Weltklimakonferenz

COP30 in Brasilien: Die Welt ringt um das 1,5-Grad-Ziel

Auf der Weltklimakonferenz in Brasilien muss die Staatengemeinschaft dringend handeln, um die Erderwärmung zu begrenzen. Doch die vorliegenden nationalen Pläne sind großteils unzureichend.
Von:  Frank Lassak
31.10.2025 | 7 Min. | 1
Erschienen in: Ausgabe 11/2025
Kipppunkt Belém: Kann sich die Staatengemeinschaft auf wirksame Maßnahmen und eine faire Klimawendefinanzierung einigen?
Kipppunkt Belém: Kann sich die Staatengemeinschaft auf wirksame Maßnahmen und eine faire Klimawendefinanzierung einigen?
Foto: AdobeStock

Wenn sich ab dem 11. November Tausende Delegierte aus knapp 200 Staaten auf der Weltklimakonferenz COP30 im brasilianischen Belém versammeln, geht es bei den Verhandlungen nicht um symbolische Akte multilateraler Diplomatie, sondern – einmal mehr – um die Rettung des Planeten. Mit verbindlichen Beschlüssen, denen reale Maßnahmen folgen müssen, kann die Erderwärmung womöglich unter der kritischen Schwelle von zwei Grad Celsius gehalten werden. Sicher ist das nicht.

Klar ist hingegen: Das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens von 2015 rückt angesichts der aktuellen Emissionstrends in weite Ferne. Nie zuvor wurde so viel Kohlendioxid in die Atmosphäre abgegeben wie 2024, wie die Weltorganisation für Meteorologie kürzlich mitteilte. Auch die Konzentration des Treibhausgases Methan sei auf einen Rekordwert gestiegen. Kein Wunder, dass das seinerzeit in Paris ebenfalls formulierte Zwei-Grad-Ziel nun auch auf der Kippe steht. Jüngste Studien beziffern den Anstieg der Erderwärmung bis Ende des Jahrhunderts inzwischen mit 2,5 bis 2,9 Grad Celsius – selbst wenn alle bislang aufgestellten nationalen Klimapläne (NDC) umgesetzt würden.

Dass die Konferenz zum ersten Mal in der Amazonasregion stattfindet – einem der zentralen Klimakipppunkte –, ist umstritten und hat vor allem politische Gründe: Brasiliens Regierungschef Luiz Inácio Lula da Silva will im Kampf gegen die Klimakrise Punkte sammeln und setzt den Schutz des Regenwalds ganz oben auf die Agenda. „Man kann nicht über die Rettung des Planeten sprechen, ohne über die Rettung des Amazonas zu sprechen“, sagt er. „Deshalb muss die ganze Welt nach Belém kommen, sehen – und endlich handeln.“

Ausbau erneuerbarer Energien verfehlt gesteckte Ziele

Die Rettung des Amazonas allein dürfte freilich nicht reichen, um die Erderwärmung wirksam einzudämmen. Wie viel mehr unternommen werden muss, verdeutlicht ein Anfang Oktober von der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (Irena), der COP30-Präsidentschaft Brasiliens und der Global Renewables Alliance gemeinsam veröffentlichter Bericht. Demnach blieben die Staaten trotz Rekordzubauten von 582 Gigawatt im Jahr 2024 weit hinter den Ausbauzielen für erneuerbare Energien und Energieeffizienz zurück. Um die auf der COP28 in Dubai vereinbarte Verdreifachung der weltweiten Kapazität bis 2030 zu erreichen, müssten pro Jahr mehr als 1100 Gigawatt installiert werden – rund doppelt so viel wie bisher.

Auch bei der Energieeffizienz gibt es viel Nachholbedarf: Statt der nötigen vier Prozent pro Jahr lag die Verbesserung 2024 bei nur einem Prozent. Der Bericht fordert daher, die Ziele für den Ausbau erneuerbarer Energien in die NDCs aufzunehmen und die Investitionen dafür auf jährlich mindestens 1,4 Billionen US-Dollar zu steigern. „Jeder investierte Dollar schafft Wachstum, Arbeitsplätze und Energiesicherheit“, sagt Irena-Chef Francesco La Camera. Ohne sofortige Reformen „verpassen wir das 1,5-Grad-Ziel endgültig“.

