Man muss kein Freund von Anglizismen sein, um anzuerkennen, dass sie oft anschaulicher sind als ihre deutsche Entsprechung. „Clawback“ ist ein Beispiel dafür. „Claw“ übersetzt das Wörterbuch mit „Kralle, Klaue“, „to claw“ heißt „kratzen“. Wem ein Clawback ins Haus steht, der weiß folglich, dass es unangenehm werden kann. Die deutsche Silbenhäufung „Abschöpfungsmechanismus“ dagegen deutet das allenfalls an.
Seit die EU-Kommission Deutschland aufgetragen hat, ein Clawback bei der Förderung von erneuerbaren Energien einzuführen, ist die Sorge in der Branche daher groß. Das im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geregelte aktuelle Fördermodell ist nur noch bis Ende 2026 zulässig. Anschließend muss eine Reform her, die einen Mechanismus vorsieht, nach dem jener Teil der Förderung an den Staat zurückfließt, der über den für die Investition in ein Ökostrom-Projekt nötigen Bedarf hinausgeht.
Die bangen Fragen lauten seither: Wie schmerzhaft wird der Hieb mit der Pranke? Und: Was genau will sich der Staat krallen?
Abschöpfung als Reaktion auf die Energiekrise
Nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat die Branche schon einmal Erfahrung mit einem Abschöpfungsmechanismus gemacht: Damals schossen die Preise für fossile Rohstoffe in die Höhe – und damit auch der Börsenstrompreis. Profitiert haben davon vor allem die Betreiber von Wind- und Solarparks, die Strom besonders günstig erzeugen können und entsprechend hohe Gewinne einfahren, wenn der Preis durch die Decke geht.
Bis zur Energiekrise durften sie diese Gewinne behalten. Ende 2022 führte die Bundesregierung jedoch eine Strompreisbremse ein, in deren Folge die als „Zufallsgewinne“ und „Überschusserlöse“ bezeichneten Einnahmen der Betreiber teilweise abgeschöpft wurden. Zwar protestierte die Branche, da aus ihrer Sicht höhere Gewinne in guten Zeiten Teil der unternehmerischen Risikokalkulation seien, nach der Devise: Wer investiert schon in ein Windrad, wenn man befürchten muss, die Gewinne immer dann abgeben zu müssen, wenn es besonders gut läuft? Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Praxis in der Notsituation der Energiekrise dennoch für gerechtfertigt.
Demnächst wird die Branche auf Anordnung der EU also erneut mit einem Abschöpfungsmechanismus konfrontiert sein. Hintergrund ist die EEG-Reform von 2023, mit der die Finanzierung der EEG-Umlage geändert wurde. Statt vom Stromkunden wird sie seither vom Bundeshaushalt getragen. 2024 lag der Betrag bei 18,5 Milliarden Euro; im laufenden Jahr kalkulieren die Netzbetreiber mit 16,5 Milliarden Euro.
Der 11. Mai ist ein Sonntag, wie ihn sich Ausflügler wünschen und Stromerzeuger fürchten. Über Deutschland lacht die Sonne, zugleich weht im Norden eine frische Brise. Wind- und Solarparks fluten die Netze mit Strom, doch der Bedarf ist gering. In der Folge tun die Preise an der Strombörse, was die Marktgesetze vorsehen: Sie purzeln, und zwar tief ins Minus. Zeitweise erhalten Stromkunden 250 Euro für jede Megawattstunde, die sie verbrauchen. Wer einen dynamischen Stromvertrag besitzt und zu dieser Zeit sein Auto lädt, kann damit ein paar Euro verdienen. Das Nachsehen haben die Stromerzeuger, die ihre Produktion nicht rechtzeitig herunterfahren können und draufzahlen.
Mit dem fortschreitenden Ausbau der erneuerbaren Energien kommt es immer öfter zu Stunden mit negativen Strompreisen, insbesondere wenn die Nachfrage an Wochenenden und Feiertagen gering ist. Für das Geschäftsmodell der Anlagenbetreiber wird das zunehmend zum Problem. Denn für einen rasch wachsenden Anteil der Windräder und Photovolatikanlagen, die unter das EEG fallen, wird in diesen Zeiten die Förderung gekappt. Wer seinen Strom außerhalb des EEG vermarktet, ist von negativen Preisen noch unmittelbarer betroffen. Energiebranche und Politik diskutieren daher intensiv, wie sich diese Phasen begrenzen lassen.
Umstellung der EEG-Förderung macht Clawback nötig
Für Stromverbraucher war die Umstellung erfreulich. Allerdings führte sie dazu, dass die Bundesregierung für das Gesetz eine beihilferechtliche Genehmigung von der EU einholen musste. Brüssel stimmte zu, stellte aber die Bedingung, dass ab 2027 ein Clawback eingeführt wird.
