Stiftung UmweltEnergieRecht - 25 Jahre EEG
Interview der Woche

„Gabriel wird es sich nicht mit der Großindustrie verderben…“

…sagt Uwe Leprich von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Saarbrücken. Der Energieexperte wirft einen kritischen Blick auf die Reformpläne des neuen Energieministers. Leprichs Urteil: Die Interessen der Energiekonzerne stehen bei Sigmar Gabriel hoch im Kurs, während Wind an Land, Solarenergie und vor allem Biomasse ausgebremst werden.
Interview: Jörg-Rainer Zimmermann
03.02.2014 | Aktualisierung: 03.02.2014 | 5 Min.

neue energie: Sigmar Gabriel hat weitreichende Vorschläge zu Änderungen des EEG vorgelegt. Ist die Energiewende damit tot?

Uwe Leprich: Nein, sicher nicht. Sie wäre erst dann tot, wenn die Mehrheit der  Bevölkerung  sie nicht mehr einfordern würde. Davon ist aber überhaupt nicht auszugehen, allen Kampagnen und Irritationen der letzten zwei Jahre zum Trotz. Aber zu behaupten, durch Gabriels Vorschläge würde sie nun endlich wieder Rückenwind bekommen, wäre auch stark übertrieben.

ne: Könnten die Vorschläge – auch angesichts der Kürze der Zeit – Gabriel in die Schublade gelegt worden sein, von der letzten Bundesregierung?

Leprich: Abgesehen davon, dass vieles ja noch unkonkret ist, stimmt die Richtung mit dem überein, was auch die Arbeitsebene des Bundesumweltministeriums in den letzten Jahren vertreten hat: Direktvermarktung nun auch obligatorisch, um die Erneuerbaren dem ominösen Markt auszusetzen, Abwürgen der Biomasse und Abbremsen der Ausbaudynamik bei Wind und Photovoltaik. Das alles mit der Begründung, die EEG-Umlage dürfe auf keinen Fall mehr weiter steigen, der nachhinkende Netzausbau erfordere ein langsameres Ausbautempo und die fossilen Kraftwerke dürften nicht zu stark unter Druck geraten, da man sie noch brauche. Diese Linie wird offensichtlich nun unverändert übernommen.

ne: Betrachten wir die Gabriel-Vorschläge im Detail. Ist mit den genannten Regelungen ein weiterer schneller Erneuerbaren-Ausbau noch möglich?

Leprich: Der Ausbau von Offshore-Wind als Betätigungsfeld der großen europäischen Energiekonzerne genießt bei der neuen Bundesregierung offensichtlich die höchste Priorität, er ist maximal abgesichert, wenn auch auf einem niedrigeren Niveau als ursprünglich einmal geplant. Merkwürdig ist, dass hier eine Belastung der politisch so stark im Feuer stehenden EEG-Umlage offensichtlich hingenommen wird. Bei der Photovoltaik soll nichts verändert werden, das heißt, hier ist man mit einer Zubaukapazität im Rahmen des EEG von unter drei Gigawatt offensichtlich zufrieden. Ob der ‚freie Markt‘ signifikante Zusatzkapazitäten ermöglichen wird, bezweifele ich, lasse mich aber gerne überraschen.

Biomasse wird maximal gebremst. Ohne deutliche Verbesserung der Finanzierung sehe ich hier weder einen Zubau von bis zu 100 Megawatt pro Jahr noch Anlagenerweiterungen für eine Flexibilisierung des Bestands. Ich halte es durchaus nicht für ausgeschlossen, dass die Biomassenutzung zum Auslaufmodell erklärt wird mit dubiosen Argumenten wie ‚man brauche sie ausschließlich für den Verkehrssektor‘ oder ‚sie müsse in erster Linie zur Lösung des Welthungerproblems beitragen‘. Tatsächlich wird hier meines Erachtens eher die Kohlekarte gespielt, da Biomasse als einzige erneuerbare Energie in der Lage ist, den fossilen Must-run-Sockel zu reduzieren.

