus 15 Grad ausgelegt. Das ist die Norm. Aus meiner Sicht ist das bereits überdimensioniert. In Deutschland wird es kaum kälter, und wenn, dann nur für kurze Zeit. Dann kann man den elektrischen Heizstab der Wärmepumpe einsetzen. Dafür ist er da.
ne: Derzeit kursieren in der Öffentlichkeit teils horrende Preise für Wärmepumpen, etliche zehntausend Euro. Womit muss man in etwa rechnen?
Miara: Im Neubau muss man mit ungefähr 20 000 bis 30 000 Euro rechnen: Etwa 10 000 bis 15 000 Euro kostet die Anlage, schätzungsweise 5000 Euro die Installation. Beim Altbau ist das schwieriger einzuschätzen, weil dort die Bedingungen sehr unterschiedlich sein können. Ganz grob geschätzt liegen die Kosten in Altbauten zwischen 25 000 und 50 000 Euro. In letzter Zeit sehen wir viele Installationen im Altbau. Dort sind dann meist noch alte Anlagen, Ölkessel etwa, zu entsorgen. Die Installationskosten sind deutlich gestiegen, weil diese Leistungen am Markt gerade knapp sind.
ne: Viessmann verkauft seine Wärmepumpensparte jetzt an den US-Konzern Carrier Global. Kam diese Nachricht für Sie überraschend?
Miara: Völlig überraschend war das nicht. Dass es eine Konsolidierung auf dem Markt geben würde, war zu erwarten. Die großen asiatischen und US-amerikanischen Unternehmen auf dem Weltmarkt sind zehn bis zwanzig Mal größer als die Firmen in Europa.
ne: Müssen wir befürchten, dass Ähnliches passiert wie bei der Photovoltaik? Dass die Hersteller aus Deutschland, aus Europa abwandern und wir Anlagen aus China kaufen?
Miara: Wohin diese Entwicklung gehen wird, das kann ich nicht sagen. Aber ich bin überzeugt, dass Europa über eine Liga von Herstellern verfügt, die innovativ sind und effiziente Anlagen in hoher Qualität liefern. Da sind viele sehr gut aufgestellt. Das ist dann wiederum auch ein Grund, der diese Unternehmen für Übernahmen interessant macht.
ne: In Deutschland ist die Nachfrage nach Wärmepumpen innerhalb des vergangenen Jahres um 53 Prozent gestiegen, in Polen hingegen, das als traditionelles Kohle-Land gilt, um mehr als 100 Prozent. Wie kommt das?
Miara: Polen hat in den vergangenen zehn Jahren einen Zuwachs bei Wärmepumpen gesehen. Die Politik hat klare Signale gesetzt. Und mit den Gaspreisen steigt das Interesse in der Bevölkerung. Allerdings hat Polen noch ein anderes Problem: Die Luftverschmutzung ist durch die Verbrennung von Kohle hoch. Es gibt ein Bedürfnis und den Druck, das zu ändern. Hinzu kommt: Deutschland zählt zu den Ländern mit den höchsten Strompreisen und günstigsten Gaspreisen in Europa. Das verlängert die Amortisationszeit für Wärmepumpen.
ne: Was müsste die deutsche Politik aus Ihrer Sicht unbedingt tun, um den Hochlauf der Wärmepumpen zu befördern?
Miara: Politisch muss man jetzt kaum mehr tun. Die einzige Aufgabe der Politik wäre, für günstigere Strompreise zu sorgen. Für die Endkunden sind die Betriebskosten oft ausschlaggebend bei der Heizungstechnologie-Entscheidung. Wir hatten die Wärmepumpengipfel, wir haben die Regel, dass möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden soll. Wir haben die Verheißungen des Markts. Und die Hersteller haben 2022 stark investiert.
Dieses Interview ist erschienen in Ausgabe 06/2023 von neue energie.
Marek Miara
koordiniert die Abteilung Wärmepumpen am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme in Freiburg. Er hat in zunächst in Breslau Bauingenieurswesen, und später in Kassel im Bereich Energie und Umwelt studiert. 2014 hat Marek Miara an der Technischen Universität Breslau mit einer Dissertation zur Bestimmung der Effizienz von Wärmepumpen promoviert.