Deutsch-dänische Kooperation

Bornholm Energy Island: Ein Stromdrehkreuz mitten in der Ostsee

Bornholm wird zur ersten Energieinsel Europas: Das deutsch-dänische Gemeinschaftsprojekt möchte Strom aus Offshore-Windparks zunächst bündeln und dann weiterleiten, statt jeden Windpark landseitig anzuschließen. Mitte der 2030er Jahre soll das Projekt in Betrieb gehen.
Von:  Jörg Staude
08.10.2025 | 4 Min.
Erschienen in: Ausgabe 10/2025
Logistik: Turmelemente von Offshore-Windkraftanlagen werden im Hafen von Rønne verladen.
Logistik: Turmelemente von Offshore-Windkraftanlagen werden im Hafen von Rønne verladen.
Foto: Patrick Pleul / dpa / picture alliance

Anstatt jeden Offshore-Windpark über Dutzende und mehr Kilometer landseitig aufwendig anzuschließen, könnten im tiefen Wasser um Inseln herum gruppierte Windparks ihren Strom erst einmal dorthin liefern. Von der Insel aus ließe er sich dann gebündelt weiterleiten – oder in andere Energieträger umwandeln, etwa in grünen Wasserstoff oder E-FuelsSynthetische Kraftstoffe (daher auch Synfuels genannt), die mithilfe von Strom aus Wasser und CO2 erzeugt werden.Synthetische Kraftstoffe (daher auch Synfuels genannt), die mithilfe von Strom aus Wasser und CO2 erzeugt werden.. Das würde Offshore-Betreibern gegen schwankende Preise am Strommarkt helfen.

Fünf Jahre ist es her, seit Dänemark im Rahmen seines damals beschlossenen Klimaplans angekündigt hatte, als erstes Land von einzelnen Offshore-Windparks zu einer Insellösung überzugehen. Bis 2030 sollten zwei Energieinseln im dänischen Seegebiet sowie in der Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) entstehen: eine auf Bornholm in der Ostsee und die andere als künstliche Insel in der Nordsee.

Ob die Insel in der Nordsee jemals realisiert wird, ist allerdings ungewiss. Anfangs sollte deren Bau samt Windpark noch 28 Milliarden Euro kosten, inzwischen belaufen sich die prognostizierten Kosten auf 34 Milliarden Euro. Anders auf Bornholm: Dort gehe man gerade von der Planung und Entwicklung in die Realisierung über, teilte das dänisch-deutsche Gemeinschaftsprojekt Bornholm Energy Island kürzlich mit. Unlängst bestellten die beiden an dem Projekt beteiligten Übertragungsnetzbetreiber Energinet und 50Hertz bei Siemens Energy vier Konverter samt weiterer Technik. In Auftrag gegeben sind ferner die Stromtrassen von Bornholm zu den jeweiligen Küsten. Die Anbindung an den Greifswalder Bodden in Vorpommern soll dabei eine Leistungsfähigkeit von zwei Gigawatt haben, das Stromkabel zum dänischen Seeland kann 1,2 Gigawatt Leistung vertragen.

Üppige Fördergelder von der EU

Zwei der vier Konverter, die Wechsel- in Gleichstrom umwandeln, werden künftig auf Bornholm stehen. Ergänzt um ein Umspannwerk bilden sie das künftige Stromdrehkreuz mitten in der Ostsee. Insgesamt soll Bornholm Energy Island etwa sieben Milliarden Euro kosten und bis Mitte der 2030er Jahre in Betrieb gehen. Aus dem Programm Connecting Europe Facility (CEF) hat die EU dafür eine Förderung von 645 Millionen Euro an Energinet bewilligt. Das Geld soll den dänischen Anteil an den Investitionskosten reduzieren, weil der größere Anteil des Stroms nach Deutschland fließen wird.

