Deutschland heizt fossil. Erdgas wärmt mehr als die Hälfte aller privaten Haushalte. Ölheizungen wummern in knapp einem Fünftel des Bestands. Auch die Fernwärme, heute in etwa 15 Prozent der Wohnungen verfügbar, ist von der Klimaneutralität noch weit entfernt. Erneuerbare Energien und unvermeidbare Abwärme etwa aus Zementwerken oder Kupferhütten liefern ein Drittel der Fernwärme. Im gesamten Wärmesektor steigt der Anteil erneuerbarer Energien von der Biomasse bis zur ökostrombetriebenen Wärmepumpe nur langsam an: auf gerade mal 18,1 Prozent im vergangenen Jahr. Höchste Zeit für eine Wärmewende.
Fast die Hälfte der deutschen Kommunen hat mit der Wärmeplanung begonnen
„Auch in Deutschland ist das Bewusstsein für die sehr hohe Dringlichkeit in den Kommunen angekommen“, sagt Arnold Drmic. Diese Einsicht gründet nicht zuletzt auf dem Wärmeplanungsgesetz. Es verpflichtet deutsche Großstädte, bis Juni 2026 einen konkreten Wärmeplan zu erarbeiten. Kommunen mit weniger als 100 000 Einwohnern haben zwei Jahre mehr Zeit. Dank großzügiger Förderung von 90 bis 100 Prozent der Kosten hat, Stand Mai 2025, knapp die Hälfte der 10 751 Kommunen mit der Wärmeplanung begonnen, 488 fertige Pläne liegen bereits vor.
Ein grobes Bild von Bestandsbauten und Potenzialen dient als Grundlage für einen möglichen Transformationspfad. Der mündet in einem selbst gesetzten Ziel, wie bis spätestens 2045 die Versorgung mit Wärme komplett klimaneutral gemacht wird.
Jeder Wärmeplan umfasst mehrere Komponenten. Essenziell ist die Bestandsaufnahme:
- Gibt es ein Fernwärmenetz, und wie viele Gebäude sind angeschlossen?
- Wie viele Haushalte befeuern ihre Heizungen mit Erdgas, Öl oder Holzpellets?
- Wie steht es um die Wärmedämmung der Gebäude?
Im Wärmeplan folgt ein Blick über die Potenziale für eine klimaneutrale Wärmeversorgung in der Zukunft:
- Können Fabriken oder Rechenzentren Abwärme liefern?
- Lässt sich das Wärmereservoir von Seen oder Flüssen mit großen Wärmepumpen anzapfen?
- Kann mehr Biomasse gewonnen oder überschüssiger Wind und Solarstrom für das Erhitzen von Warmwasserspeichern – Power to Heat – genutzt werden?
Wärmeplan: 116 Erdsonden für Warendorf
Die Wege zur Klimaneutralität sind vielfältig. Warendorf beispielsweise hat seine insgesamt 12 466 Gebäude analysiert und festgestellt, dass der Bedarf an Wärme größtenteils mit fossiler Energie gedeckt wird. Das Wärmenetz in der westfälischen Kleinstadt ist gerade mal vier Kilometer lang. Mehr als die Hälfte der Warendorfer Gebäude wurde vor 1977 errichtet, allein deren Sanierung würde den Wärmebedarf um ein Drittel reduzieren. Der Warendorfer Wärmeplan sieht vor, dichter besiedelte Quartiere an ein neues Fernwärmenetz anzuschließen.
Vier Flusswärmepumpen an der Ems mit je zwei Megawatt Leistung sollen ab 2027 die 1100 Haushalte im Stadtkern über ein neues, 14 Kilometer langes Fernwärmenetz versorgen. Ulrich K. Butterschlot, Geschäftsführer der Stadtwerke Warendorf, setzt im Neubaugebiet In de Brinke auf ein Wärmenetz, dessen Wärme von bis zu 116 Erdsonden in 150 Metern Tiefe gewonnen und bei relativ niedrigen Wassertemperaturen deutlich unter 100 Grad an die gut isolierten Neubauten verteilt wird.
