Eine Serie von Mega-Überflutungen suchte Staaten in Mittel- und Osteuropa in den letzten zwölf Monaten heim. Hierzulande gab es großräumige Überschwemmungen im Saarland, in Norddeutschland, Baden-Württemberg und Bayern. Im September kam es dann zur Flut-Großkatastrophe in Polen, Tschechien und Österreich. Nach den extremen Trockenjahren 2018 bis 2020 und 2022 macht das deutlich: Die Anpassung an den sich weiter verstärkenden Klimawandel ist vordringlich. Ein neuer Bericht des Europäischen Rechnungshofes zeigt nun, dass die EU-Länder zwar schon viel Geld dafür ausgeben. Doch es müsste noch viel mehr aufgewendet und vor allem effektiver eingesetzt werden.
Laut dem Report „Anpassung an den Klimawandel in der EU“ haben die vom Klimawandel mitverursachten Extremwetterereignisse in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich zugenommen. Die wirtschaftlichen Schäden werden darin im jährlichen Durchschnitt seit 2014 auf 26 Milliarden Euro beziffert. Steigt die globale Erwärmung dauerhaft auf 1,5 Grad über das vorindustrielle Niveau, könnten es „nach vorsichtiger Schätzung“ 42 Milliarden sein, bei drei Grad sogar 175 Milliarden, so der Bericht. Dass die Schäden bereits jetzt die EU-Volkswirtschaften überfordern können, zeigt etwa die Flutkatastrophe vom September. Hilfen in Höhe von zehn Milliarden Euro hat die EU-Kommission den betroffenen Ländern zur Verfügung gestellt Es handele sich um „eine Notfallreaktion“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Besuch im polnischen Flutgebiet bei Breslau.
Richtige Richtung
Grundsätzlich bewertet der Report die präventiven Strategien zur Klimaanpassung positiv. Bei der Umsetzung hapert es jedoch vielfach, wie sich bei einem exemplarischen Check in vier Mitgliedsländern zeigte. Bei 36 untersuchten Projekten in Frankreich, Estland, Österreich und Polen ging es etwa um den Stopp von Küstenerosion wegen des steigenden Meeresspiegels, Schaffung von Überflutungsflächen an Flüssen, veränderte Praktiken in der Landwirtschaft und Renaturierung in Waldgebieten. „Im Allgemeinen“ hätten sie mit der EU-Strategie übereingestimmt, so der Report. Mehr als die Hälfte seien wirksam.
Andererseits hätten 40 Prozent nur wenig oder gar keine Wirkung gehabt – eine unerwartet hohe Quote. Ernüchternd war auch das Ergebnis eine Befragung von 400 Gemeinden: In den meisten der kommunalen Verwaltungen waren die EU-Anpassungsstrategien unbekannt, ebenso wurden die von der Union geschaffenen Programme (wie „Climate-ADAPT“, „Copernicus“ und der „EU-Konvent der Bürgermeister“) nicht genutzt.
Fragwürdige Maßnahmen
Die erste Anpassungsstrategie der EU wurde 2013 veröffentlicht, die zweite folgte 2021. Sie bestätigt, dass Europa dem Klimawandel besonders stark ausgesetzt ist. Die Mittel für Gegenmaßnahmen kommen aus mehreren EU-Töpfen wie Landwirtschaft, Kohäsion oder Forschung. Wie die Strategien konkret umgesetzt werden, entscheiden die Staaten. In Deutschland ist im zurückliegenden Juli das bundesweit geltende Klimaanpassungsgesetz in Kraft getreten. Darin werden die Länder beauftragt, Anpassungskonzepte für Kommunen undLandkreise erstellen zu lassen.
Das Ergebnis ist längst nicht immer zielführend, der Rechnungshof-Bericht benennt mehrere solcher Fälle: In einem landwirtschaftlichen Projekt sei die Bewässerung wasserintensiver Pflanzen gefördert worden, anstatt auf Sorten umzustellen, die weniger Wasser brauchen. Als nicht zukunftsweisend wird auch eine Maßnahme aufgeführt, bei der in einem Skigebiet in energiesparende Schneekanonen investiert wurde, anstatt auf Ganzjahrestourismus zu setzen. Sogar völlige Fehlentwicklungen seien möglich: So waren etwa im Risikogebiet eines Hochwasserschutzprojekts weiterhin Genehmigungen für den Bau neuer Häuser erteilt worden.
Der Bericht resümiert, die Umsetzung von Anpassungsstrategien auf EU- sowie nationaler Ebene in lokale Vorschriften müsse dringend optimiert werden. Klaus- Heiner Lehne (CDU), beim Rechnungshof für die Prüfung zuständig, kommentiert: „Ohne eine verbesserte Umsetzung der Maßnahmen droht die EU bei der Anpassung an den Klimawandel den Anschluss zuverlieren.“