„Die Arbeit ist ein Ponyhof“ – so titelte 2024 die Schwäbische Zeitung und betrachtet dann die Illoyalität der Gen Z. Wagen wir ein Experiment: Fragen wir eine Kollegin oder einen Kollegen, die länger als 15 Jahre im Unternehmen sind, ob das der ursprüngliche Plan war, hören wir wahrscheinlich Antworten wie: „Es gab immer wieder ein spannendes Projekt“ oder „Es waren die Menschen, die mich hier gehalten haben“ oder „Mit jeder Beförderung hatte ich neue fachliche Aufgaben.“ Herausforderungen und ein gutes Umfeld waren also wichtiger als die ursprüngliche Wechselwilligkeit. Könnte dies auch für die Gen Z gelten?
Laut dem Statistik-Portal Statista leben in Deutschland circa zwölf Millionen Menschen, die zwischen 1996 und 2009 geboren sind – etwa 14 Prozent der Bevölkerung. Sie alle über einen Kamm zu scheren, wird ihrer Individualität nicht gerecht.
Prägung und Kontext von Gen X bis Gen Z
Betrachtet man die Arbeitsgenerationen, die aktuell aufeinandertreffen, so muss man verstehen, was sie geprägt hat auf dem Weg ins Berufsleben: Während Gen X (circa 1961 bis 1979) sehr bewusst den Fall der Mauer und den Ausbruch von Aids erlebt hat, sich vielleicht sogar noch an autofreie Sonntage erinnert und die Meinung weit verbreitet war, dass Effizienz und Prozesse in hierarchisch geführten Organisationen zu großen Erfolgen geführt haben, hatte die Gen Y (circa 1980–1995), oft auch „Millennials“ genannt, andere formende Erlebnisse. So zum Beispiel die Startup-Kultur des 2000er-Jahrzehnts, die Finanzkrise von 2008, den regelrechten Boom von Suchmaschinen und sozialen Medien – hier konnte man in Unternehmen nur erfolgreich sein, wenn man kontinuierlich lernte, unerschüttert blieb, bei häufigen Standard-Änderungen. Gen Z (circa 1996 bis 2009) sind die ersten „digital natives“, Technologie ist in allen Lebensbereichen integriert. Geprägt durch Black-Lives-Matter- sowie Fridays-for-Future-Movements, wurden sie während einer globalen Pandemie erwachsen, es ist die Norm, permanent alles neu zu denken. Mentale Gesundheit sowie emotionale Intelligenz sind in ihrer Generation entstigmatisiert und so normal wie das neue iPhone.
Gen Z: „Weiter so“ gibt es nicht
Sie haben miterlebt, wie die Generationen vor ihnen arbeiteten, haben mitverfolgt – als Sohn/Tochter/Neffe/Nichte, was „Work-Life-Balance“ oder „Beförderung“ (= Mehrarbeit) bedeutete, und haben verstanden, dass ihre Arbeitsgeneration deutlich kleiner ist als die davor – somit lastet die Verantwortung auf ihren Schultern schwer. Die Gen Z hat begriffen: Sie hat eine gute Verhandlungsposition. Deshalb hat sie sehr klare Vorstellungen davon, was in ihrem Berufsleben für sie akzeptabel ist und was nicht. Starre Arbeitszeiten und hierarchische Führungsmodelle schrecken sie ab. Dank Covid und sehr präsenten Burn-out-Fällen im unmittelbaren Umfeld wissen sie um den Erhalt ihrer (mentalen) Gesundheit und sind nicht bereit, um jeden Preis einen Job anzunehmen. Sie haben die Wahl – ein Privileg, das viele in den Generationen vor ihnen nicht hatten.
