Es ist selten ein gutes Zeichen für die Angestellten, wenn Unternehmensberater bei einer Firma zu Besuch sind: Meist müssen manche von ihnen sich danach einen neuen Job suchen. So ist es jetzt auch bei Juwi geschehen, einem der größten deutschen Projektentwickler für erneuerbare Energien. Von bis zu 400 Mitarbeitern will sich die international tätige Firma mit Sitz im rheinland-pfälzischen Wörrstadt trennen, etwa 250 davon in Deutschland. Für die Betroffenen soll eine Transfergesellschaft gegründet werden. Das verkündete Juwi am 1. Juli in einer Erklärung, nachdem die Angestellten am Stammsitz auf einer Vollversammlung über die Pläne informiert worden waren. Insgesamt arbeiten bei Juwi bisher etwa 1500 Menschen.
„Wir wissen, dass wir mit diesen Maßnahmen eine Zäsur in der bisherigen Firmengeschichte herbeiführen“, lassen sich die beiden Eigentümer Matthias Willenbacher und Fred Jung in der Mitteilung zitieren. „Wir sehen aber keine Alternative zu diesen gravierenden und für viele Mitarbeiter und Freunde des Unternehmens schmerzhaften Maßnahmen, wenn wir unsere Zukunft sichern wollen.“ Neben dem Stellenabbau kündigten sie die Reduzierung von Aktivitäten im Ausland sowie die Ausgliederung von Geschäftsfeldern an, die nicht zum Kernbereich der Projektentwicklung gehörten. Dazu zählen etwa Türme für Windkraftanlagen und der eigene Stromvertrieb.
Investor gesucht
Zudem suche man nach einem Finanzinvestor, der die Eigenkapitalquote erhöhen soll. Im Januar war bereits die Gothaer Versicherung mit 150 Millionen Euro als „strategischer Partner“ bei Juwi eingestiegen. Die Firmengründer Jung und Willenbacher nannten als Grund für den Sparkurs in erster Linie das aktuelle politische Umfeld. So würden etwa die jüngsten Beschlüsse zum deutschen Erneuerbare-Energien-Gesetz den Ausbau bremsen. Juwi hat zu etwa gleichen Teilen Windkraft- und Solarprojekte umgesetzt, 2013 sei der Umsatz mit rund 710 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr aufgrund der Krise im deutschen Solarmarkt um knapp 30 Prozent eingebrochen.
Auf Nachfrage sagte ein Firmensprecher, von 400 Millionen Euro 2012 sei der Umsatz mit Solar-Freiflächenanlagen in Deutschland 2013 auf null gefallen. Möglicherweise sei das Unternehmen zu schnell gewachsen, zudem hätte im Nachhinein der bereits im vergangenen Jahr angekündigte Fokus auf das Kerngeschäft konsequenter ausfallen müssen. Juwi hat schon eine Weile mit Problemen zu kämpfen. In den vergangenen beiden Jahren wurden bereits etwa 300 Stellen gestrichen. 2012 betrug der Gewinn laut des letzten verfügbaren Geschäftsberichts bei einem Umsatz von etwa einer Milliarde noch 4,9 Millionen Euro, nach 12,6 Millionen im Vorjahr. Zudem wurde die vorgesehene Eigenkapitalquote von 20 Prozent verfehlt. Für 2013 gibt Juwi ein „leicht positives operatives Ergebnis“ an, genaue Gewinnzahlen muss die Aktiengesellschaft in Privatbesitz nicht veröffentlichen.
Mitte 2013 hatte Juwi mit einem Bankenkonsortium unter Führung der Deutschen Bank einen Kreditvertrag über 252 Millionen Euro abgeschlossen. Die Prüfung durch Roland Berger seit Ende April sollte laut Juwi das Kostensenkungskonzept für die Banken mit externem Sachverstand unterfüttern. Bei der Vorstellung des Geschäftsberichts für 2012 hatte der damals neue Finanzvorstand Martin Winter noch von einem stabilen Wachstum auf 1,5 Milliarden Euro Umsatz bis 2015 gesprochen. Nun verlässt Winter den Vorstand zum 30. Juni, ebenso wie der geschäftsführende Vorstand Jochen Magerfleisch. Beide gehen laut Juwi im Einvernehmen, Winter bleibt zunächst in beratender Funktion tätig. Magerfleisch wird ersetzt durch Stephan Hansen, der bisher die internationale Sparte von Juwi leitete und jetzt zu Jung und Willenbacher stößt.
Neu im Vorstand: ein „Chief Restructuring Officer“
Die interessantere Personalie ist aber das vierte, ebenfalls neue Vorstandsmitglied: Der künftige Finanzvorstand Stefan Gros wird zugleich „Chief Restructuring Officer“. Gros wirbt auf seiner Internetseite mit der erfolgreichen Umstrukturierung angeschlagener Unternehmen, unter anderem war er in der Vergangenheit beim zeitweise insolventen Solarunternehmen Centrotherm beschäftigt. Er soll nun die nötigen Anpassungen umsetzen.
Anlass zum Optimismus sieht die Juwi-Führung in der Projektpipeline: In Deutschland würden im Laufe des Jahres 200 bis 300 Megawatt Windkraft, im außereuropäischen Ausland etwa 200 Megawatt Solarleistung fertiggestellt. Seit der Gründung 1996 hat Juwi nach eigener Aussage mit einem Investitionsvolumen von knapp sechs Milliarden Euro Windkraft- und Photovoltaikanlagen mit insgesamt circa 3000 Megawatt Leistung installiert.