RED III

Tempo und Qualität vereinen

Die Umsetzung der EU-Richtlinie RED III in geltendes Recht kommt in Deutschland nur schleppend voran. Droht der Ausbau der Erneuerbare-Energien-Branche ins Stocken zu geraten? Verbände und Umweltorganisationen machen Druck auf die Politik.
Von:  Meike Naber
25.06.2025 | 4 Min.

Mit der novellierten Renewable Energy Directive III (RED III) hat die Europäische Union die Voraussetzungen für eine deutliche Beschleunigung des Ausbaus der erneuerbaren Energien geschaffen: schnellere Verfahren, ausgewiesene Beschleunigungsgebiete, digitale Antragswege. Die EU-Mitgliedstaaten waren verpflichtet, zentrale Elemente der Verordnung bis zum 21. Mai 2025 in nationales Recht umzusetzen. Deutschland hat diese Frist verstreichen lassen – trotz des politischen und regulatorischen Drucks aus Brüssel.

Hinzu kommt: Am 30. Juni 2025 läuft die EU-Notfallverordnung aus. Sie hatte seit Ende 2022 europaweit für beschleunigte Genehmigungsverfahren gesorgt. Eine nahtlose Anbindung durch RED III bleibt bislang aus – mit der Folge, dass Projektierer, Genehmigungsbehörden und Investoren ab Juli wieder in alte Verfahrensschemata zurückfallen könnten.

Ein Blick in die Praxis zeigt, was auf dem Spiel steht: Der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) warnt, dass allein im Solarbereich aktuell mehrere Hundert Freiflächenprojekte mit zusammen mehr als zehn Gigawatt (GW) Leistung genehmigt, aber noch nicht realisiert sind – wegen fehlender Klarheit über den Rechtsrahmen nach Ende der Notfallverordnung, aufgrund bestehender Engpässe beim Netzanschluss und infolge geringer Umsetzungskapazität der Genehmigungsbehörden.

Ohne Neuregelung droht ein Rückfall

Ohne Anschlussregelung drohen ähnliche Projektstaus im Windbereich: Auch dort ist die Dynamik stark gestiegen; viele Vorhaben könnten ins Stocken geraten. Die Notfallverordnung hat Verfahren deutlich verkürzt. Ohne eine Anschlussregelung droht ein Rückfall in die Ära langwieriger Genehmigungsprozesse.

Bislang liegt kein verabschiedetes Umsetzungsgesetz vor. Es steht der neuen Bundesregierung frei, den Referentenentwurf aus dem Sommer 2024 – sei es in unveränderter Form oder in modifizierter Fassung – erneut in den Bundestag einzubringen. Aktuell zeichnet sich ein zweistufiges Vorgehen ab: zunächst eine kurzfristige Übergangsregelung, anschließend ein vollständiges Umsetzungspaket – dem Vernehmen nach im ersten Quartal 2026.

Die Branche warnt bereits vor den Folgen: Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE), kritisiert, dass „das Nebeneinander widersprüchlicher Vorgaben“ zu „unnötiger Mehrarbeit und Konfusion in den Behörden“ führe. In einer aktuellen Stellungnahme betont der BEE zudem, dass sich die Bedeutung von RED III nicht auf die Stromerzeugung beschränke: Auch Wärmesektor, Biogas, Wasserstoffwirtschaft und der Verkehrsbereich seien betroffen. Die Umsetzung müsse deshalb sektorenübergreifend und koordiniert erfolgen. Ziel sei es, so der Verband, „die in der Notfallverordnung angestoßenen Beschleunigungseffekte dauerhaft zu verankern“.

