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Bauwende

Keine Zeitenwende auf dem Bau

Forschende drängen auf ein sofortiges Umsteuern in der Baupolitik. Ökologische Architektur und Baumethoden bräuchten dringend einen rechtlichen Rahmen, um im Gebäudesektor bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen. Wird die neue Bundesregierung diese Aufgabe bald anpacken?
Von:  Ralf Hutter
19.05.2025 | 3 Min.
Erschienen in: Ausgabe 05/2025
Betonbauten als Ressourcenfresser: Baustelle eines Wohnquartiers in Heidelberg.
Betonbauten als Ressourcenfresser: Baustelle eines Wohnquartiers in Heidelberg.
Foto: Daniel Kubirski/picturealliance

Der seit gut einem Jahr zwischen der Bundesregierung und führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern schwelende Konflikt über den Stellenwert der Ökologie in der Baupolitik verschärft sich zusehends. Vorläufiger Höhepunkt ist ein offener Brief, den 225 Fachleute aus 32 Hochschulen Mitte Februar an den Bundestag gerichtet hatten, um eine sozial-ökologische „Bauwende“ einzufordern.

„Der Gebäudesektor verfehlt das Sektorenziel deutlich und droht das europäische Ziel der Klimaneutralität unmöglich zu machen“, heißt es in dem Schreiben. Die Parteien fänden immer neue Gründe, um in der Sache untätig zu bleiben. „Preisanstieg, Mietsteigerung oder fehlende Wettbewerbsfähigkeit sind dabei gerade in der Dysfunktionalität einer ineffektiven, umweltschädlichen und sozial polarisierenden Bauwirtschaft begründet“, betonen die Forschenden. Der Handlungsdruck sei entsprechend groß, denn bislang spiele Ökologie in der Bauwirtschaft kaum eine Rolle – weder bei den politischen Vorgaben noch bei den verbauten Materialien, den Raumkonzepten oder dem Abriss.

Anhaltender Dissens

Bau und Betrieb von Gebäuden in Deutschland verursachen 40 Prozent der Treibhausgasemissionen.“ aus der Dresdner Erklärung, Dekankonferenz 2024
Bekannt ist der Dissens zwischen Politik und Wissenschaft schon länger. Im April 2024 hatte die Konferenz der Dekane und Abteilungsleiter der Hochschulen und Universitäten in ihrer „Dresdner Erklärung zu einer klima- und sozial gerechten Bauwende“ hervorgehoben, dass „Bau und Betrieb von Gebäuden in Deutschland 40 Prozent der Treibhausgasemissionen verursachen“. Der Baubetrieb sei zudem für 55 Prozent des gesamten Müllaufkommens verantwortlich, und der Bausektor verschlinge circa 50 Prozent aller gewonnenen Rohstoffe – sowie täglich 52 Hektar Boden für neue Gebäude und Infrastrukturen.  „Damit verursacht das Bauen nicht nur Ressourcenverbrauch, sondern fördert Umweltzerstörung und schafft soziale Ungerechtigkeiten“, heißt es in der Erklärung, in der sich die Konferenz klar zur Verantwortung der Hochschulen bekannte, ökologische Methoden des Planens, Bauens und Gestaltens zu vermitteln.

Zehn Forderungen für die Bauwende

Eine Ringvorlesung, die im Sommersemester 2024 an 13 deutschen Hochschulen und der TU Wien stattfand und die „Zehn Forderungen für eine Bauwende“ des Vereins Architects 4 Future behandelte, „war so erfolgreich“, teilte die TU Berlin im vergangenen Dezember mit, „dass die Dekane- und Abteilungsleiterkonferenz für Architektur, Raumplanung und Landschaftsarchitektur die deutschen Fakultäten aufrief, die Bauwende in ihren Lehrplänen zu priorisieren“.

Während man sich im akademischen Bereich darüber im Klaren ist, dass dringender Handlungsbedarf bestehe, herrscht im politischen Lager weiterhin Schweigen. „Auf den offenen Brief vom Februar haben bislang weder die Unionsparteien noch die SPD reagiert“, sagt Eike Roswag-Klinge, Professor am Institut für Architektur der TU Berlin. Im Gespräch mit neue energie verweist er auf das Beispiel Dänemark, wo die Bauwende viel weiter sei: „Dort ist festgelegt, wie viel Kilogramm Kohlendioxid-Äquivalente pro Quadratmeter und Jahr ein Gebäude verursachen darf – wobei Bau, Betrieb und Abriss addiert werden.“ Wie die Vorgabe erreicht wird, sei flexibel: „Wenn ein Gebäude aus Holz errichtet wird, das also Kohlendioxid bindet“, so Roswag-Klinge, „muss dessen Betrieb nicht so energieeffizient sein wie der eines anderen Gebäudes.“ Derartige Lebenszyklusanalysen seien in Deutschland „zwar für öffentliche Gebäude ab gewissen Investitionskosten vorgeschrieben, die Ergebnisse haben aber bislang keine Konsequenzen auf Planungsentscheidungen“.

Der offene Brief benennt diese und andere Probleme und enthält überdies zehn Forderungen wie zum Beispiel: mehr Umbau statt Neubau und eventuellen Abrissen; rechtliche Anerkennung von Lowtech-Bauweisen durch Absenkung von Gebäudestandards, etwa hinsichtlich der Lüftungstechnik, die Ressourcen verbraucht und im Betrieb Kosten verursacht; Förderung transdisziplinärer Forschungsverbünde und Reallabore zur Erforschung und Erprobung einer Kreislaufwirtschaft und des Einsatzes von Naturbaustoffen, wobei Handwerk, Industrie und Kommunen eingebunden sein sollen.

Auf Anfrage der Redaktion wollte sich die CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ende März wegen der laufenden Koalitionsverhandlungen nicht zu dem offenen Brief äußern. Vom Bundesvorstand und der Bundestagsfraktion der SPD traf bis Redaktionsschluss keine Antwort ein.

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