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Die Solarenergie schafft ihr Etappenziel

Der Photovoltaik-Ausbau ist in Deutschland im Soll, auf dem Weg zur Klimaneutralität sind weiter steile Zuwächse vorgesehen. Dazu braucht es allerdings Entlastung fürs Stromnetz.
Von:  Joachim Wille
02.08.2024 | 5 Min.
Eine Solaranlage auf einem Hausdach in Hamburg
Eine Solaranlage auf einem Hausdach in Hamburg
Foto: Christian Ohde/Chromorange/picture alliance

Die Energiewende nimmt Fahrt auf, besonders bei der Solartechnik. So wurde das von der Bundesregierung für dieses Jahr gesteckte Zwischenziel für die in Deutschland installierte Photovoltaik-Leistung von 88 Gigawatt (GW) inzwischen überschritten. Nach Daten der Bundesnetzagentur von Mitte Juli sind bereits 90,4 GW erreicht. Im vergangenen Jahr lieferten die Anlagen zusammen etwa 62 Terawattstunden Strom und damit rund zwölf Prozent der hierzulande verbrauchten Elektrizität.

Da es 2030 allerdings bereits mehr als doppelt so viel solare Kraftwerksleistung sein soll, nämlich 215 Gigawatt, muss der Zubau noch weiter beschleunigt werden. Der Anteil der Solarenergie am Strommix würde dann bereits 25 Prozent betragen. Im Endausbau sind für ein klimaneutrales Deutschland sogar 400 GW angepeilt.

Eine Auswertung der Daten durch den Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) zeigt, dass die Neu-Installation der Sonnenkraftwerke im ersten Halbjahr 2024 um ein Viertel höher lag als im gleichen Vorjahres-Zeitraum. Hauptgrund ist die starke Verbilligung der Solarmodule, getrieben durch Massenproduktion in China. Es zeigte sich dabei allerdings eine Verschiebung in der Struktur: Das Interesse von Privatleuten, sich eine Photovoltaik-Anlage aufs Eigenheim schrauben zu lassen, wächst nicht mehr so stark wie in den letzten beiden Jahren. Dagegen nahmen die Installationen auf Firmendächern und von Freiflächen-Anlagen deutlich zu. Das Plus lag hier bei jeweils 55 Prozent.

Mehr Firmen wollen in Solaranlagen investieren

In den letzten fünf Jahren war vor allem das Eigenheim-Segment ein Treiber der solaren Elektrifizierung gewesen; hier hat sich die jährlich installierte Solarstrom-Leistung verzehnfacht. In den letzten Quartalen allerdings verzeichnete die Mehrzahl der Installationsbetriebe laut BSW eine eher rückläufige Nachfrage nach Solardächern.

Im ersten Halbjahr 2024 wurden danach im Heimsegment – Leistungsklasse bis 30 Kilowatt Maximalleistung – rund fünf Prozent weniger Inbetriebnahmen registriert als in der gleichen Periode 2023. Von Januar bis Juli 2024 erfolgte der Leistungszuwachs allerdings immer noch zu rund 40 Prozent im Heimbereich, Freiflächen steuerten 37 Prozent bei, Gewerbedächer 21 Prozent und Steckersolar-Geräte („Balkon-Anlagen“) drei Prozent.

Der Solarverband berichtet, dass die Investitionsbereitschaft zuletzt besonders bei Unternehmen, die ihre Firmendächer „solarisieren“ wollen, stark gestiegen sei. Allerdings sei die Bereitschaft, selbst Strom zu produzieren, auch bei Privathaushalten weiterhin grundsätzlich hoch. Der BSW verweist auf eine Umfrage von Ende Mai, wonach von den Eigenheimbesitzerinnen, die über geeignete Dächer, aber noch keine Solaranlage verfügen, mehr als jeder zweite an einer Installation interessiert ist. Bei den Unternehmen ist das Interesse ähnlich hoch.

Großes Potential auf deutschen Dächern

Die Installation von Solaranlagen auf Dächern ist vor allem aus zwei Gründen positiv zu werten. Einerseits werden keine Naturflächen dafür „verbraucht“, andererseits sind die Wege zu den Stromnutzern kurz, anders als bei Anlagen auf der grünen Wiese. Die Potenziale dafür sind riesig, wie eine Analyse des Thinktanks Agora Energiewende 2023 zeigte. Auf den mehr als 4000 Quadratkilometern technisch geeigneter Dachfläche könnten rund 400 Gigawatt Solarkraftwerke installiert werden, was dem kompletten Endausbau-Ziel der Bundesregierung entspricht.

