EWE - Energiekosten senken ohne Eigeninvestition
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Die Rechnung von Sonne und Wind schrumpft weiter

Laut einer langjährigen Untersuchung ist Photovoltaik-Strom sogar mit Batteriespeicher inzwischen günstiger als konventionelle Kraftwerke. An den Kostenvorteilen erneuerbarer Energien würde auch der Netzausbau nichts ändern.
Von:  Joachim Wille
28.08.2024 | 4 Min.
Ein Windpark hinter Strommasten im Hochsauerlandkreis
Ein Windpark hinter Strommasten im Hochsauerlandkreis
Foto: Jochen Tack/picture alliance

Sonne und Wind schicken keine Rechnung? Dieser Spruch, den Verfechter der erneuerbaren Energien gerne bringen, stimmt zwar. Er ist aber nur die halbe Wahrheit. Zwar sind die „Rohstoffkosten“ beim Betrieb der Solar- und Windkraftanlagen anders als bei konventionellen Kraftwerken gleich null, doch die Investitionen für Herstellung und Bau sowie Renditen müssen erwirtschaftet werden. Außerdem braucht es Backup-Kraftwerke für die berüchtigten „Dunkelflauten“ und einen teuren Ausbau des Stromnetzes. Trotzdem gibt es hier nun eine gute Nachricht: Photovoltaik, früher die teuerste Energieform, produziert Strom mittlerweile auch in Kombination mit Batteriespeichern deutlich günstiger als neue Kohle-, Gas- oder Atomkraftwerke.

Die Nachricht findet sich in der Neuauflage einer Langfrist-Untersuchung des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (Ise) in Freiburg zu den Stromgestehungskosten der unterschiedlichen Kraftwerkstypen – also den durchschnittlichen Erzeugungskosten pro Kilowattstunde. Die Analyse, die das Ise turnusmäßig seit 2010 durchführt, beinhaltet zum ersten Mal auch Werte für Backup-Wasserstoffkraftwerke und neue Atommeiler. Neben dem Ist-Stand für 2024 gibt das Institut auch eine Prognose für die Kostenentwicklung bis 2045 ab.

Teurer Kohle- und Atomstrom

Die Untersuchung zeigt, wie stark die Erzeugungskosten der früheren „Alternativenergien“ im letzten Vierteljahrhundert gesunken sind. Große Solaranlagen auf Freiflächen und Windkraftanlagen an Land liefern die Elektrizität für 4,1 bis 9,2 Cent pro Kilowattstunde, je nach Standort und sonstigen Rahmenbedingungen. Sie sind damit nicht nur unter den erneuerbaren Energien, sondern unter allen Kraftwerksarten die kostengünstigsten Technologien. Als das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im Jahr 2000 von der damaligen rot-grünen Bundesregierung eingeführt wurde, war der Öko-Strom noch viel teurer. Wer sich damals eine Solarlage aufs Dach schrauben ließ, bekam, um sie rentabel betreiben zu können, als Vergütung für die ins Netz eingespeiste Kilowattstunde (kWh) 99 Pfennige, also rund 50 Cent. Bei Windrädern gab es 17,8 Pfennige, rund acht Cent, pro kWh.

Solaranlagen auf Gebäuden und Offshore-Windräder produzieren den Strom wegen des höheren Aufwands bei der Installation und teils auch im Betrieb etwas teurer als die genannten Varianten. Trotzdem hängen auch sie laut Ise die konventionellen Kraftwerke ab. Würden neue Braun- oder Steinkohlekraftwerke gebaut, käme die Kilowattstunde auf rund 15 bis 29 Cent. Vor allem der tendenziell steigende CO2-Preis, der dafür im EU-Emissionshandel fällig wird, schlägt hier ins Kontor. Neue AKW liefern ebenfalls sehr teuren Strom, obwohl hier keine CO2-Kosten anfallen, nämlich für mindestens 13,6, im Extremfall sogar für 49 Cent. Als Beispiel dafür kann man das britische AKW Hinkley Point C heranziehen. Der Branchendienst IWR hat ausgerechnet, dass die Kilowattstunde bei der 2027 geplanten Inbetriebnahme mehr als 15 Cent kosten wird. Den teuersten Ökostrom liefern laut Ise derzeit Biogas-Kraftwerke, mit 22 Cent aufwärts.

Speicher-Kombi lohnt sich

Interessant ist, wie stark sich Photovoltaik-Systeme verbilligt haben, die mit Batteriespeichern gekoppelt sind, um die Nutzung der Elektrizität von den Sonnenstunden etwa in den Abend „verschieben“ zu können. Im günstigsten Fall kostet die Stromproduktion hier nur noch sechs Cent pro kWh. Der Hauptautor der Studie, Christoph Kost, verwies in diesem Zusammenhang auf eine neue Entwicklung, nämlich die hierzulande gerade anlaufenden Großprojekte, die Photovoltaik-Freiflächenanlage, Windpark und stationären Batteriespeicher koppeln. Das seien „gute Investitionen“, da hierdurch beispielsweise knappe Netzkapazitäten besser ausgenutzt würden.

Kost sieht mittel- bis langfristig klare Kostenvorteile für einen Elektrizitätssektor, der auf 100 Prozent erneuerbare Energien zusteuert, wie in Deutschland geplant – verglichen etwa mit Frankreich, das neue Atomkraftwerke in Serie bauen will. Das gelte trotz der Zusatzkosten, die durch Investitionen in Speicher- und Netz-Ausbau sowie Backup-Kraftwerke entstehen. „Ein Stromsystem mit hohen Anteilen von Kernkraftwerken mit Gestehungskosten von 15 bis 40 Cent pro kWh kann nicht günstiger sein als ein System, dass zu hohen Anteilen auf erneuerbaren Energien mit Kosten zwischen fünf und zehn Cent basiert“, sagte Kost. Bis 2045, so die Ise-Prognose, wird die grüne Elektrizität sich weiter verbilligen, Solarstrom zum Beispiel könne dann in Großanlagen teils für nur noch rund drei Cent produziert werden.

Fraunhofer-Forscher widerspricht „Wirtschaftsweiser“ 

Die Studie trifft in eine Phase, in der Politik, Wirtschaft, aber auch Wissenschaft hierzulande wieder zunehmend kontrovers über das zukünftige Stromsystem debattieren. So haben sich die Union und die Ampel-Partei FDP, die 2011 den Atomausstieg mit beschlossen hatte, für den Neubau von AKW ausgesprochen. Dies wäre nach den Ise-Zahlen eine sehr teure Strategie, zumal die AKW wegen ihrer begrenzten Regelbarkeit nur schlecht zu einem Stromsystem mit viel fluktuierendem Ökostrom passen.

Aufsehen erregte im Frühjahr auch eine Studie der „Wirtschaftsweisen“ Veronika Grimm und zweier Ökonomen der Uni Erlangen-Nürnberg, die Hoffnungen auf preiswerte grüne Energie, wie von Kanzler Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) geäußert, eine Absage erteilte. Es sei wegen der Netz- und Backup-Kosten nicht zu erwarten, „dass die Stromkosten im kommenden Jahrzehnt deutlich sinken werden“, heißt es in dem Papier. Ise-Experte Kost bezweifelt diese Aussage. „Ich sehe Frau Grimms Berechnung als sehr vereinfacht und von sehr vielen weiteren Einflussfaktoren abhängig", sagte er.

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