Schnellere Veränderungen aufgrund des Klimawandels als erwartet

Derzeit nähern wir uns sehr schnell mehreren Klimakipppunkten.“ Tim Lenton, Klimaforscher
Die Zeit drängt, warnt auch der britische Klimaforscher Tim Lenton: „Derzeit nähern wir uns sehr schnell mehreren Klimakipppunkten, deren Überschreiten verheerende Folgen für Mensch und Natur hätte.“ Teile des globalen Klimasystems – darunter der grönländische Eisschild, der Amazonasregenwald und die atlantische Umwälzströmung – befänden sich bereits in einem kritischen Bereich. „Die Veränderung findet viel schneller statt als erwartet“, so Lenton. Das seien keine abstrakten Szenarien mehr, sondern physikalisch messbare, sichtbare Veränderungen – etwa die beschleunigte Gletscherschmelze oder das Korallensterben. Jeder weitere Temperaturanstieg in der Biosphäre, selbst um wenige Zehntelgrad, erhöhe die Wahrscheinlichkeit, irreversible Prozesse in Gang zu setzen. Die Erderwärmung sei kein linearer Vorgang, so Lenton, sie nehme exponentiell zu – in Richtung des point of no return.

„Zehn Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen muss sich die Weltklimakonferenz dringend weiterentwickeln“, betont Laura Schäfer, Bereichsleiterin Internationale Klimapolitik bei Germanwatch. „Verhandeln allein reicht nicht mehr.“ Es brauche harte Maßnahmen sowie Regelungen für deren Umsetzung und Überwachung. Entscheidend sei, ob die in Belém vertretenen Staaten und nicht-staatlichen Organisationen aus der Vielzahl unverbindlicher Ankündigungen bindende Verpflichtungen machen – und sie einhalten. „Wir müssen den Klimaschutz dringend verschärfen“, fordert auch UN-Klimasekretär Simon Stiell. „Dazu gehören NDCs, die mit der Begrenzung der Erwärmung auf maximal zwei Grad vereinbar sind und durch glaubwürdige Umsetzungspläne gestützt werden.“ Doch genau daran mangelt es. Zwar haben mehr als 130 Staaten inzwischen überarbeitete NDCs eingereicht. Die unabhängige Analyseplattform Climate Action Tracker (CAT) stuft aber nur eine Handvoll dieser Pläne als „nahezu ausreichend“ ein. Die meisten Pläne seien „unzureichend“ oder „hochgradig unzureichend“, da sie entweder auf vagen Absichtserklärungen beruhten oder zentrale Emissionssektoren wie Industrie, Verkehr oder Landwirtschaft ausklammerten. Hinzu kommt: Viele NDCs sind rechtlich nicht bindend, sondern basieren auf freiwilligen Selbstverpflichtungen – ohne staatliche Durchsetzungsmöglichkeit, ohne Monitoring, ohne Haftung bei Misserfolg.

Deutschlands Beitrag zur globalen Minderung sei „unzureichend“

Wie schlecht sogar ambitionierte Industrienationen in dem Ranking abschneiden, zeigt die Bewertung Deutschlands: CAT stuft das nationale Ziel, den Treibhausgasausstoß bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, zwar als „nahezu ausreichend“ ein. Im internationalen Vergleich fällt das Urteil aber deutlich schlechter aus. „Wenn alle Länder denselben Ansatz wie Deutschland verfolgten, steuerte die Erde auf eine Erwärmung zwischen zwei und drei Grad zu“, heißt es in dem Bericht. Der faire Anteil Deutschlands an der globalen Minderung sei „unzureichend“.

Grund dafür sei nicht die fehlende Zielsetzung, sondern die Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Vor allem im Verkehrs- und Gebäudesektor fielen weiterhin zu hohe Emissionen an, während politische Reformen – etwa die Abschaffung verbindlicher Sektorziele – die Gesetzgebung weiter schwächten. Die Klimapolitik der Bundesregierung drohe, bestehende Fortschritte bei der Emissionsminderung in den Bereichen Energie, Verkehr und Gebäude massiv zu untergraben, so das CAT-Urteil. Auch die internationale Klimafinanzierung Deutschlands sei „unzureichend“ – sie müsste sich mindestens verdreifachen, um als fair zu gelten.

