Klimaverhandlungen

Über dem Limit

In einem Monat startet der Pariser Klimagipfel, doch bis zu einem Erfolg ist es noch ein holpriger Weg: Die Selbstverpflichtungen von mehr als 150 Ländern reichen bislang nicht aus, um das Zwei-Grad-Ziel zu halten. Immerhin einen Textentwurf gibt es nun – allerdings mit vielen offenen Fragen.
Von:  Joachim Wille
29.10.2015 | Aktualisierung: 29.10.2015 | 3 Min.

Das Limit liegt bei zwei Grad. Stärker soll sich die Erde nicht aufheizen. Der neue Weltklimavertrag, über den im Dezember in Paris verhandelt wird, soll das sicherstellen. Doch schon jetzt ist klar: Die freiwilligen Klimapläne der über 190 Länder, die das Kernstück des geplanten „Paris-Protokolls“ darstellen, werden nicht ausreichen, um das Zwei-Grad-Limit halten zu können. Die Welt sei auf einem „Drei-Grad-Pfad“, sagte EU-Kommissar Cañete unlängst auf einer UN-Tagung in Marokkos Hauptstadt Rabat, die die freiwilligen Selbstverpflichtungen bewertete.

Mehr als 150 Länder haben solche Selbstverpflichtungen – in der Klimadiplomatensprache heißen sie INDCs – vorgelegt. Zusammen sind sie für knapp 90 Prozent des weltweiten Treibhausgas-Ausstoßes verantwortlich. Zum Vergleich: Das 1997 geschlossene Kyoto-Protokoll verpflichtet 35 Länder zum CO2-Sparen, die für 14 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind. Es sind allesamt Industrieländer, während der Paris-Vertrag auch die Schwellen- und Entwicklungsländer in die Pflicht nehmen soll.

Immerhin der Textentwurf steht

Cañete sieht die Selbstverpflichtungen durchaus als ersten Erfolg. Es sei „eine riesige Veränderung – vom Handeln der Wenigen zum Handeln von allen". Tatsächlich wird die Erderwärmung bis 2100 ein Grad geringer ausfallen, wenn sie umgesetzt werden. Der „Climate Action Tracker“, eine Initiative mehrerer Forschungsinstitute, erwartet nun eine Erwärmung um 2,7 statt um 3,6 Grad. Bereits zuvor hatten Klimaexperten vom Washingtoner „Climate Interactive Institute“ die INDCs von 72 Ländern, darunter fast alle Großemittenten, bewertet. Sie kamen zu dem Ergebnis, die Welt sei auf einem 3,5-Grad-Pfad. Klar ist allerdings in jedem Fall: Die Selbstverpflichtungen reichen nicht aus, um im Zwei-Grad-Limit zu bleiben.

Ein Problem bei den CO2-Prognosen ist, dass es viele unterschiedliche Berechnungsmethoden gibt. Die EU hat beschlossen, ihre Emissionen bis 2030 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Die USA wollen den Ausstoß bis 2025 um 26 bis 28 Prozent mindern, Basisjahr ist hier aber 2005. China verspricht, die Emissionen nur noch maximal bis 2030 ansteigen zu lassen, und Indien hat nur ein relatives CO2-Ziel im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum. Hinzu kommt, dass in Paris ein „Langfristziel“ beschlossen werden soll, das kompatibel mit dem Zwei-Grad-Limit ist. Hier könnte „ein Wechsel zu 100 Prozent erneuerbaren Energien" oder "die vollständige Dekarbonisierung der Weltwirtschaft bis zum Ende des Jahrhunderts" festgeschrieben werden.

Unterdessen steht immerhin der Textentwurf für das Paris-Protokoll. Die Klimadiplomaten aus aller Welt haben ihn nach einer Serie von Verhandlungsrunden fertiggestellt und die Arbeit damit an die zuständigen Minister ihrer Länder übergeben. Sie sollen nun auf dieser Grundlage ein Klimaabkommen aushandeln. Kein einfacher Job, denn der Text wurde auf der letzten Vorkonferenz in Bonn von praktikablen 20 auf 51 Seiten aufgebläht. Er enthält nun deutlich mehr umstrittene Formulierungen und Textvarianten, die in eckigen Klammern stehen.

Zähe Verhandlungen

Dass der Text so lang geworden ist, zeigt, wie tief die Gegensätze in einigen Grundsatzfragen zwischen den Ländergruppen immer noch sind. Umstritten sind nicht nur die Emissionsziele, sondern vor allem auch Finanzierungsfragen. Die Industriestaaten haben beim Klimagipfel In Kopenhagen 2009 versprochen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutz und -anpassung in den Entwicklungsländern zu mobilisieren. Bisher ist noch immer unklar, woher diese Summe kommen soll und welche Zahlungen darauf angerechnet werden können. Beobachter sehen die Chance, dass die Minister schon bei einem Vortreffen in Paris vom 8. bis 10. November die wichtigsten Streitpunkte klären können, bevor am 29. November der eigentliche Gipfel beginnt.

Die Umweltverbände kritisierten unisono die zähen Verhandlungen in Bonn. Trotzdem gibt es Licht am Ende des Konferenztunnels. In Bonn seien durchaus die Voraussetzungen für ein ambitioniertes Klimaabkommen in Paris geschaffen, meint Greenpeace-Experte Martin Kaiser. „Das Herzstück eines guten Klimavertrags steht wieder im Text: der langfristige Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas als Teil einer globalen Energiewende hin zu 100 Prozent Erneuerbaren.“ Auch gute Optionen, wie die ärmsten und am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder unterstützt werden können, fänden sich jetzt im Entwurf. „Beides ist gut und wichtig.“

Enttäuscht zeigt sich der Experte darüber, dass der Textentwurf zu unkonkret und zu wenig entschlossen sei. Dafür hätten vor allem die ölexportierenden Länder gesorgt. „In den verbleibenden Tagen vor Paris müssen Deutschland, die USA und andere progressive Regierungen den Einfluss der Öl-Lobby zurück drängen und die Kernelemente wie 100 Prozent Erneuerbare bis 2050 festzurren“, fordert Kaiser.

 

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