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Vom Dachdecker zum Solarmonteur

Für eine erfolgreiche Energiewende braucht es mehr Fachkräfte – und die müssen besser fortgebildet werden: Eine Studie hat untersucht, wie weit sich die neuen Anforderungen von klassischen Jobprofilen unterscheiden.
Von:  Joachim Wille
14.08.2024 | 4 Min.
Montage von Solarmodulen auf dem Dach eines Gewerbebetriebs in NRW
Montage von Solarmodulen auf dem Dach eines Gewerbebetriebs in NRW
Foto: Jochen Tack/picture alliance

Die Energiewende ist ein Jobmotor. Allein im Bereich erneuerbare Energien, also Solar, Wind und Co, arbeiten in Deutschland laut Umweltbundesamt heute fast 400.000 Menschen, fast viermal mehr als im Jahr 2000. Doch gerade hier entwickelt sich ein zunehmender Fachkräfte-Mangel, der die Ziele des Klima-Umbaus gefährdet. Zudem müssen die Beschäftigten in klassischen Bauberufen, wie Dachdeckerinnen und Installateure, für die neuen Aufgaben dringend besser fortgebildet werden, wie eine aktuelle Untersuchung der Bertelsmann-Stiftung zeigt.

Die Aufgaben sind vielfältig: Solaranlagen montieren, Windparks projektieren und bauen, Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen ersetzen, Häuser energetisch sanieren. Um die Energiewende zu stemmen, braucht es mehr Beschäftigte, die das alles umsetzen können. Die von der Bundesregierung ins Leben gerufenen „Allianz für Transformation“ rechnet mit 300.000 Jobs, die besetzt werden müssen. Eine Studie im Auftrag der Grünen beziffert den Bedarf an Arbeitskräften auf bis zu 767.200 im Jahr 2035. 

Tatsächlich ist zum Beispiel die Zahl der offenen Stellen im Bereich der regenerativen Energietechnik bereits deutlich angestiegen. So meldete das „Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung“ des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Ende letzten Jahres ein Plus von 190 Prozent gegenüber 2022. „Die steigende Fachkräftelücke in diesen Berufen kann das Erreichen der Klimaziele gefährden“, kommentierte das IW.

Weiterbildungen für Handwerksberufe nötig

Viele der Energiewende-Jobs passen grundsätzlich zu klassischen Handwerksberufen wie etwa in den Bereichen Dachdecken, Bauelektrik oder Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Das Problem, auf das die Bertelsmann-Stiftung nun hinweist: Selbst wenn in diesen Berufen ausreichend Fachkräfte ausgebildet würden, bliebe eine fachliche Lücke: „Denn Klima-Jobs in den Bereichen Wind und Solar erfordern andere Kompetenzen.“ Das zeige der aktuelle, von der Stiftung beim IW in Auftrag gegebene „Jobmonitor“, für den 2,7 Millionen Online-Stellenanzeigen der Wind- und Solarbranche analysiert wurden.

Fachkräfte, die in Bereichen der Energiewende beschäftigt sind, brauchen oftmals zusätzliche Fähigkeiten. Die Stiftung erläutert das am Beispiel von Dachdeckerinnen. Wer bislang Einfamilienhäuser mit Dachpfannen gedeckt und Fabrikdächer wetterfest gemacht hat, sei nicht automatisch für das Installieren von Photovoltaik-Anlagen qualifiziert. Dabei spielten diese Fachkräfte für die Energiewende eine zentrale Rolle, jeder vierte Dachdecker werde schon heute von Solarfirmen gesucht, mit steigender Tendenz. 

Viele jüngere Dachdecker sind hier bereits besser qualifiziert, denn Auszubildende in dem Metier können seit 2016 als einen von fünf Schwerpunkten „Energietechnik an Dach und Wand“ wählen. „Aber das reicht nicht“, sagt die Arbeitsmarktexpertin der Bertelsmann-Stiftung, Jana Fingerhut. Auch wer seine Ausbildung vor 2016 abgeschlossen hat und Solaranlagen installieren will, müsse die dafür notwendigen zusätzliche Fähigkeiten erwerben können. „Je schneller diese Kompetenzen erlernt werden, desto eher werden wir unabhängig von der Einfuhr teurer, knapper und klimaschädlicher fossiler Energieträger“, meint Fingerhut.

Unterschied zwischen Fachkräften und Jobs mit Studienabschluss

Das Problem trifft laut der Stiftung auch auf zahlreiche weitere Energiewende-Tätigkeiten zu. Bei den wichtigsten Berufen der Solarbranche liege der „Ähnlichkeitswert“ der dort benötigten Kompetenzen im Vergleich zu jenen in den traditionellen Einsatzfeldern im Schnitt bei 0,85. Zur Erläuterung: Wären die Kompetenzen absolut deckungsgleich, läge der Wert bei eins. Mit am größten ist die Diskrepanz bei den Dachdeckerinnen. Dort beträgt der Wert nur 0,71. In der Solarbranche würden von ihnen insbesondere Kompetenzen rund um Photovoltaik, Solarthermie und die Montage von Zu- und Ableitungen nachgefragt, während beim herkömmlichen Jobzuschnitt das Dachdecken und -abdichten im Vordergrund stehe.

Im Windkraft-Bereich ist die Schnittmenge der Kompetenzen laut der Analyse noch kleiner als bei der Solarenergie. Hier erreicht der Ähnlichkeitswert 0,77. Besonders groß ist der Unterschied bei den Fachkräften für Bauelektrik mit nur 0,64. In der Windbranche sind besonders Kompetenzen bei Inbetriebnahme und Wartung der Anlagen gefragt, im klassischen Einsatzbereich vor allem Elektroinstallation und Montage. Interessant ist: Was auf der Ebene der Fachkräfte Sorgen bereitet, spielt laut der Stiftung auf der Ebene der Experten mit Studium, zum Beispiel Ingenieurinnen, kaum eine Rolle. Hier seien die benötigten Kompetenzen in beiden Bereichen fast deckungsgleich.

Fingerhut fordert, in den Energiewende-Branchen müssten mehr gezielte Weiterbildungen angeboten werden, die sich sowohl an Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung als auch an diejenigen mit Berufserfahrungen, aber ohne einen anerkannten Abschluss richten. „Für Ungelernte sollten Teilqualifizierungen zum Beispiel im Bereich Montage von Solaranlagen angeboten werden“, so die Expertin. Zu prüfen sei außerdem eine Bündelung von Kompetenzen aus bestehenden Berufen zu einem neuen Beruf „Fachkraft für erneuerbare Energien“ oder „Klimafachkraft“. Das könne für Jugendliche die Ausbildung im Bereich der Energiewende deutlich attraktiver machen.

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