Aber mit diesem Privileg kommt auch Verantwortung daher, und auch das schultert die Generation Z. Sie fordern, was die Generationen vor ihnen sich vielleicht erträumt, aber niemals gewagt hätten zu äußern – krisensicher war niemand und in hierarchisch geführten Organisationen wurde nicht aufgemuckt. Aber mehr Flexibilität in der eigenen Arbeitszeit? Vielleicht sogar weniger arbeiten – und sich einsetzen für etwas Sinnvolles, neudeutsch Purpose? Die Vier-Tage-Woche – würden hier nicht generationsübergreifend viele Menschen profitieren? Menschen, die ihre Angehörigen pflegen müssen, Menschen, die mit ihrer jungen Familie versuchen, zwischen Kita und Streptokokken-Wahnsinn das Projektbudget sinnvoll auszusteuern?
Arbeitsmoral und gesellschaftlicher Anspruch
Laut Statista ist die Gen Z nicht arbeitsscheu. In ihren Umfragen finden sich in allen Arbeitsgenerationen ähnlich viele Menschen, die vollkommen in ihrem Beruf aufgehen. Statista attestiert der Gen Z sogar eine größere berufliche Ambition: „Eine erfolgreiche Karriere verfolgen“, nennt die Gen Z deutlich häufiger als ältere Generationen. Der elementare Unterschied: „Dabei verliert die Generation Z jedoch nicht ihre eigene Gesundheit sowie die gesellschaftliche und soziale Verantwortung ihres Unternehmens aus den Augen.“ Sobald man das verstanden hat, ist auch klar, wer die attraktiven Arbeitgeber sind für die Gen Z: Unternehmen, die für Innovation stehen, die gleichzeitig eine Perspektive bieten und Raum für kontinuierliches Lernen und berufliches Fortkommen – ein konkurrenzfähiges Gehalt wird schlichtweg vorausgesetzt. Wer weiterhin auf starres Arbeiten von 9 bis 17 Uhr setzen will und eine permanente Präsenzkultur, wird hier auf Dauer das Nachsehen haben.
Kommunikation und Führung
Somit schließt sich auch der Kreis, wie Führung gelingen kann in solch einem Arbeitsumfeld – ähnlich wie in einem Mehrgenerationenhaus: Kommunikation und Verständnis sind der Schlüssel. Wer wie die Gen Z mit Instagram ab der 8. Klasse in Berührung kam, kennt auch sofortiges Feedback einer sehr aktiven Community. Somit kann sie auch gut auf verklausulierte „Jahresgespräche“ verzichten. Stattdessen fordert sie direktes und konstruktives Feedback ein. Somit empfiehlt es sich für die Teamleitung, offen, häufig, prägnant und transparent Rückmeldung zu geben, denn die Gen Z hat Interesse am Lernen und möchte sich beruflich entwickeln.
Was heißt in dem Fall prägnant und konstruktiv? Die Kohorte, die in den späten 90er Jahren geboren wurde, kennt sich nicht nur mit Themen wie sozialer Ungerechtigkeit und globaler Erwärmung aus, sondern auch mit schnelllebiger Kommunikation:
- „Die große Potenzialverschwendung: Der Fachkräftemangel und die verborgenen Chancen für Menschen, Unternehmen und die Gesellschaft” von Cawa Younosi, Haufe, 2024
- „Work Reloaded: Führungskräfte im Vorstellungsgespräch” von Ronja Ebeling, Eden Books, 2023
- „Trust me. Warum Vertrauen die Zukunft der Arbeit ist: Wie wir eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Unternehmen fördern, Mitarbeiter stärken und New Leadership umsetzen” von Karin Lausch, Haufe, 2023
- „Generation Z – Ganz anders als gedacht: Wie sie tickt, wie sie handelt und wie wir ihr Potenzial erschließen” von Felix Behm, BusinessVillage, 2024
Motivation und Engagement werden folgen, wenn sie sich eingebunden fühlen und Sinnhaftigkeit (Purpose) in ihrer Tätigkeit empfinden. Wichtig ist daher, sich Zeit fürs aktive Zuhören zu nehmen. Autonomie und Flexibilität sind nicht verhandelbar, es geht darum, dass ihre Ideen Gehör finden und zumindest auf Augenhöhe diskutiert werden. Wer das verstanden hat und ein Team zusammenstellt, in dem alle Generationen Gehör finden, hat gewonnen.
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