Anlässlich des Beginns der Bauarbeiten lobte 50Hertz-Chef Stefan Kapferer insbesondere die Bundesregierung. Sie habe bereits kurz nach Amtsantritt bis dahin ungelöste regulatorische Probleme aus dem Weg geräumt. Konkret ging es um Haftungsfragen, etwa falls wegen einer Störung oder bei Wartungsarbeiten kein Strom durch eine internationale Offshore-Netzanbindung fließen kann, wie eben von Bornholm nach Deutschland. Hintergrund: Laut geltender Rechtslage können nur Offshore-Windparks, die im deutschen Küstenmeer oder in der AWZ liegen und die ans deutsche Netz angebunden sind, bei Störungen oder Wartungsarbeiten Ausfallzahlungen für entgangene Einnahmen erhalten. Diese Entschädigungen zahlen die zuständigen Übertragungsnetzbetreiber. Sie können die Kosten ihrerseits auf die Netzentgelte überwälzen.

Damit das künftig auch für internationale Offshore-Anbindungen gilt, etwa für den Stromtransport über die Nord- und Ostsee, ergänzte die Bundesregierung den Gesetzentwurf zur „Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Energiebereich sowie zur Änderung weiterer energierechtlicher Vorschriften“: Der Absatz erweitert den Anwendungsbereich des Energiewirtschaftsgesetz-Paragrafen 17, indem er auch für internationale Offshore-Anbindungsleitungen eine Versicherungspflicht für Übertragungsnetzbetreiber einführt, sodass bei Störungen oder Wartungsarbeiten Entschädigungen fließen können. Die energierechtlichen Änderungen sind bereits vom Bundeskabinett beschlossen, müssen vom Bundestag aber noch bestätigt werden. Mit der Neuregelung bekam nicht nur das Bornholmer Projekt grünes Licht. Künftig sind auch weitere Offshore-Vernetzungen unter den Anrainerstaaten von Nord- und Ostsee möglich.

Stromdrehkreuz über Offshore-Wind hinaus

Während das Stromdrehkreuz nun Gestalt annimmt, sind die beiden großen Offshore-Windparks vor Bornholm noch nicht in Bau. Geplant ist eine Erzeugungskapazität von gesamt bis zu 3,8 Gigawatt. Die konkreten Flächen und das Ausschreibungsdesign festzulegen, sei eine Angelegenheit des dänischen Staates, teilt 50Hertz dazu mit. Der Zeitplan sei aber so gestaltet, dass die Inbetriebnahme der deutschen Anbindungsleitung mit der des Windparks synchronisiert ist. Der Netzbetreiber geht aktuell davon aus, dass das Bornholmer Gesamtsystem aus Offshore-Windparks und Netzinfrastruktur Mitte der 2030er Jahre in Betrieb gehen kann.

Zum Betriebskonzept gehört dabei nicht nur, den Offshore-Strom zu verteilen. Allein dadurch wäre die Kapazität des Stromdrehkreuzes nicht voll ausgelastet, räumt 50Hertz ein und verweist auf den Doppelcharakter des Projekts: Bornholm Energy Island diene als sogenannter hybrider Interkonnektor auch dem Stromaustausch im europäischen Binnenmarkt. Der größte Teil des Bornholmer Stroms soll in Richtung Deutschland fließen, falls es hierzulande künftig ausreichenden Bedarf gibt.

Zwar steige derzeit der Stromverbrauch in Deutschland langsamer als ursprünglich prognostiziert, weil insbesondere die Elektrifizierung in Verkehr, Wärme und bei der Produktion von grünem Wasserstoff langsamer voranschreite, wie Stefan Thimm auf Nachfrage bestätigt. Der Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie Offshore (BWO) geht aber weiterhin von einem deutlichen Anstieg des Strombedarfs in Deutschland aus – nicht zuletzt aufgrund neuer Rechenzentren, die für KI-Dienste gebraucht werden. Für Thimm bestätigt auch der Versorgungssicherheitsbericht der Bundesnetzagentur die zentrale Rolle der Erneuerbaren bei der Stromversorgung: „Offshore-Windenergie leistet hierbei mit hohen Volllaststunden und der Nähe zur Grundlast einen wesentlichen Beitrag“, so der BWO-Chef.

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