Dabei spielen große Gebäude mit einer Dachfläche von über 500 Quadratmetern eine besondere Rolle. Auf diesen Häusern, die rund sechs Prozent der Gebäude ausmachen, lässt sich laut der Agora-Analyse theoretisch ein Viertel des Gesamtpotenzials von Dachflächen-Photovoltaik realisieren. Hier geht es vor allem um Produktionshallen, Gebäude im Einzelhandel- und Gewerbebereich sowie um Wohngebäude.

Die Stromausbeute mit modernen Solarmodulen ist dabei höher als viele glauben. So reicht eine 70 Quadratmeter große Photovoltaik-Anlage laut BSW rechnerisch aus, um den gesamten Strombedarf eines vierköpfigen Haushalts inklusive 20.000 Kilometer Fahrleistung für ein Elektroauto und den Strombedarf für eine Wärmepumpe zu decken. Vielen Bürgern ist das nicht bekannt. So konnten in einer von dem Verband in Auftrag gegebenen Umfrage nur sieben Prozent der Befragten die Stromausbeute in etwa richtig abschätzen, 93 Prozent lagen darunter oder konnten keine Einschätzung abgeben.

Davon unbenommen halten 77 Prozent den weiteren Ausbau der Solarenergie für wichtig oder sogar außerordentlich wichtig, so die Umfrage unter 2132 repräsentativ ausgewählten Deutschen. „Die solare Fehleinschätzung sollten wir ausräumen, um die Investitionsbereitschaft in die klimafreundliche und preiswerte Energiequelle weiter zu erhöhen“, kommentierte BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig die Umfrageergebnisse.

Heimspeicher laden zum falschen Zeitpunkt

Ein Problem allerdings muss mit Blick auf die hohen Ausbauziele noch besser gelöst werden: Das Stromsystem auf die fluktuierende Solareinspeisung auszurichten. Kleinere Solaranlagen, wie sie auf Einfamilienhäusern zu finden sind, lassen sich meist nicht steuern und speisen an sonnigen Tagen besonders um die Mittagszeit mehr Elektrizität ein, als verbraucht wird. Die Folge: An der Strombörse kommt es zu negativen Preisen. Abnehmer bekommen sogar noch Geld dazu, wenn sie die überschüssige Elektrizität nutzen.

Strommarkt-Fachleute von der privaten Berliner Hochschule „Hertie School“ haben deswegen vorgeschlagen, die inzwischen bei vielen Eigenheim-Solaranlagen mit verbauten Stromspeicher anders als bisher zu betreiben. Derzeit verschärfen sie das Problem sogar, weil die Batterien an sonnigen Tagen meist bereits mittags voll sind und die Solaranlagen gerade dann wieder voll ins Netz einspeisen, wenn Netz und Markt schon vor Strom überquellen. Aus dem Blickwinkel der Netzbetreiber sei das eher noch schlimmer als ein Betrieb ohne Speicher, meint Hertie-School-Volkswirt Lion Hirth, der das Problem in einer Studie zusammen mit zwei Kollegen analysiert hat.

Sinnvoller wäre es laut Hirth und Co, den Speicherbetrieb an den Bedürfnissen des Stromsystems auszurichten. Das heißt: Aufladen, wenn zu viel Elektrizität im Netz ist – egal, ob durch Solar- oder Windenergie, gegebenenfalls durch Wind auch nachts –, und entladen, wenn hohe Nachfrage besteht. Das Problem dabei ist, dass die Akkus bisher nicht erkennen können, wann ein Aufladen netzdienlich ist. Das ließe sich allerdings ändern, wenn sie mit intelligenten Stromzählern („Smart MeterDigitale Stromzähler, die regelmäßig Daten zum Verbrauch und – falls vorhanden – zur Erzeugung erfassen und auch an Netzbetreiber versenden.Digitale Stromzähler, die regelmäßig Daten zum Verbrauch und – falls vorhanden – zur Erzeugung erfassen und auch an Netzbetreiber versenden.“) gekoppelt werden. Und diese werden hierzulande sukzessiv eingeführt, bis 2032 sollen alle Haushalte damit ausgestattet ein.

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