Der Ausbau der Onshore-Windenergie in Deutschland erlebt 2022 bislang keinen Schub. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres wurden 238 neue Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 977 Megawatt (MW) installiert, was ziemlich genau dem Zubau aus dem gleichen Zeitraum des Vorjahrs entspricht (240 Anlagen, 971 Megawatt MW).
Die Zahlen wurden vom Beratungsunternehmen Deutsche Windguard im Auftrag des Bundesverbands WindEnergie (BWE) und des Maschinenbauverbands VDMA Power Systems erhoben und heute (14. Juli) vorgestellt. Weil von Januar bis Juni außerdem 82 Anlagen mit 99 MW abgebaut wurden, beträgt der Netto-Zubau 878 MW. 35 der neuen Windräder seien durch ein RepoweringAustausch älterer Windräder durch moderne Anlagen am gleichen Standort. entstanden, bei dem alte Anlagen durch leistungsstärkere ersetzt werden.
Bei der regionalen Verteilung kam es erneut zu einem starken Nord-Süd-Gefälle. 80 Prozent der neuen Anlagen wurden in den Bundesländern Schleswig-Holstein (72 Anlagen, 280 MW), Nordrhein-Westfalen (47 Anlagen, 187 MW), Brandenburg (38 Anlagen, 172 MW) und Niedersachsen (30 Anlagen, 142 MW) gebaut. BWE-Präsident Hermann Albers erklärte, dieses Ungleichgewicht bereite „große Sorgen“. In den südlichen Bundesländern drohe eine Versorgungslücke, die die dortigen Wirtschaftsstandorte gefährde. Immer mehr Unternehmen würden ihre Standortwahl davon abhängig machen, wie viel erneuerbare Energie in der Region verfügbar sei, so Albers.
Ausbau reicht nicht für Regierungsziele
BWE und VDMA verwiesen zudem darauf, dass die derzeitige Ausbaumenge nicht für das Erreichen der „ehrgeizigen und notwenigen“ Regierungsziele ausreiche. Dafür werde das fünffache Volumen benötigt. Albers mahnte, die „altbekannten Hindernisse“ würden fortbestehen. „Die durchschnittliche Dauer der Genehmigungsverfahren hat sich in den vergangenen fünf Jahren um fast 60 Prozent erhöht. Zudem muss die Rechtssicherheit nach Genehmigungserteilung weiter verbessert werden.“ Auch Flächen seien immer noch nicht ausreichend verfügbar. „Das Flächenziel von mindestens zwei Prozent hat nun zwar eine gesetzliche Grundlage, ist jedoch in der Erreichung auf die nächste Legislaturperiode vertagt“, so Albers.
Der BWE-Präsident forderte ebenso wie VDMA-Power-Systems-Geschäftsführer Dennis Rendschmidt Vereinfachungen beim RepoweringAustausch älterer Windräder durch moderne Anlagen am gleichen Standort., um kurz- bis mittelfristig einen Zubau auf diesem Wege von 45 Gigawatt zu ermöglichen. Für diese Projekte brauche es beschleunigte Genehmigungsverfahren, sagte Albers. Rendschmidt erklärte, durch das RepoweringAustausch älterer Windräder durch moderne Anlagen am gleichen Standort. könne aus Rückbau Zubau werden. Nach Brancheninformationen fallen bis 2025 rund 15 Gigawatt (GW) an Leistung aus der EEG-Förderung, die durch neue Anlagen ersetzt werden könnten.
Die Verbandsvertreter forderten zudem eine Industrie- und Beschäftigungsstrategie für Deutschland und Europa. „Der politische Wille ist da, die Ausbauziele wurden angepasst, aber es hakt weiterhin an den für den Zubau so wichtigen richtigen Rahmenbedingungen und deren konsequenter Anwendung“, so Rendschmidt. „Die europäischen Hersteller von Windenergieanlagen und ihre Zulieferer stehen durch Kostensteigerungen und unzureichende Marktdynamik unter erheblichem wirtschaftlichem Druck. Bei zu geringem Marktvolumen besteht die Gefahr des Verlusts von Know-how, Wertschöpfung und Beschäftigung.“
Für das gesamte Jahr 2022 erwarten BWE und VDMA einen Zubau von 2,4 bis drei GW. Projekte mit einer Gesamtleistung von rund zehn GW würden sich derzeit im Genehmigungsverfahren befinden. Außerdem seien in Auktionen bereits bezuschlagte Windparks mit einem Volumen von 6,6 GW bereit zur Umsetzung. Die Bundesregierung plant, den Ausbau der Windenergie auf jährlich zehn GW zu erhöhen.