Und das ist nicht die einzige Vorgabe aus Brüssel, die Deutschlands Ökostromerzeuger derzeit umtreibt. In Artikel 19d der Elektrizitätsbinnenmarktverordnung – auch so ein Wortungetüm – schreibt die EU vor, dass für „direkte Preisstützungssysteme“, wie sie das EEG 2023 darstellt, ab 17. Juli 2027 ein bestimmter Fördermechanismus eingeführt werden muss. Die Bezeichnung dafür ist auf Englisch ähnlich abstrakt wie auf Deutsch: Es geht um Contracts for Difference (CfDSteht für Contracts for Difference (Differenzverträge): Erhält ein Stromerzeuger bei Ausschreibungen für sein Preisangebot den Zuschlag, kriegt er bei einem niedrigeren Börsenpreis die Differenz erstattet. Liegt der Börsenpreis höher, muss er die zusätzlichen Gewinne abgeben.Steht für Contracts for Difference (Differenzverträge): Erhält ein Stromerzeuger bei Ausschreibungen für sein Preisangebot den Zuschlag, kriegt er bei einem niedrigeren Börsenpreis die Differenz erstattet. Liegt der Börsenpreis höher, muss er die zusätzlichen Gewinne abgeben.) – zweiseitige Differenzverträge.
Diese Verträge unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von der bisherigen EEG-Förderung, die als „gleitende Marktprämie“ bekannt ist. Bislang rufen potenzielle Betreiber von Wind- oder Solarparks in einer staatlichen Auktion einen Preis pro Kilowattstunde erzeugten Stroms auf, zu dem sie ihr Projekt bauen würden. Wer den niedrigsten Preis bietet, erhält den Zuschlag. Fällt der Preis an der Strombörse darunter, zahlt der Staat die Differenz. Steigt er darüber, behalten die Betreiber die Einnahmen. Damit macht das CfDSteht für Contracts for Difference (Differenzverträge): Erhält ein Stromerzeuger bei Ausschreibungen für sein Preisangebot den Zuschlag, kriegt er bei einem niedrigeren Börsenpreis die Differenz erstattet. Liegt der Börsenpreis höher, muss er die zusätzlichen Gewinne abgeben.Steht für Contracts for Difference (Differenzverträge): Erhält ein Stromerzeuger bei Ausschreibungen für sein Preisangebot den Zuschlag, kriegt er bei einem niedrigeren Börsenpreis die Differenz erstattet. Liegt der Börsenpreis höher, muss er die zusätzlichen Gewinne abgeben.-Modell Schluss: Alles oberhalb des in der Auktion gebotenen Preises müssen die Betreiber an den Staat abführen. Mit der Deckelung der Einnahmen möchte die EU die Verbraucher vor starken Preisausschlägen schützen.
Grundsätzlich erlaubt Artikel 19d daneben auch Fördersysteme, die mit CfDSteht für Contracts for Difference (Differenzverträge): Erhält ein Stromerzeuger bei Ausschreibungen für sein Preisangebot den Zuschlag, kriegt er bei einem niedrigeren Börsenpreis die Differenz erstattet. Liegt der Börsenpreis höher, muss er die zusätzlichen Gewinne abgeben.Steht für Contracts for Difference (Differenzverträge): Erhält ein Stromerzeuger bei Ausschreibungen für sein Preisangebot den Zuschlag, kriegt er bei einem niedrigeren Börsenpreis die Differenz erstattet. Liegt der Börsenpreis höher, muss er die zusätzlichen Gewinne abgeben. „gleichwertig“ sind. Was genau das heißt, ist allerdings nicht definiert. Juristen gehen davon aus, dass es für die Bundesregierung schwierig wäre, in Brüssel eine Genehmigung für ein stark von CfDSteht für Contracts for Difference (Differenzverträge): Erhält ein Stromerzeuger bei Ausschreibungen für sein Preisangebot den Zuschlag, kriegt er bei einem niedrigeren Börsenpreis die Differenz erstattet. Liegt der Börsenpreis höher, muss er die zusätzlichen Gewinne abgeben.Steht für Contracts for Difference (Differenzverträge): Erhält ein Stromerzeuger bei Ausschreibungen für sein Preisangebot den Zuschlag, kriegt er bei einem niedrigeren Börsenpreis die Differenz erstattet. Liegt der Börsenpreis höher, muss er die zusätzlichen Gewinne abgeben. abweichendes Modell zu bekommen: „Der Darlegungs- und Begründungsaufwand dürfte steigen, je weiter man sich von der Funktionslogik zweiseitiger Differenzverträge entfernt“, heißt es dazu in einer aktuellen Studie der Stiftung Umweltenergierecht.