Bleibt der Ausbau von Wind onshore, dem Arbeitspferd der Energiewende. Zwar wird in den Eckpunkten der Wille artikuliert, jedes Jahr maximal 2500 Megawatt Wind onshore zubauen zu wollen. Aber ich werde den Verdacht nicht los, dass vieles dafür getan wird, diesen Wert deutlich zu unterschreiten. Zusammen mit dem Einbremsen der Biomasse und den Restriktionen bei der Photovoltaik soll mit Wind onshore offensichtlich nun die bislang wichtigste Säule der Systemtransformation und der Dezentralisierung des Gesamtsystems in die Schranken gewiesen werden.

ne: Welche Zubauwerte müssten wir jährlich erreichen, damit die Energiewende gelingt?

Leprich: 6,5 Gigawatt für Wind offshore sind ein realistischer Zielwert, 100 Megawatt für Bioenergieanlagen ein Auslaufmodell. Bei Photovoltaik wird ein Zubau von 2,5 Gigawatt pro Jahr angestrebt, womit im Jahr 2025 rund 65 Gigawatt installiert wären. Damit wäre die unnötige Deckelung bei 52 Gigawattdurch die alte Regierung hinfällig. Für Wind onshore würde sich die gleiche Größenordnung wie bei der Photovoltaik errechnen – 60 bis 65 Gigawatt installierte Leistung in 2025.

Mit den jährlichen Zubauwerten für Photovoltaik und Wind onshore lassen sich die Ausbauziele bis 2025 erreichen, vorausgesetzt sie verstehen sich als Nettozahlen und werden tatsächlich realisiert. Um aber den fossilen Must-run-Sockel zu reduzieren und damit die Abregelung der installierten Wind- und PV-Anlagen in signifikantem Umfang zu verhindern, bedarf es einer deutlich ehrgeizigeren Ausbau- und Flexibilisierungspolitik für Bioenergieanlagen.

ne: Welche Branche ist am härtesten betroffen?

Leprich: Wenn alles so bliebe wie in den Eckpunkten vorgeschlagen: ohne Frage die Bioenergie – und hier vor allem die Biogasbranche. Es stellt sich die Frage, wer unter diesen neuen Rahmenbedingungen dort überhaupt noch investieren soll – sei es in Neuanlagen oder in den Bestand. Es ist schon dramatisch zu beobachten, wie hier mit dem gleichen Eifer das Kind mit dem Bade ausgeschüttet wird, mit dem es früher zum Alleskönner der Energiewende gekürt wurde.

ne: Sollten die Vorschläge in dieser Form realisiert werden – welche Konsequenzen hätte dies für Wind an Land?

Leprich: Die alles entscheidende Frage wird sein, wie ernst es der Bundesregierung mit dem jährlichen Ausbauziel von 2,4 bis 2,6 Gigawatt tatsächlich ist, und was passiert, wenn sich dafür nicht genügend Investoren finden. Sollte es sich bei dem Zielwert um einen Nettowert, also abzüglich der stillgelegten Leistung beim RepoweringAustausch älterer Windräder durch moderne Anlagen am gleichen Standort., handeln, wären die angestrebten Anteilswerte der Erneuerbaren in Höhe von 40 bis 45 Prozent für 2025 von vorneherein illusorisch. Ist es der Bruttowert, bleibt abzuwarten, wie die Investoren auf die vielfältigen neuen Hürden und Verunsicherungen reagieren. Ob die Akteursstruktur so breit bleibt wie bisher und die Windenergie als Bürgerenergie erhalten bleibt, ist mit einem dicken Fragezeichen zu versehen.

ne: Zwei SPD-Ministerpräsidenten haben Gabriels Vorschläge stark kritisiert, man wirft ihm Kohle-Lobbyismus vor. Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie, Ulrich Grillo, lobt Gabriel hingegen. Für wen macht der Energieminister da Politik?

Leprich: Gabriel wird alles daran setzen, sich bei seiner Regierungsarbeit so zu positionieren, dass er bei den nächsten Wahlen eine echte Chance hat, Frau Merkel abzulösen. Diesem Ziel wird er alles unterordnen. Das bedeutet, dass er es sich nicht mit der Großindustrie und den Medien verderben wird.

 

Das vollständige Interview mit Uwe Leprich aus der Ausgabe 02/2014 von neue energie finden Sie in der Leseprobe-Version unseres ePapers.

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