Deutschlandweit werden derzeit Bescheide über die neu berechnete Grundsteuer B verschickt. Hausbesitzer und Mieter können davon ausgehen, dass sie mehr Grundsteuer als bisher zahlen müssen. In Jardelund, Hörup und Weesby ist das anders: Die drei Gemeinden an der dänischen Grenze haben die Grundsteuer B faktisch abgeschafft, indem sie den Hebesatz auf 0 Prozent gesenkt haben. Der Grund: Jardelund, Weesby und Hörup brauchen das Geld nicht. Windparks vor der Haustür sorgen dort für mehr als ausreichende Einnahmen durch die Gewerbesteuer.
Das lässt andere Kommunen aufhorchen: Könnten die drei Gemeinden in Schleswig-Holstein als Vorbild dienen? Etwa um Diskussionen über geplante Windparks einen Spin zu geben? Im Sinne von: „Du profitierst persönlich von jedem neuen Windrad, das sich hier dreht“?
Der allgemeine und der persönliche Vorteil
Windenergie ist als Energiequelle unerschöpflich. Es fallen keine schädlichen Emissionen während des Betriebs an. Und sie ermöglicht den Abschied von fossilen Ressourcen wie Kohle, Gas und Öl. Alles gute Argumente, doch nicht immer und überall überzeugen sie. Die Vorteile wirken eher abstrakt: Der konkrete Nutzen für die Menschen, die tagtäglich auf Windräder schauen, wird nicht recht sichtbar. Die reduzierte Grundsteuer soll das ändern.
Allein, hoch im Norden ist dieser finanzielle Anreiz gar nicht erforderlich. Windräder fanden die Leute dort schon immer gut. Seit sich dazu noch das Steuerrecht änderte und der Standort der Anlagen wichtiger wurde als der Geschäftssitz des Betreibers, fließt das Gros der Gewerbesteuer in die Kassen der Kommunen, auf deren Feldern sich die Windräder drehen. So auch in Jardelund, Weesby und Hörup.
Einen sechsstelligen Betrag an Gewerbesteuer verbucht allein Jardelund, „während unsere Einnahmen durch die Grundsteuer B bei rund 30 000 Euro lagen“, sagt Bürgermeister Stefan Kunz. Im benachbarten Hörup kamen die Gemeindevertreter zuerst auf die Idee, den Hebesatz für die Grundsteuer B auf 0 Prozent zu senken. Die Idee fanden sie in Weesby und Jardelund so gut, dass sie umgehend nachgezogen haben. Die Kommunalaufsicht hatte keine Einwände. „Schließlich haben wir nicht auf Einnahmen verzichtet, sondern durch einen leicht angepassten Hebesatz für die Gewerbesteuer höhere Einnahmen erzielt“, sagt Bürgermeister Kunz. „Das eine hat das andere ausgeglichen.“
Jardelunds Bürgermeister kann gut begründen, warum die Grundsteuer gesenkt wurde: Der Verzicht soll ein Ausgleich dafür sein, dass die Häuser durch die Windparks womöglich an Wert verloren haben. „Vielleicht ist es schwieriger, einen Käufer zu finden, weil sich der eine oder andere Interessent an den Windkraftanlagen oder an Schwinggeräuschen stört“, sagt Bürgermeister Kunz. Auch wenn die Windräder von Jardelund aus kaum zu sehen sind.
Gewerbesteuer statt Grundsteuer
Die Wechselwirkung zwischen Gewerbesteuer und Grundsteuer ist auch andernorts zu beobachten, etwa im hessischen Heidenrod. Die Taunus-Gemeinde steckte vor einigen Jahren tief in den roten Zahlen. Einnahmen von jährlich 12 Millionen Euro standen Ausgaben von 15 Millionen Euro gegenüber. Und dann musste noch ein neues Klärwerk gebaut werden. Damals entstand die Idee für den Windpark Heidenrod. „Wir haben sehr deutlich und transparent kommuniziert, dass der Windpark die Gemeindefinanzen verbessert“, sagt Bürgermeister Volker Diefenbach. Die Botschaft kam an: 88,3 Prozent der Heidenroder stimmten für den Windpark.
Heute gehört der Windpark fast zur Hälfte der Gemeinde. Die Einnahmen durch Gewerbesteuer, Pacht und Unternehmensbeteiligung betragen rund 1,2 Millionen Euro. „Ohne den Windpark hätten wir damals den Hebesatz für die Grundsteuer B von 390 Prozent verdoppeln müssen“, erinnert sich Bürgermeister Diefenbach. „Stattdessen konnten wir den Hebesatz auf 365 Prozent senken – das war der Mindesthebesatz für Hessen.“ Nach der Grundsteuerreform hat Heidenrod den Hebesatz nochmals gesenkt, auf 250 Prozent.
Welche finanziellen Anreize verfangen
Auf die Idee mit der reduzierten Grundsteuer sind die Gemeinden in Hessen und Schleswig-Holstein allerdings erst gekommen, als die Windräder sich schon drehten. Geht es auch umgekehrt: den persönlichen Gewinn als Argument nutzen, bevor die Entscheidung über den Bau fällt?
„Grundsätzlich stimmen wir der These zu, dass Beteiligungen jedweder Form die Akzeptanz in der Bevölkerung erhöhen können“, heißt es dazu diplomatisch von Alterric. Das ostfriesische Unternehmen baut Windparks und berät Kommunen im Vorfeld. Auch Windparkentwickler und -betreiber wpd bestätigt, dass finanzielle Anreize die Zustimmung der Bevölkerung erhöhen. „Die Erfahrungen vieler Kommunen mit Gewerbesteuern aus Windparks sind allerdings gemischt, diese Erfahrungen haben die Erwartungen vielerorts gedämpft“, sagt wpd-Manager Sebastian Grosch.
Die drei Gemeinden im Norden Schleswig-Holsteins seien ein Sonderfall, sagt auch Jardelunds Bürgermeister Stefan Kunz: „Wir haben bei uns viel Fläche mit wenig Bebauung – so häufig gibt es das nicht in Deutschland.“ Er wundert sich daher überhaupt nicht, dass sich aus anderen Kommunen noch niemand bei ihm gemeldet hat.
Zumal es Alternativen gibt. So hält wpd-Manager Grosch es für zielführender, wenn Kommunen ihre Kassen über Paragraf 6 des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG 2023) füllen. Darin ist die finanzielle Beteiligung von Kommunen an den Erlösen von Windkraft und Freiflächen-Photovoltaik geregelt. Das Prinzip: Eine entsprechende Vereinbarung vorausgesetzt, stehen Kommunen bis zu 0,2 Cent je Kilowattstunde vom Erlös einer Anlage zu. Eingeführt wurde die Regelung, um eine Beteiligung an den Erlösen gesetzlich zu erlauben. „Paragraf 6 des EEG erzeugt verlässliche Einnahmen für die Kommunen“, sagt Grosch, „und das vom ersten Jahr an.“ Ob sie die Grundsteuer dann senken wollen, können die Kommunen anschließend immer noch entscheiden.