Forschung

KI schaltet die Windenergie auf Turbo

In dem Forschungsprojekt „IntelliWind“ nutzten die RWTH Aachen und der WEA-Entwickler W2E Wind to Energy aus Rostock (Deutschland) Methoden des maschinellen Lernens, um Steuerungstechnik effizienter zu machen.
Von:  Redaktion neue energie
13.06.2025 | 4 Min.
Bild: AdobeStock

Das wichtigste Entwicklungsziel für den Bau einer Windenergieanlage (WEA) ist es, die Cost-of-Energy (COE), also das Verhältnis von Gesamtkosten zur Jahresenergielieferung, zu optimieren. Dabei geht es nicht nur um die Maximierung der Leistung, sondern auch um die Minimierung der Herstellungs- und Wartungskosten bei gleichzeitiger Gewährleistung von Sicherheit und Netzkonformität. Prof. Dr. János Zierath von W2E und Andreas Klein von der RWTH Aachen erklären, wie KI dabei helfen kann.

Sie haben gemeinsam an intelligenten Modellen zur selbstoptimierenden Lastreduktion bei Windenergieanlagen geforscht. Was ist der Hintergrund dazu?

Prof. Dr. János Zierath: Mit steigender Nennleistung und damit zunehmenden Rotordurchmessern und Nabenhöhen moderner WEA steigen auch die Anforderungen an die nachhaltige strukturelle Integrität des Aufbaus. Mit geeigneten Regelungsstrategien versucht man deshalb, durch elektronische Stelleingriffe eine Reduktion der Lastamplituden in Rotor und Turm und damit gegebenenfalls auch Materialeinsparungen zu ermöglichen.

Klassische Regelungsstrategien stoßen dabei jedoch an Grenzen. Deshalb hat man sich bereits in der Vergangenheit mit den Möglichkeiten einer modellprädiktiven Regelung (MPC) auseinandergesetzt. Diese eignet sich gut für Anwendungen an einer Windturbine, da sie mehrere, auch widersprüchliche Regelungsziele und -beschränkungen in einem Optimierungsproblem zusammenfassen kann.

Wir haben die MPC nun erweitert, indem wir ein Regressionsmodell basierend auf maschinellem Lernen integriert haben. Mit dieser Verbesserung passt der Regler nun proaktiv die Blattanstellwinkel und das Drehmoment des Generators an, um die Lastwechsel an der WEA zu minimieren und so das Risiko von Langzeitverschleiß und Schäden zu verringern.

Wie gestaltete sich der Entwicklungsprozess?

Andreas Klein: Die von uns verwendeten Algorithmen stammen aus dem IntelliWind-Forschungsprojekt. Wir verwendeten MATLAB®, um das datenbasierte Modell zu trainieren, das die dynamischen Zustände des internen MPC-Prädiktionsmodells auf die Änderung der auf den Rotor wirkenden Schubkraft abbildet. Mit Simulink® und der Model Predictive Control Toolbox™ von MATLAB® haben wir schließlich den Regler ausgelegt und umfassend simulativ erprobt. Den in Simulink® erzeugten Code konnten wir im Anschluss mit M-Target for Simulink® auf eine MH230-Steuerung von Bachmann electronic portieren, um ihn anschließend an einer von W2E Wind to Energy entwickelten 3-MW-Windenergieanlage in der Realität zu verifizieren. Das war ein wichtiger Schritt zur Validierung mit Blick auf eine Serienreife dieses neuartigen Reglerentwurfs.

Welche Herausforderungen bestanden dabei?

Andreas Klein: Die Performanz und Stabilität einer MPC wird in hohem Maße von der Genauigkeit und Zuverlässigkeit des Prädiktionsmodells beeinflusst. Je höher die gewünschte Genauigkeit des Modells, desto rechenintensiver ist die MPC in der Regel. Um diesen Zielkonflikt zwischen Genauigkeit und Rechenintensität zu lösen, haben wir ein datenbasiertes Modell, speziell ein „local linear neuro-fuzzy model (LLNFM)“, verwendet. Wir haben ein LLNFM genutzt, weil es nichtlineare Beziehungen abbildet, aber im Vergleich zu anderen maschinellen Lernverfahren eine überschaubare Komplexität aufweist. Ergebnisse lassen sich damit besser interpretieren, was insbesondere in regelungstechnischen Anwendungen von Vorteil ist, bei denen die Minimierung des Risikos möglicher Schäden an der Anlage ein zentrales Anliegen ist.

Trainiert haben wir dieses Modell mit Daten, die wir mit der Software alaska/Wind erzeugten, in der wir die internen Belastungen der Gesamtanlage auf der Grundlage der externen Windkräfte modellierten und simulierten.

Welche Ergebnisse konnten Sie in der Realität erreichen und wie geht es weiter?

Prof. Dr. János Zierath: Wir führten bei verschiedenen Windgeschwindigkeiten zahlreiche Simulationen mit unserem Reglerentwurf durch, die uns zuversichtlich stimmten. Also portierten wir diesen schließlich auf die Bachmann-Steuerung einer unserer eigenen WEA, um seine Robustheit unter realen Betriebsbedingungen bewerten zu können.

Die Feldtests verliefen gut und bestätigten den stabilen Betrieb der WEA im Teillast- und Volllastbereich. Damit konnten wir zeigen, dass eine Erweiterung fortgeschrittener MPC-Algorithmen mit maschinellem Lernen in Windenergieanlagen gelingt. Auf dieser Grundlage können wir zukünftig komplexere maschinelle Lernalgorithmen in Experimenten testen, den Regler weiter verbessern und so den Betrieb von Windenergieanlagen optimieren.

 

Über die Interviewten

Andreas Klein absolvierte einen Bachelor of Science in Elektro-/Informationstechnik an der TU Dortmund sowie einen Master of Science in Automatisierungstechnik an der RWTH Aachen, wo er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Regelungstechnik tätig ist.

 

 

 

 

János Zierath, Prof. Dr.-Ing. habil., promovierte im Fachgebiet Numerische Mechanik und habilitierte 2014 in Technischer Mechanik. Neben Lehraufträgen an der Universität Rostock und der Universität Duisburg-Essen ist er seit 2011 als Berechnungs- und Vermessungsingenieur in der Windkraftbranche beschäftigt.

 

 

 

 

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