Schnellzüge rasen mit 300 km/h und funktionierender Klimaanlage durchs Land. Elektrotaxis und kostenlose Fahrräder entlasten mancherorts den Stadtverkehr. Zwischen Peking und Kunming surren zig Millionen Elektroroller durch die Straßen, als hätte die zweirädrige Fortbewegung den Verbrennungsmotor nie gekannt. Und auch auf dem Energiemarkt macht die Volksrepublik der Welt in vielerlei Hinsicht vor, wie die ökologische Moderne gestaltet werden kann.
Zwar ist China mit seinen 1,34 Mrd. Einwohnern und über 700 Gigawatt (GW) an Kohlekraftwerkskapazität weltweit der größte CO2-Emmittent. Und auch fast jedes zweite neu geplante Atomkraftwerk wird derzeit hier errichtet. Aber in Hinblick auf die erneuerbare Energiewende hat China im Weltmaßstab ebenfalls zahlreiche Superlative zu bieten, wie etwa der aktuelle Report der China Greentech Initiative auflistet: 80 Prozent der weltweit installierten solaren Warmwasseranlagen stehen in China. Mit 55 GW kleiner Wasserkraft ist das Land Weltspitze und es beheimatet den weltgrößten Windmarkt. 2011 kamen zudem sechs der zehn größten Solar- und drei der zehn größten Windunternehmen aus dem Reich der Mitte. Die meisten Solarmodule und Windturbinen werden schon heute hier produziert.
„Die chinesische Energiewende kann man nicht allein am Anteil der Erneuerbaren am Energiemix abmessen. Dafür wachsen – aufgrund der jährlich um etwa zehn Prozent steigenden Energienachfrage – auch konventionelle Kapazitäten noch zu stark“ sagt Maximilian Mayer vom Center for Global Studies (CGS) an der Universität Bonn. „Betrachtet man aber die absoluten Investitionen, die aufgebauten Produktionskapazitäten sowie die dahinterstehende strategische Positionierung, so präsentiert sich China im internationalen Vergleich als Vorreiter. Die Volksrepublik leistet einen wesentlichen Beitrag, die Erneuerbaren Energien weltweit nutzbar zu machen“ so Mayer.
Strategische Innovationspolitik
Die politischen Ziele deuten auf eine Fortführung dieser Entwicklung hin. Entsprechend des aktuellen 12. Fünfjahresplans sollen etwa die heimische Windenergieleistung von heute 44 GW bis 2015 auf 100 GW und die Photovoltaikkapazität auf mindestens 15 GW erhöht werden. Bis 2015 sollen dann 11,4 Prozent der Primärenergie aus nicht-fossilen Quellen stammen. Verbraucherschützer Holger Krawinkel lobte im Tagesspiegel jüngst die Fünfjahrespläne als „integriertes Planungsgerüst“ und als „Anschauungsunterricht, wie man den Ausbau der Erneuerbaren Energien erfolgreich voranbringen kann.“ Und auch Maximilian Mayer urteilt: „Vorausschauende, strategische Innovationspolitik zeichnet China gegenüber Staaten wie Deutschland aus.“ Nach den zentralen politischen Handlungsmotiven für den Einstieg ins regenerative Zeitalter gefragt, muss der Chinaexperte Mayer kurz zögern. „Energiesicherheit, Unabhängigkeit, Umweltschutz und wirtschaftliche Exportinteressen spielen allesamt eine elementare Rolle“, sagt er schließlich.
Vermutlich ist es gerade dieser Mix an strategischen Interessen, der den chinesischen Antrieb für die Energiewende am Laufen halten wird. Technisch wird dieser Motor in Anbetracht von über 70 Prozent Kohlestrom aber leider noch lange Zeit fossil betrieben. Die weltweite Energiewende steht eben erst ganz am Anfang.
Reiseblog: Energiewende weltweit?
Wenn in Deutschland über die Energiewende gestritten wird, sind es häufig globale Herausforderungen, die als Argumente für den Ausbau der erneuerbaren Energien herangezogen werden. Aber lösen die kollektiven Bedrohungen vom Klimawandel über Fukushima und die Ressourcenknappheit in anderen Ländern einen vergleichbaren energiewirtschaftlichen Schwenk aus? Auf die Suche nach den argumentativen Triebfedern und Blockaden beim weltweiten Ausbau der erneuerbaren Energien reist Fabian Zuber durch eine Reihe von Ländern rund um den Globus.