Klimafinanzierung: Anstiegt auf 1,3 Billionen US-Dollar jährlich?

Die internationale Klimafinanzierung muss als Zuschuss bereitgestellt werden, nicht in Form von Krediten.“ Offener Brief, Climate Action Network
Die Finanzierung der Klimawende im globalen Süden ist seit Langem ein zentraler Streitpunkt. So wird es in Belém nicht nur um Emissionen gehen, sondern wieder einmal um Geld – viel Geld. Laut der sogenannten Baku-to-Belém-Roadmap, einem auf der COP29 im vorigen Jahr geschmiedeten Plan, soll die weltweite Klimawendefinanzierung von aktuell weniger als 500 Milliarden US-Dollar pro Jahr bis 2035 auf mindestens 1,3 Billionen US-Dollar jährlich ansteigen. Zu den Details des Plans gehört indes, dass ein erheblicher Teil des Geldes in Form von Krediten und Versicherungspolicen vergeben werden soll. Für viele Klimaschutzorganisationen ist das ein No-Go: „Die internationale Klimafinanzierung muss als Zuschuss bereitgestellt werden, nicht in Form von Krediten“, forderte etwa das Climate Action Network in einem offenen Brief Anfang Oktober. „Die Schuldenlast ist für viele ärmere Länder schon heute untragbar.“ Fraglich ist, ob die Forderung erfüllt werden kann; sicher ist, dass sie für Zündstoff sorgen wird.

Dafür sorgt auch ein kurz vor Beginn der Konferenz veröffentlichter Bericht von Finanzministerinnen und -ministern aus 35 Ländern unter brasilianischer Führung. Er fordert weitreichende Reformen bei multilateralen Entwicklungsbanken, angepasste Kreditratings und regulatorische Hebel zur Mobilisierung privaten Kapitals. Der von der brasilianischen Finanzstaatssekretärin Tatiana Rosito mitinitiierte Bericht nennt fünf konkrete Maßnahmen:

  1. mehr Zuschüsse für die Länder des Globalen Südens
  2. resiliente staatliche Klimafinanzierungsplattformen
  3. bessere Klimarisikoversicherungen
  4. angepasste regulatorische Rahmenbedingungen und
  5. eine stärkere Verzahnung mit nationalen Entwicklungspfaden.

Erst vor Kurzem hat Brasilien zudem die Auflage eines internationalen Waldschutzfonds angeregt. Die Tropical Forest Forever Facility soll mit mindestens 125 Milliarden US-Dollar ausgestattet werden, gespeist aus öffentlichen und privaten Mitteln. Ob der Fonds zustandekommt und wie liquide er sein wird, hängt davon ab, wie viel die Industrieländer bereit sind einzuzahlen.

Forderung nach ziviler Teilhabe in Belém

Derweil steigt in der Zivilgesellschaft der Druck. In einer gemeinsamen Erklärung fordern mehr als 300 NGOs aus Afrika, Lateinamerika und Südostasien, dass auf der COP30 ein reeller Rechtsrahmen für Klimagerechtigkeit etabliert wird: „Ohne rechtsverbindliche Verpflichtungen für reiche Länder wird die Klimakrise zu einer ausgewachsenen globalen Katastrophe“, heißt es in der Erklärung. Auch in Sachen Transparenz gibt es noch Luft nach oben: Auf der COP28 in Dubai hatten etliche Staaten des Globalen Südens beklagt, dass viele Entscheidungen hinter verschlossenen Türen getroffen würden – ohne zivilgesellschaftliche Stimmen zu hören. So dürfte die Forderung nach Teilhabe in Belém lauter werden als je zuvor. Der Indigenous Peoples’ Caucus (IPC), ein Zusammenschluss indigener Delegierter, hat bereits eigene Vorschläge für Waldschutz, Landrechte und Klimaresilienz angekündigt. „Der Amazonas ist nicht nur ein Wald – er ist unser Zuhause“, so IPC-Sprecherin Célia Xakriabá. „Wir werden nicht zulassen, dass über seine Zukunft ohne uns verhandelt wird.“

Kommentare (1)

Wenn man die bisherigen Erfolge der letzten Konferenzen betrachtet, kann man auch diesmal keinen wirklichen Fortschritt erwarten. Es ist zum Haare raufen!

10.11.2025 - 08:40 | Leo III.

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