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Unterschiedliche Wärmepläne für Stadt und Land
Einen ähnlich klimafreundlichen Weg geht Alfhausen im Landkreis Osnabrück. Das Dorf zählt kaum mehr als 4000 Einwohner, hat aber ungewöhnlich auf dem Land ein Wärmenetz. Damals waren die Zinsen sehr niedrig, erinnert sich Bürgermeisterin Agnes Droste, „daher haben wir sehr gute Abnehmerpreise für die Fernwärme im Ort für unsere Bürger erzielen können“. Das Netz versorgt 460 der 876 Häuser mit Wärme, die in einem mit Biomethan betriebenen Blockheizkraftwerk erzeugt wird. Der parallel produzierte Strom geht direkt ins Stromnetz, die Wärme wird in einem großen Wassertank zwischengespeichert und über Fernwärmeleitungen ins Dorf transportiert.
Auch in Leipzig ist der Wärmeplan weit gediehen. Bis 2038 will die Großstadt ihre Wärme komplett klimaneutral erzeugen. Ein bereits weit verzweigtes Fernwärmenetz wird dazu ausgebaut. Genutzt wird dann nicht nur die Abwärme des Industrieparks Leuna aus bestehenden Heizkraftwerken und einer Power-to-Heat-Anlage. Ab 2026 sammelt ein Solarthermie Areal auf 14 Hektar Fläche Sonnenwärme ein. Mit 13 200 Solarkollektoren, die bereits installiert sind, ist die Anlage für eine Spitzenleistung von 41 Megawatt ausgelegt.
„Sanierung von Gebäuden ist ein wesentlicher Baustein für die Wärmewende“
Die Beispiele zeigen, wie unterschiedlich kommunale Wärmepläne ausfallen können. „Auch die Inhalte der bisher erarbeiteten Wärmepläne sind sehr heterogen“, sagt BBSR-Expertin Arnold Drmic. Doch stechen immer wieder ähnliche Punkte hervor. „Die Sanierung von Gebäuden ist ein wesentlicher Baustein für die Wärmewende“, sagt sie. Wer ein altes Haus mit Energieeffizienzstufe G oder H auf die Stufe C bringt, senkt den Energiebedarf von mehr als 250 auf weniger als 100 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter. Die fürs Heizen benötigte Energie kann also mindestens halbiert werden. Historisch betrachtet liegt die jährliche Sanierungsquote bei etwa einem Prozent. Wenn Kommunen mit sehr hohen Sanierungsraten von bis zu vier Prozent der Gebäude pro Jahr rechnen, würden sie scheitern, warnt Arnold Drmic: Solche Raten seien allein wegen der hochgradig ausgelasteten Baubranche kaum realisierbar.
Ausbau der Wärmenetze auf rund 40 Prozent bis 2040 nötig
In ländlichen Regionen mit wenigen Häusern gilt die dezentrale, hauseigene Wärmepumpe als beste Alternative. „Dazwischen gibt es die Gebiete, in denen es nicht so eindeutig ist.“ Da müsse man vor einem voreiligen Kauf einer Wärmepumpe die lokale Wärmeplanung genau verfolgen. „Kommunen sollten keine Angst vor dem Bau neuer Wärmenetze haben“, sagt sie und verweist auf derzeit noch sehr gute Fördermaßnahmen für die großen Investitionssummen zum Aufbau einer langfristig lohnenden Infrastruktur.
Mannheim schult Handwerker zu verfügbaren Techniken
„Soll die Wärmewende erfolgreich laufen, müssen auch Bürgerinnen und Bürger mitgenommen werden“, fordert BBSR-Expertin Arnold Drmic. Denn ohne Informationsfluss und Transparenz bleibe die Akzeptanz etwa für hohe Investitionen oder langjährige Baustellen auf der Strecke. Mannheim sei auf diesem Weg ein Vorbild mit einer eigens gegründeten Wärmewende-Akademie. Handwerker werden dort zu verfügbaren Techniken, deren Effizienz und Kosten geschult. Dieses Wissen können sie an Bürgerinnen und Bürger weitergeben und sie beraten.
Zu dieser Beratung gehört auch, auf die steigenden CO₂-Preise hinzuweisen, die das Heizen mit Öl und Erdgas immer teurer machen. Wenn 2027 das Europäische Emissionshandelssystem 2 (EU ETS 2) startet, könnte sich der Emissionspreis für eine Tonne CO₂ von derzeit 55 Euro durchaus vervielfachen. „Wer das weiß“, so Arnold Drmic, „wird sich sehr gut überlegen, ob er eine neue Gas- oder Ölheizung einbaut.“