Pläne des BMWK stoßen in der Branche auf Skepsis
Wie die Vorgaben aus Brüssel in der nächsten EEG-Novelle umgesetzt werden könnten, hatte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bereits zu Ampelzeiten skizziert. Im Gespräch sind vier Optionen.
Das BMWK hatte im August 2024 unter dem Titel Strommarktdesign der Zukunft ein Papier vorgelegt, das vier alternative Optionen für ein Rückzahlungsinstrument (Clawback) bei der Förderung von erneuerbaren Energien skizziert:
Option 1: Anlagenbetreiber erhalten eine gleitende Marktprämie, wenn der Börsenpreis unter einen Mindestwert (Floor) fällt. Liegt er in einem sogenannten Marktwertkorridor zwischen einem Mindest- und einem Maximalwert (Cap) behalten sie die Einnahmen. Steigt er darüber, führen sie die Mehrerlöse ab.
Option 2: Entspricht Option eins, mit dem Unterschied, dass Floor und Cap zusammenfallen – es gibt also keinen Marktwertkorridor.
Option 3: Ähnelt den Optionen eins und zwei, wobei aus dem Papier des BMWK nicht hervorgeht, ob ein Marktwertkorridor
vorgesehen ist. Zentraler Unterschied: Basis der Förderung, die ein Anlagenbetreiber erhält, ist nicht die tatsächlich erzeugte Strommenge, sondern das theoretisch mögliche Potenzial – unabhängig davon, ob etwa das Wetter wie geplant mitspielt.
Option 4: Der Betreiber erhält unabhängig von der tatsächlichen Stromproduktion eine fixe Vergütung auf Basis der installierten Kapazität seiner Anlagen. Sie reicht allerdings nicht zur Refinanzierung, sodass zusätzliche Markterlöse nötig sind. Die aber werden produktionsunabhängig anhand des theoretisch möglichen Potenzials einer Referenzanlage abgeschöpft.
Mit der ersten könne man sich anfreunden, heißt es aus der Branche. Die zweite sei mit Bauchschmerzen ebenfalls akzeptabel. Die höheren Finanzierungskosten für Anlagen könnten aber zu höheren Strompreisen führen. Das BMWK favorisierte allerdings die in der Branche besonders unbeliebte Option vier. Sie sei nicht nur unnötig aufwendig, sondern erhöhe vor allem das finanzielle Risiko der Anlagenbetreiber. Dadurch stiegen die Finanzierungskosten, was die Strompreise in die Höhe treibe. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) sieht darin gar eine „Gefahr für die Energiewende“.
Auch Finanzmarktexperten haben Bedenken. Für Kapitalgeber sei ein stabiler Cashflow aus den von ihnen finanzierten Projekten wichtig, sagte Melchior Karigl von der European Investment Bank (EIB) auf einer Branchenveranstaltung des BWE zum Strommarktdesign. Er sprach sich für ein CfDSteht für Contracts for Difference (Differenzverträge): Erhält ein Stromerzeuger bei Ausschreibungen für sein Preisangebot den Zuschlag, kriegt er bei einem niedrigeren Börsenpreis die Differenz erstattet. Liegt der Börsenpreis höher, muss er die zusätzlichen Gewinne abgeben.Steht für Contracts for Difference (Differenzverträge): Erhält ein Stromerzeuger bei Ausschreibungen für sein Preisangebot den Zuschlag, kriegt er bei einem niedrigeren Börsenpreis die Differenz erstattet. Liegt der Börsenpreis höher, muss er die zusätzlichen Gewinne abgeben.-Modell aus, das das Clawback-Risiko klein hält und die finanzielle Machbarkeit der Projekte garantiert. Ähnlich äußerte sich Heiko Ludwig, der das Thema für die Nord/LB analysiert. Je unsicherer der Cashflow aus Ökostromprojekten, desto komplexer seien die Anforderungen an die Finanzierung.
Ob sich die neue Bundesregierung der Präferenz ihrer Vorgängerin für Option vier anschließen wird, ist derzeit offen. Der Koalitionsvertrag behandelt das Thema denkbar knapp: „Wir verfolgen das Ziel, dass sich erneuerbare Energien perspektivisch vollständig am Markt refinanzieren können.“ Der Investitionsrahmen werde in Einklang mit EU-Vorgaben angepasst und die Strommarktintegration der Erneuerbaren optimiert.
Viele Silben, deren Bedeutung nebulös bleibt. Was nicht heißt, dass es zwangsläufig auf einen schmerzhaften Clawback hinauslaufen muss. Ganz vom Tisch ist er freilich nicht.