Die deutsche Solarindustrie ist in der Krise. Vor wenigen Wochen haben führende Hersteller von Solarzellen und -modulen wie Meyer Burger und Heckert Solar einen Brandbrief veröffentlicht, in dem sie Hilfen von der Politik wegen Dumpingkonkurrenz vor allem aus China fordern. Doch darüber, wie die aussehen sollten, gibt es zunehmend Konflikte in der Branche.
Hauptstreitpunkt ist der vorgeschlagene „Resilienzbonus“ für Solaranlagen aus EU-Produktion. Der große Solaranlagen-Verkäufer 1Komma5° hat deswegen nun einen drastischen Schritt vollzogen und ist aus dem Branchenverband Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) ausgetreten, denn der sei „rückwärtsgewandt“ und betreibe „auf Kosten der Steuerzahler und des Industriestandortes Klientelpolitik für wenige Mitglieder“. Auch Mitbewerber Enpal kritisierte, die BSW-Solar-Forderung nach einem Resilienzbonus gefährde die Energiewende und damit Arbeitsplätze.
Unternehmen wie 1Komma5°, Energiekonzepte Deutschland, Enpal und Zolar machen ihren Umsatz vor allem mit dem Verkauf und der Installation von kompletten Solar-Anlagen und profitieren davon, wenn Module möglichst billig sind. Sie liegen seit längerem mit BSW-Solar und den hiesigen Herstellern von Solarzellen und -modulen im Clinch. Es geht dabei um die Ausgestaltung von Fördermaßnahmen wie dem besagten Bonus. Dieser bedeutet einen Aufschlag bei der EEG-Vergütung, den Privatleute bekommen sollen, wenn sie eine Solaranlage aus EU-Produktion aufs Dach schrauben lassen. Die teureren hiesigen Produkte hätten dann gegenüber den Billig-Angeboten aus Fernost wieder eine Chance, so die Hoffnung. In der Bundesregierung befürworten SPD und Grüne diese Lösung, die die aus dem Haushalt finanzierte EEG-Umlage steigen ließe, die FDP lehnt sie bisher ab.
Installationsfirmen und Modulhersteller uneins
Das Chef von 1Komma5°, Philipp Schröder, kritisiert das auch vom BSW-Solar verfochtene Konzept heftig: „Subventionen in dieser Form würden nur einzelnen Firmen kurzfristig helfen, während der nachhaltige Aufbau einer Solarmodul-Industrie in Deutschland sogar eingebremst werden würde.“ Der Resilienzbonus werde „quasi zu einem Monopol einzelner Hersteller“ führen und den Markt verzerren, außerdem hohe zusätzliche Kosten für die Steuerzahler bedeuten. Das Hamburger Unternehmen stellt nun sogar den angekündigten Aufbau einer eigenen Solarmodul-Produktion in den neuen Bundesländern mit bis zu 1000 Arbeitsplätzen in Frage, da man dort noch auf Zulieferungen aus dem Ausland angewiesen sei und der Bonus nach dem bisherigen Konzept dann nicht greife.
Enpal wiederum kritisiert, der vorgesehene Aufschlag auf die Einspeisevergütung beim Kauf europäischer Solarmodule führe „zu Fehlanreizen auf dem Solarmarkt“. Kunden würden bestehende Aufträge stornieren und auf die Verfügbarkeit der geförderten Module warten, die es in der benötigten Menge jedoch gar nicht gebe. „Der darauffolgende Einbruch der Nachfrage gefährdet die Existenz vieler Solarbetriebe und erhöht deren Insolvenzrisiko“, so das Unternehmen. Zudem seien die Solar-Ausbauziele und die Klimaziele der Bundesregierung dann nicht mehr erreichbar. Der Solarabsatz hatte 2023 mit einer Neuinstallation von 14,1 Gigawatt einen neuen Rekord erreicht, was unter anderem den niedrigen Preisen der Anlagen mit China-Komponenten geschuldet war.
Solarverband wirbt für befristeten Bonus
Beim BSW-Solar hieß es zu dem Schritt von 1Komma5° auf Anfrage, man bedauere „natürlich den Austritt jedes einzelnen Unternehmens“, der Verband verwies aber darauf, dass er mit inzwischen über 1000 Mitgliedern allein 2023 über 300 Neueintritte verzeichnet habe. Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig betonte, man setze sich „mit Nachdruck“ gegen die denkbare Einführung von Zöllen und Handelsbarrieren gegen die Produkte aus Fernost ein. Auf der anderen Seite empfehle man aber „für einen befristeten Zeitraum und einen Teil des EEG-Fördervolumens“ die Einführung von Resilienzboni. Diese erleichterten europäischen Herstellern während der Aufbauphase ihrer Solarfabriken den Weg zu einer internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Die Linie ist König zufolge einstimmig vom BSW-Solar-Vorstand und „Vertretern aller Wertschöpfungsstufen“ getragen worden. Der Verband schätzt, dass der Photovoltaik-Markt hierzulande in diesem Jahr erneut um über 70 Prozent wachsen wird.
Beobachter erwarten, dass die Bundesregierung eine Entscheidung zu möglichen Fördermaßnahmen bis Ende Februar oder Anfang März trifft. Auf EU-Ebene hatten sich das Parlament in Straßburg und die Mitgliedstaaten vorige Woche auf den „Net Zero Industry Act“ geeinigt, der grüne Technologien fördern soll, vorneweg die Solarindustrie. Dabei geht es vor allem um vereinfachte Genehmigungsverfahren für neue Produktionsanlagen; zusätzliche Fördermittel sind nicht vorgesehen. Insider zweifeln am Effekt des Gesetzes. So sagte der Vize-Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer, Achim Dercks, es sei „kein echter Gamechanger“.