„Ein energiepolitisches Kernziel der Regierung Vietnams ist der Ausbau der Erzeugungskapazitäten. Das verwundert wenig“, meint Vietnamexperte Anh-Minh Vu, der deutsche Investoren im Greentech-Bereich berät. „Denn die Regierung rechnet damit, dass die Energienachfrage bis 2025 Jahr für Jahr um 17 bis 20 Prozent wachsen wird.“ Bisher komme etwa ein Drittel des Stroms aus Wasserkraft, der Rest werde fast ausschließlich fossil erzeugt. An der konventionellen Energiewirtschaft halte die Regierung erst mal fest: In Son La nimmt dieses Jahr ein 2400 Megawatt-Wasserkraftwerk seine Arbeit auf. Abkommen zum Bau von Atomkraftwerken hat Vietnam mit Russland und den USA abgeschlossen. „Gleichwohl sollen in den kommenden Jahren an die acht Gigawatt (GW) an erneuerbaren Energien zugebaut werden“ erzählt Vu. Laut dem Power Development Master Plan VII vom Juli 2011 ist vorgesehen, den Anteil der Erneuerbarem bis 2020 von heute 3,5 auf 4,5 Prozent anzuheben.
Windmühlen, wenn der Wind des Wandels weht?
Dass der Löwenanteil des (geringen) Zuwachses im Windbereich erfolgen soll, erstaunt nicht. Eine Weltbank-Studie bescheinigt Vietnam ein Potential von über 500 GW Windenergie. Das deutschen Unternehmen Fuhrländer hat im März 2011 im Binh Thuan-Windpark bereits 30 Anlagen ans Netz gebracht. Jüngst wurde ein Einspeisetarif für Windenergie in Höhe von 7,8 US-Cent eingeführt. „Allerdings steht Vietnam erst ganz am Anfang beim Ausbau Erneuerbarer Energien“, berichtet Werner Kossmann, Leiter eines viel beachteten Windprojekts der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH, „und man kann mit Sicherheit noch nicht von einer Energiewende sprechen.“ Wegen der gedeckelten Strompreise sowie der Subventionen in der konventionellen Erzeugung, seien Windprojekte bisher kaum wirtschaftlich. Hemmnisse für den Ausbau seien zudem „die geringe Planungssicherheit, fehlende vertragliche Richtlinien für den Stromverkauf und langwierige und intransparente Genehmigungsverfahren.“
Bis die sozioökomische Wende Vietnams in eine erneuerbar geprägte Energiewende mündet, wird also noch viel Wind ungenutzt übers Land streichen. Anh-Minh Vu glaubt aber kaum, dass die konservativen Ausbauzahlen bei Erneuerbaren so eingehalten werden können. Er sieht eine große Dynamik und Chancen für Investoren im Energiemarkt, etwa bei Großanwendungen für Inselnetze oder für küstennah ppsitionierte Windprojekte. Auch Kossmann rechnet damit, dass die steigende Abhängigkeit von teurer werdenden Kohleimporten den Druck auf den Ausbau Erneuerbarer Energien erhöhen wird. „In jüngster Vergangenheit hat in Vietnam die strategische Ausrichtung einer Green Growth Policy Einzug gehalten und man darf gespannt sein, ob sich dieser „Slogan“ zu einem neuen politischen Trend entwickelt“, sagt er. Eines ist aber sicher: Eine wirklich erneuerbare Erneuerung lässt in Vietnam vorerst noch auf sich warten.
Reiseblog: Energiewende weltweit?
Wenn in Deutschland über die Energiewende gestritten wird, sind es häufig globale Herausforderungen, die als Argumente für den Ausbau der erneuerbaren Energien herangezogen werden. Aber lösen die kollektiven Bedrohungen vom Klimawandel über Fukushima und die Ressourcenknappheit in anderen Ländern einen vergleichbaren energiewirtschaftlichen Schwenk aus? Auf die Suche nach den argumentativen Triebfedern und Blockaden beim weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energien reist Fabian Zuber durch eine Reihe von Ländern rund um den Globus.