In dieser Reihe stellen wir Ideen und Lösungen für die Energiewende vor.
Es ist ein Pilotprojekt, das zur Region passt. In Mecklenburg-Vorpommern fällt durch den Getreideanbau viel Stroh an – weshalb vor über zehn Jahren in Gülzow die Entscheidung fiel, ein Strohheizwerk zu realisieren. „Für die Energiewende im Bereich der Wärmeversorgung erwarte ich eine Signalwirkung durch den Betrieb dieser Anlage“, sagte 2013 zur Einweihung der damalige und heute noch immer amtierende Landwirtschaftsminister Till Backhaus (SPD). „Stroh als günstigster Biobrennstoff“, so der Minister, stehe „in ausreichendem Maße zur Verfügung“, die Strohheizung sei somit „die richtige Entscheidung für den Standort Gülzow“.
Gülzow-Prüzen liegt im Südwesten des Landkreises Rostock. „Mehrere am Standort befindliche landes- und bundeseigene Gesellschaften sowie die Gemeinde suchten damals nach einer neuen Heizquelle für ihre Liegenschaften“, sagt Projektleiter Andreas Hörichs von der Landgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern (LGMV), die das Werk betreibt. Zusammen mit der ortsansässigen Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe (FNR) entwickelte man daraufhin das Konzept des Strohheizwerks. Die Anlage verfügt über ein etwa 1000 Meter langes Nahwärmenetz und versorgt neben der FNR und der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei Mecklenburg-Vorpommern auch kommunale Gebäude mit Wärme, etwa den Bauhof, den Kindergarten, die Sporthalle und das Feuerwehrhaus.
Stroh aus der Region
Die Gemeinde ist gut 5800 Hektar groß, der größte Teil davon ist Ackerfläche. Lediglich 100 bis 200 Hektar Getreidefelder werden für die Strohheizung benötigt. „Das Stroh kommt aus einem Umkreis von 15 bis 30 Kilometern“, sagt Projektleiter Hörichs. Regionale Landwirtschaftsbetriebe liefern das Weizen- und Roggenstroh an, man nutzt in Gülzow also eine sehr lokale Energiequelle.
615 Tonnen Stroh würden pro Jahr verfeuert, rechnet die Landesgesellschaft Mecklenburg-Vorpommern vor. Jährlich werden die Bezugsverträge erneuert. Ein Drittel der benötigten Menge wird in der Strohlagerhalle bevorratet. Das braucht Platz, denn aufgrund des geringen Masse/Volumen-Verhältnisses und der damit verbundenen geringen Energiedichte ist der Raumbedarf rund 17-fach höher im Vergleich zu fossilen Energieträgern.
Das Stroh wird in Gülzow angeliefert, die größten Ballen können bis zu 2,30 Meter lang sein. Ein Radlader bringt den Brennstoff, ehe ein Ballenauflöser ihn fürs Verheizen fertig macht. Über eine Ansaugleitung wird der Rohstoff dann in den Brenner befördert.
Der Strohheizkessel, ein dänisches Fabrikat, hat eine Wärmeleistung von einem Megawatt und liefert rund 2000 Megawattstunden Wärme pro Jahr, das entspricht dem Energiegehalt von rund 200 000 Litern Heizöl. Etwa drei Kilogramm Stroh ersetzen somit einen Liter Öl. Von jährlich 500 Tonnen CO2-Einsparung durch die Umstellung der Heizung von Öl auf Stroh spricht die Betreibergesellschaft. Zur Absicherung der Wärmeversorgung ist zusätzlich ein Gasheizkessel mit 1200 Kilowatt installiert, sowie ein 30 000 Liter umfassender Wärmepufferspeicher.
Komplizierter Brennstoff
Technisch ist das Heizwerk recht anspruchsvoll, denn das Stroh muss strengen Vorgaben genügen. So muss die Schnittlänge der Halme zwischen zehn und 20 Zentimetern liegen. Das ist wichtig, weil sich der Brennstoff so am einfachsten in die Feuerungsanlage einbringen lässt, zudem verbrennt er in dieser Form am besten.
