Was auf dem Mississippi in den USA oder auf Chinas großen Flüssen längst Routine ist, könnte bald auch zum Standardrepertoire der hiesigen Windanlagenlogistik zählen: der Transport per Binnenschiff. Anlagenbauer Nordex hat unlängst Rotorblätter und Maschinenhäuser von Emden nach Linz verschifft – und gute Erfahrungen gemacht. Das Beispiel zeigt: Wasserstraßen bieten einige Vorteile für den Transport der Windkraftanlagen.
Das hatte bereits das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) 2023 in seinem Strategiepapier „Eckpunkte einer Wind-an-Land-Strategie“ betont und den Transport mit Binnenschiffen als Variante zum bislang meist üblichen Schienen- oder Straßentransport empfohlen. Das erfreute zuallererst die Reeder, da ihnen lukrative Aufträge winkten.
Doch der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt (BDB) dämpfte sogleich die Euphorie: Um Windkraftanlagen effizient auf Flüssen und Kanälen transportieren zu können, gab BDB-Geschäftsführer Jens Schwanen zu bedenken, müsse zunächst die Infrastruktur verbessert, das BMWK-Papier folglich nachgebessert werden. „Damit die Wasserstraßen große und schwere Güter problemlos aufnehmen können und Anreize für die Verkehrsverlagerung gesetzt werden, brauchen wir nicht nur digitale Daten, etwa zur Erreichbarkeit der Häfen und zu deren Kai- und Krankapazitäten.“ In erster Linie müssten bauliche Engpässe, etwa am Rhein oder auf einigen Kanälen, „dringend beseitigt werden“, so Schwanen.
Bessere Umweltbilanz
Derlei Einwände wischte Nordex-Manager Andreas Petzold flugs beiseite, als er mit der Planung des Transports begann. „Ich bin bei solchen Dingen pragmatisch – wenn Probleme auftauchen, müssen sie gelöst werden. Mit anderen Worten: Ist irgendwo eine Schleuse zu klein oder eine Brücke zu niedrig, muss ich einen anderen Weg finden, um die Anlagen von A nach B zu bringen“, sagt er.
„Klar war von Beginn an, dass Binnenschiffe mit ihrer hohen Tragfähigkeit und der Möglichkeit, sperrige Güter nahezu problemlos zu laden, den gängigen Schwerlasttransporten auf der Straße, die oft nur nachts fahren dürfen, überlegen sind“, so der Logistikexperte. Zudem sei die Umweltbilanz auf dem Wasserweg besser, denn pro transportierter Tonne Fracht stoßen Lkws viel mehr CO₂ aus als Binnenschiffe – und sie müssen nach dem Transport unbeladen zu ihrem Standort zurückkehren, was zusätzliche Emissionen verursacht. Binnenschiffe fahren hingegen oft mit neuer Ladung vom Zielort zurück. „Auch deshalb ist der Transport auf Flüssen und Kanälen ein wichtiger und nachhaltiger Baustein der Energiewende.“
Problem: Höhenunterschiede
Trivial ist er allerdings nicht: „Das beginnt schon bei der Wahl des Schiffes: Längst nicht alle Binnenschiffe haben durchgehende Laderäume. Und die brauchen wir natürlich für die Rotorblätter“, sagt der Nordex- Manager. Obwohl es „in Deutschland Binnenschiffe en masse“ gebe, sei exakte Planung vonnöten. „Vor einige Probleme stellte uns auch die Passage des Main-Donau-Kanals.“ Die stark befahrene Wasserstraße weist Höhenunterschiede von insgesamt mehr als 175 Metern auf, die mithilfe von Schleusen überwunden werden müssen – eine veritable Herausforderung für Schwerlastfrachten.
Dabei sei es weniger um das Gewicht der Ladung gegangen , sondern vielmehr um deren Abmessungen. „Vor allem auf Kanälen, die wegen niederiger Brücken eine geringe Durchfahrtshöhe haben, kann ein Transport per Binnenschiff schnell unrentabel oder gar unmöglich werden“, räumt Petzold ein.
Nicht alle Häfen geeignet
Hinzu kommt: Nicht alle Häfen entlang der deutschen Binnenwasserstraßen sind für den Umschlag von Windkraftanlagen ausgelegt. Während Emden, Brake an der Unterweser, Kiel oder Hamburg die nötigen Kräne und Lagerflächen bieten, fehlt derlei Infrastruktur derzeit an vielen Binnenhäfen. Und: Je länger die Rotorblätter werden, an desto weniger Standorten können sie umgeladen werden. „Wir schlagen schon seit Jahren Teile von Windkraftanlagen in unseren Häfen um“, sagt Joachim Zimmermann, Geschäftsführer von Bayernhafen, einem Unternehmen das Logistikdienstleistungen in etlichen Häfen an Donau, Inn und anderen bayerischen Flüssen anbietet.
So werden im Passauer Hafen bereits seit 2009 bis zu 44 Meter lange Rotorblätter umgeschlagen und nach Südosteuropa verschifft. 2018 waren die Rotorblätter dann schon 60 Meter lang – und laut Zimmermann geht da grundsätzlich noch mehr. „Bis zu 90 Meter lange Rotorblätter kann die Binnenschifffahrt in Deutschland transportieren – dafür werden dann 135-Meter-Schiffe genutzt“, sagt er. Zwar könnten Schiffe dieser Länge auf einigen Wasserstraßen nicht mehr fahren, da sie nicht durch die Schleusen passen, „in Bayern können aber alle Binnenhäfen erschlossen werden“.
Letzte Meile entscheidend
Doch selbst wenn die Kapazität der Häfen ausreicht – auch die sogenannte letzte Meile muss zurückgelegt werden: „Nach dem Transport per Schiff werden die Komponenten über Land zum endgültigen Ziel gebracht – und da sind wir natürlich wieder auf Schwertransporte auf der Straße angewiesen“, sagt Andreas Petzold. Aufgrund der geringen Anzahl geeigneter Tieflader-Lkws werde es indes immer schwieriger, die passenden Fahrzeuge termingerecht zu buchen. „Vor diesem Problem standen wir etwa bei dem Transport nach Österreich, sodass der Wasserweg auch deshalb die bessere Alternative war und wir auf der Donau direkt bis Linz durchgefahren sind.“
Der Ausbau des dortigen Industriehafens sei vorbildlich, „als aber unser Transport mit zwölf Rotorblättern und 20 Maschinenhauskomponenten ankam, wurde es eng“. Wenn zur gleichen Zeit ein Wettbewerber dort seine Ladung gelöscht hätte, so Petzold, „wäre die Sache extrem schwierig geworden – auch weil die Lagerkapazität selbst in Linz leider begrenzt ist“.