Seit dem 1. Januar müssen Autofahrer einen CO2-Preis zahlen, sieben Cent pro Liter bei Benzin, acht Cent bei Diesel. Auch bei Heizöl und Erdgas gibt es einen entsprechenden Aufschlag. Zudem stieg die Mehrwertsteuer wieder auf 19 Prozent. Trotzdem ist zum Beispiel das Tanken heute billiger als vor einem Jahr, unter anderem wegen des Corona-Einbruchs beim Spritabsatz. Die aktuelle CO2-Bepreisung alleine wird daher kaum jemanden zu sparsamerem Fahren oder zum Umstieg auf ein Elektroauto bringen.
Eine neue Untersuchung zeigt denn auch, dass die Lenkungswirkung der bisher in verschiedenen Ländern und Regionen eingeführten „Kohlenstoffpreissysteme“ nicht so stark ist wie erhofft. Sie hätten zwar teilweise zu einem sinkenden CO2-Ausstoß geführt, fanden Forscher des Potsdamer Nachhaltigkeitsinstituts IASS und der ETH Zürich heraus. Ein durchgreifender technologischer Wandel aber sei von ihnen alleine nicht ausgelöst worden. Ohne eine Förderung klimafreundlicher Technologien, zum Beispiel im Verkehrssektor ein besseres Ladenetz für E-Autos, komme der Umstieg nicht schnell genug. Dafür seien „erhebliche Investitionen erforderlich“.
Die CO2-Bepreisung kann entweder durch einen Emissionshandel erfolgen oder durch CO2-Steuern. Vorreiter für den CO2-Handel war die EU, die ihn für Kraftwerke und Industrieanlagen 2005 einführte. Kohlenstoff-Steuern erheben Staaten wie Finnland, Schweden, die Schweiz, aber zum Beispiel auch ein Entwicklungsland wie Chile. Die Wissenschaftler untersuchten für ihren Überblick nun Studien zu den Wirkungen der CO2-Preise in der EU, Neuseeland, der kanadischen Provinz British Columbia und den nordischen Ländern.
Förderprogramme als wirksamer Hebel
Die Experten stellten zum Teil durchaus beachtliche Rückgänge beim CO2-Ausstoß fest. Allerdings sei das nicht durch Investitionen in CO2-freie Technologien erreicht worden, sondern durch einen Wechsel auf etwas weniger klimaschädliche fossile Energien. „Für die angestrebte Klimaneutralität ist ein Umstieg von Benzin auf Diesel oder von Kohle- auf Gasstrom aber praktisch irrelevant“, kommentierte IASS-Experte Johan Lilliestam. Um netto null Emissionen zu erreichen, seien viel radikalere Veränderungen nötig.
Oftmals wird ein zu niedriger CO2-Preis als Hauptursache für die geringe Lenkungswirkung gesehen. Im EU-Emissionshandel zum Beispiel kostete die Tonne CO2 lange weniger als zehn Euro, was kaum Anreize zum Energiesparen oder zur Umstellung auf Öko-Energien erzeugte. Das Dumping-Niveau reiche zur Erklärung aber nicht aus, meinen Lilliestam und seine Co-Autoren. Sogar in den nordischen Ländern mit ihren verhältnismäßig hohen CO2-Preisen – in Schweden zum Beispiel derzeit 115 Euro pro Tonne – sei die Lenkungswirkung des CO2-Preises in Richtung Technologiewandel nicht vorhanden.
Tatsächlich ist die Energiewende laut der Studie meist durch andere Politikmaßnahmen in Schwung gebracht worden – vor allem durch Förderprogramme für Öko-Energien. Diese hätten Investoren stärkere Anreize gegeben als der gleichzeitig umgesetzte CO2-Preis. Als weiteres Problem identifizierten die Forscher, dass die Preise für fossile Energien oft stärker schwankten als der Aufschlag, der durch den CO2-Obolus entsteht. „Diese Schwankungen, zum Beispiel des Benzinpreises, überschatten damit die Lenkungswirkung der CO2-Steuer“, so Lilliestam und Co.
Keine Absage an CO2-Preis
Trotzdem glauben die Experten, dass die CO2-Bepreisung Sinn macht – zwar nicht als zentrales Instrument, aber als Teil eines breiten Maßnahmenpakets. Sie könne einerseits genutzt werden, um Einnahmen für die nötigen Fördermaßnahmen zu erzielen. Andererseits könne sie in Sektoren wie der Kohleverstromung dazu beitragen, so Lilliestam, „dass die CO2-intensivsten Technologien endgültig ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren, wenn eine alternative Technologie bereit steht“. Tatsächlich hat der zuletzt deutlich angestiegene CO2-Preis im EU-Emissionshandel mit dazu geführt, dass der Anteil des Kohlestroms in Deutschland 2019 und 2020 stark gesunken ist.
Wissenschaftler des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC und des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung haben unterdessen Vorschläge gemacht, wie eine CO2-Bepreisung optimiert werden könnte. Sie schlagen eine „Europäische Kohlenstoff-Bank“ vor, die eine verlässliche Feinsteuerung beim CO2-Preis übernehmen soll - ähnlich wie sich die EZB unabhängig von Wahlterminen um Geldmenge und Inflationsschutz kümmert. Wichtig sei es auch, soziale Schieflagen durch den CO2-Aufschlag zu vermeiden. Dies lasse sich durch eine entsprechende Verwendung der Einnahmen vermeiden. Das deutsche Klimapaket zum Beispiel enthalte eine Senkung des Strompreises, die Ärmere überproportional entlastet.
Und um das Vertrauen in die Klimapolitik zu stützen, „Kernvoraussetzung für Erfolg“, brauche es neue Formate für einen „gemeinsamen Lernprozess von Wissenschaft, Politik und Bevölkerung“, meinen die Forschenden. In Deutschland sei ein solcher Prozess im Jahr 2020 durch das Energiewende-Projekt „Ariadne“ angestoßen worden.