Nötig für eine Strohfeuerung ist darüber hinaus eine Rauchgasreinigungsanlage, bestehend aus einem sogenannten Zyklon oder Fliehkraftabscheider, der feste Partikel wie etwa Ascheteilchen aus dem Abgas trennt, und einem Gewebefilter. Zumindest die Rückstände aus der letzten Filterung müssen als Abfall entsorgt werden, die Asche aus dem Brennraum kann je nach Inhaltsstoffen wieder auf den Acker ausgebracht werden.
Grundsätzlich ist Stroh als Brennstoff nicht ganz unkompliziert: „Allein schon wegen der bei der Verbrennung entstehenden Säuren aufgrund des Gehalts von Schwefel und Chlor im Stroh muss die Technik sehr robust sein“, erläutert Hörichs. Für eine optimale Verbrennung gebe es weitere Anforderungen: „Das Stroh muss qualitativ sehr hochwertig sein“, sagt Hörichs. Denn nur so lassen sich die Emissionen nach Ansicht des Experten niedrig halten.
Die Qualität wird unter anderem durch den Feuchtegrad bestimmt, der niedrig sein muss. Nur Strohballen mit einem Wassergehalt von weniger als 15 Prozent sollten zum Einsatz kommen, bilanziert die FNR aus ihren Erfahrungen. Das sollte man idealerweise im Brennstoffliefervertrag festlegen, rät die Institution für mögliche Nachfolgeprojekte.
Je höher die Auslastung, desto besser
Auch auf die Reinheit des Strohs kommt es an – es muss frei sein von Beikräutern und Gräsern. Zudem sind die chemischen Inhaltsstoffe eine wichtige Kenngröße; sie werden stark durch die Düngung geprägt. „Wichtig ist ein Kaliumgehalt auf niedrigem Niveau“, sagt Horichs.
Da die Strohqualität in jedem Jahr schwankt – als Naturstoff ist das Stroh in seiner Zusammensetzung stark durch die Witterung in der Vegetationsperiode geprägt –, ist es nötig, regelmäßig Proben des Rohstoffs zu analysieren. Das ist einer der Nachteile, zum Beispiel gegenüber Holzheizanlagen; die Qualität von Holz variiert nicht so stark.
Nach gut zehn Jahren hat die Anlage ihren Betreibern wertvolle Erfahrungen gebracht, die die FNR und die Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei im Jahr 2020 zu einem „Leitfaden Halmgutheizwerke“ verarbeitet haben. Aus ökonomischer Sicht sei wichtig zu beachten, dass sich die Kostenstruktur eines Halmgutheizwerks deutlich von der eines Gasheizwerks unterscheide. Während die Kosten für die Wärmeproduktion bei einem Gasheizwerk maßgeblich vom Brennstoffpreis beeinflusst würden, spielten bei einem Stroh- und Heuheizwerk die Kapitalkosten eine größere Rolle. Daher sei ein Halmgutheizwerk bei einer relativ niedrigen Auslastung von 1700Stunden pro Jahr in der Regel nicht konkurrenzfähig zu einem Gasheizwerk. Bei einer Auslastung von 5000 Stunden habe es dagegen einen Wettbewerbsvorteil.
Technik mit großem Potenzial
Zu den hohen Investitionskosten trage auch die Rauchgasreinigung bei, da die Verbrennung von Halmen aufgrund des hohen Aschegehalts mit hohen Staubemissionen verbunden ist. Die Verwendungsmöglichkeiten für die entstehende Asche reichten von der Nutzung als Dünger über die Beimengung zu Beton und Zement bis hin zum Einsatz als Asphaltmischstoff.
Wie die FNR vorrechnet, gibt es in Deutschland „ein hohes Potenzial von acht bis 13 Millionen Tonnen Stroh, das nicht für die Tierhaltung oder Humusreproduktion benötigt“ wird. Gleichwohl sei der Einsatz von Stroh- und Heu in Heizkraftwerken hierzulande „noch nicht weit verbreitet“, während Stroh etwa in Dänemark schon landesweit energetisch genutzt werde. Dank der Vorarbeiten in unserem Nachbarstaat sei die Technik bereits „vorhanden und erprobt“. Das Projekt Gülzow liefert nun auch aus Deutschland erstmals Daten zum langfristigen Betrieb eines Strohheizwerks.
Dieser Text stammt aus der Ausgabe 07/08/2024 von neue energie.