Die Energiewende in Deutschland steckt in der Bredouille. Zwar sind die Erfolge unübersehbar, aber ein selbstbewusstes „Weiter so!“ ist selten zu hören. Dafür gibt es mehrere, auch politische Gründe. Die neue Wirtschaftsministerin Katherina Reiche legt den Finger durchaus schmerzend in einige Wunden. Das größte Problem für die Branche: Die Strompreise und Netzentgelte sind im internationalen Vergleich zu hoch und schwächen die deutschen Unternehmen. Um sie senken zu können, steht derzeit die gesamte Energiepolitik auf dem sprichwörtlichen Prüf stand. Im Fokus des „Monitorings“, von dem Wirtschaftsministerin Reiche spricht, rücken dabei die Kosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien. Einer der Aufreger: die Abregelung. Erzeuger regenerativer Energie bekommen Geld auch für Strom, der – wegen überlasteter Netze – gar nicht ein gespeist und genutzt wird. 554 Millionen Euro flossen allein vergangenes Jahr an die Betreiber. Insgesamt beliefen sich die Kosten für das sogenannte Netzengpassmanagement sogar auf fast 2,8 Milliarden Euro. Das sind zwar fast 20 Prozent weniger als 2023, gleichwohl wäre jeder einzelne Euro aus volkswirtschaftlicher Sicht an anderer Stelle sinnvoller investiert. Geht das nicht besser?
Doch, geht es. Dafür gibt es zwei Ansatzpunkte: Netze und Speicher. Wie wichtig Stromnetze sind, ist offenkundig: Da aufgrund des Abschieds von fossilen Energieträgern mehr Strom benötigt wird, braucht es auch mehr Stromleitungen. Die Netze sind aktuell allerdings für die Integration volatiler und dezentraler Energiequellen ebenso unzureichend gerüstet wie für den grenzüberschreitenden Stromhandel. „Der Ausbau der Übertragungsnetze sollte noch weiter beschleunigt werden“, sagt Christof Wittwer, Leiter des Geschäftsbereichs Systemintegration am Fraunhofer ISE. Tatsächlich nimmt der Ausbau an Fahrt auf. Die Anzahl der genehmigten Kilometer verdoppelt sich Jahr für Jahr, vielerorts haben die Bauarbeiten begonnen. Parallel nehmen auch die drei Stromautobahnen zwischen Nord- und Süddeutschland allmählich Gestalt an. Die Bundesnetzagentur plant zudem, deutschlandweit 2500 Kilometer vorhandener Stromleitungen zu verstärken. Der erwünschte Effekt: 50 Prozent mehr an Leistung.
Das Schwanken der Strompreise
Allerdings würden auch leistungs- und damit aufnahmefähigere Stromnetze ein anderes Problem nicht lösen: die schwankenden Strompreise. Das lässt sich durch einen besser koordinierten Eigenverbrauch bestenfalls mildern. Gerade in Zeiten üppigen Solar- oder Windstroms sinken die Marktpreise – so weit, dass die Erzeuger sogar draufzahlen müssen. Acht Prozent des von Onshore-Anlagen erzeugten Windstroms wurden 2024 mit Negativpreisen ins Netz eingespeist, bei der Photovoltaik (PV) waren es sogar 19 Prozent. Schlauer wäre es, den Strom zu günstigeren Zeiten ins Netz einzuspeisen. Dazu braucht es allerdings Speicher.
„Das Potenzial von Speichern wird noch immer dramatisch unterschätzt“, sagt Daniel Hölder, Leiter Markt und Politik bei Baywa Re. Prognosen zum Wachstum des Speichermarkts hätten sich in der Vergangenheit fast immer als zu konservativ herausgestellt. Eine von Baywa Re beauftragte Studie schätzt die Kapazität von Batteriegroßspeichern in Deutschland für 2030 auf 15 Gigawatt; 2050 sollen es dann 61 Gigawatt sein. Von Großspeichern wie dem derzeit in Kupferzell gebauten Netzbooster profitieren Unternehmen gleich doppelt: Die Batterien entlasten die Stromnetze und helfen, flexibel auf schwankende Preise zu reagieren.
So überzeugend die Theorie, in der Praxis stößt der Ausbau von Großspeichern auf regulatorische Hürden. Oft geht es um die Frage, was mit Förderansprüchen passiert, wenn Speicher nicht ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen bereithalten. Oder es ist strittig, wie Batteriespeicher am sinnvollsten ins Netz eingebunden werden. Rechtlich müssen Netzbetreiber davon ausgehen, dass der Strom jederzeit ins Netz eingespeist werden könnte – und entsprechende Netzertüchtigungsmaßnahmen in die Wege leiten. Diese Kosten möchten die Netzbetreiber gern vermeiden. Derzeit diskutiert werden daher flexible Netzanschlussverträge, die den Betreibern der Speicher ein „netzdienliches Verhalten“ vorschreiben. Was ja völlig in deren Interesse ist, schon aus finanziellen Gründen.
Zögernde Investoren
Wer sich im rechtlichen Gestrüpp verheddert, kommt kaum spürbar voran. Das ist häufig frustrierend. Dabei wird das Ziel eines klimaneutralen Deutschlands mit einem Netz an Verbundkraftwerken, das die Grundlast mehr als abdeckt, weder von der Bundesregierung noch von den Unternehmen infrage gestellt.
Um dieses Ziel zu erreichen, muss investiert werden. Im Grunde kein Problem, denn an interessierten Investoren mangelt es nicht. Was die allerdings fordern: ein Zurückdrehen der rechtlichen Regularien, um überhaupt markttauglich und planungssicher loslegen zu können. Die Energiewende, sie muss sich auch rechnen.