Auch Umweltorganisationen drängen: So fordert Flore Belin, Expertin für erneuerbare Energien beim Climate Action Network Europe (Can Europe): „Eine robuste Umsetzung muss Tempo und Qualität vereinen – mit echter Öffentlichkeitsbeteiligung, transparenter Planung und klaren Umweltstandards.“ Und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland warnt: „RED III bietet die Chance, Naturschutz und Energiewende zu verbinden – aber nur, wenn jetzt gehandelt wird.“

Ausbaudynamik steht auf der Kippe

Der jüngst erschienene Windreport Q2/2025 des Thinktanks Goal 100 zeigt überdies, wie stark die befristeten Verfahrenserleichterungen der EU-Notfallverordnung den Ausbau der Windenergie an Land beschleunigt hatten. Im ersten Halbjahr 2025 wurden bundesweit 6,9 GW genehmigt – ein Zuwachs von 74 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders dynamisch entwickelte sich der Ausbau in Nordrhein-Westfalen (plus 181 Prozent) und Bayern (plus 104 Prozent), wo die Genehmigungslage zuvor jahrelang stagniert hatte.

Zugleich hatten sich die Genehmigungsdauern deutlich verkürzt: im Bundesdurchschnitt auf 18,8 Monate, in Baden-Württemberg sogar auf nur 7,8 Monate – ein Spitzenwert. Goal 100 sieht darin einen Beleg für die Wirkung der temporär vereinfachten Verfahren und warnt: „Die Notfallverordnung hat Genehmigungsverfahren deutlich beschleunigt. Ohne eine rechtsverbindliche Anschlussregelung droht ab Juli 2025 ein Rückfall in die strukturelle Überforderung.“

Tatsächlich stieg das Neuantragsvolumen bereits im ersten Halbjahr 2025 um 25 Prozent, was viele Genehmigungsbehörden an ihre Kapazitätsgrenzen bringe. Ohne Fortsetzung der Verfahrensbeschleunigung stehe die aktuelle Ausbaudynamik daher auf der Kippe. Das Ziel von 117 GW installierter Windleistung bis 2030 sei zwar weiterhin technisch erreichbar. Mit aktuell nur 47 GW realisierter Leistung und genehmigten Projekten von insgesamt 13 GW bleibt die Lücke aber groß. Ohne stabile Genehmigungsgrundlage sei ein kontinuierlicher Hochlauf kaum möglich.

Druck auf die Politik

Angesichts dieser Zahlen wächst der Druck auf die Politik. Führende Verbände der Erneuerbaren-Branche fordern konkrete Schritte, um die drohende Lücke zwischen EU-Vorgabe und nationalem Rechtsrahmen zu schließen – und die Dynamik der vergangenen Monate strukturell abzusichern. Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) und der Bundesverband WindEnergie (BWE) haben konkrete Vorschläge vorgelegt, um zentrale Regelungslücken zu schließen. Dabei geht es nicht nur um Übergangslösungen, sondern um strukturelle Fortschritte: etwa eine dauerhafte Sicherung beschleunigter Verfahren, die rechtssichere Ausweisung von Beschleunigungsgebieten und verlässliche Rahmenbedingungen für Investitionen.

Während der BEE ein sektorspezifisches, abgestimmtes Gesamtkonzept fordert, das die dynamischen EU-Vorgaben dauerhaft im nationalen Rechtsrahmen verankert, zielt der BWE auf präzise gesetzgeberische Maßnahmen zur Beschleunigung von Windenergieprojekten. Auf Planungsebene sind insbesondere folgende Punkte wichtig: eine klare und rechtssichere Ausgestaltung der Gebietsausschlüsse, ein richtlinienkonformes Artenspektrum bei den Minderungsmaßnahmen, die weitergehende Standardisierung im Bereich der Minderungsmaßnahmen sowie die Aufnahme einer Pflicht zur Festlegung von Minderungsmaßnahmen für Energiespeicheranlagen. Besonders dringlich sei es, eine Regelungslücke für bereits ausgewiesene Beschleunigungsgebiete zu verhindern, die mit dem Auslaufen der EU-Notfallverordnung akut droht. „Eine weitere Verzögerung von RED III sowie ein Auslaufen der EU-Notfallverordnung“, heißt es dazu vonseiten des BWE, „bedeuten einen erheblichen Rückschlag für den Windenergieausbau und die inzwischen in Gang gekommene Genehmigungspraxis.“

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