Das Jahr 2022. Die unabhängige „Ökologische Konföderation Polynesiens“ lebt der Welt ein Gesellschaftsmodell vor, welches sozial und ökologisch im Gleichgewicht steht. Die Energieversorgung ist komplett erneuerbar. Ressourcen werden lokal und natürlich gewonnen. Nachhaltigkeit ist das moralische Leitmotiv. Die Inseln sind der Ursprung einer sozioökologischen Weltrevolution – soweit die futuristische Vision, die Dirk C. Fleck in seinem Roman „Das Tahiti-Projekt“ entwirft.
Politische Ausbauziele für alternative Energien weisen zumindest in diese Richtung. Bis 2020 plant die Regierung Französisch Polynesiens den Anteil der Erneuerbaren von heute 30 Prozent, der vor allem aus den 16 Wasserkraftwerken gewonnen wird, auf 50 Prozent zu steigern. Bis 2030 soll die Versorgung komplett umgestellt sein. Wesentlicher Antriebsfaktor ist die hohe Abhängigkeit von Energieimporten mit einer Quote von fast 90 Prozent. Denn noch werden die 250.000 Inselbewohner Französisch Polynesiens überwiegend mit fossiler Energie versorgt. Etwa 80 Prozent des Stromverbrauchs entfällt dabei auf die Haupinsel Tahiti. Der Rest verteilt sich auf die 66 weiteren bewohnten Inseln.
Energiewende mit großen Herausforderungen
Eine dieser Inseln ist Moorea. Hier kann man beispielhaft kennenlernen, wie ambitioniert das Ziel Energiewende ist. Zwei Tanklaster überqueren täglich die Passage von den nahegelegenen Ölreservoirs im Hafen der Nachbarinsel Tahiti. Der kanadische Treibstoff versorgt die 18.000 Inselbewohner mit Strom. Erst 2006 hat der Versorger Electricité de Tahiti (EDT) das moderne 16,5 MW-Kraftwerk errichtet. Vollautomatisch werden die fünf Dieselgeneratoren entlang der Nachfragekurve gefahren, wie ein Mitarbeiter der Anlage stolz am Monitor zeigt. Erneuerbare Energien stellen im autarken Inselnetz nur eine minimale Ergänzung dar. EDT hat im letzten Jahr eine Photovoltaikanlage mit 50 Kilowatt auf dem Dach des Kraftwerks in Betrieb genommen. Weitere sieben Installationen wurden, Dank der Förderung aus Paris, auf Privatdächern errichtet. Zusammen produzieren sie etwa zwei Prozent des Strombedarfs. Die Sonnenenergie hilft so immerhin, pro Jahr 14 LKW-Ladungen des klimaschädlichen Diesels einzusparen. Ein Anfang.
Aber wäre nicht mehr drin, anlässlich der hohen Strompreise von umgerechnet 0,27 Euro pro Kilowattstunde? Seit dem Moratorium und der späteren Kappung der französischen Einspeisevergütung, die auch für die Überseegebiete gilt, sind keine neuen Anlagen im Bau. Darüber klagt auch der einzige lokale Händler von Solaranlagen, Moorea Solaire. Er stellt zwar ein PV-Modul aus, verkauft hat er aber noch keines. Die Photovoltaik sei wegen der hohen Investitionen einfach zu teuer. Sein Geschäft macht er mit solarthermischen Anlagen. So oder so bekäme EDT bei einem starken Ausbau Probleme: Mehr als ein Megawatt PV-Kapazität könne das Netz aufgrund der Schwankungen bei der Einspeisung nicht verkraften, verrät der Mitarbeiter. Das An- und Abschalten der Dieselgeneratoren lasse sich nicht so schnell regeln, wenn die Solarstromproduktion wolkenbedingt plötzlich einbräche. Zudem sinke die Effizienz und stiegen die Kosten der fossilen Stromproduktion, wenn die Generatoren nicht mehr unter Volllast gefahren würden.
Wer die Energiewende hier forcieren will, wird Insellösungen bereitstellen müssen, die Speicher und intelligentes Netzmanagement integrieren. Technisch mag das machbar sein. Ganz ohne die visionäre Kraft des „Tahiti-Projektes“ wird es aber vermutlich nicht gehen.
Reiseblog: Energiewende weltweit?
Wenn in Deutschland über die Energiewende gestritten wird, sind es häufig globale Herausforderungen, die als Argumente für den Ausbau der erneuerbaren Energien herangezogen werden. Aber lösen die kollektiven Bedrohungen vom Klimawandel über Fukushima und die Ressourcenknappheit in anderen Ländern einen vergleichbaren energiewirtschaftlichen Schwenk aus? Auf die Suche nach den argumentativen Triebfedern und Blockaden beim weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energien reist Fabian Zuber durch eine Reihe von Ländern rund um den Globus.