Externes Monitoring

Energiepolitik auf neuem Kurs?

Mit einem externen Monitoring will Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche ihre künftige Energiepolitik vorab legitimieren lassen – möglichst agendakonform. Worauf muss sich die Erneuerbaren-Branche einstellen?
03.09.2025 | 4 Min. | 2
Erschienen in: Ausgabe 09/2025
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche will den beauftragten Monitoringbericht bereits im September zur Diskussion stellen.
Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche will den beauftragten Monitoringbericht bereits im September zur Diskussion stellen.
Foto: Sid Saxena / Unsplash

Selten wurde das Ende der parlamentarischen Sommerpause mit so viel Spannung erwartet wie in diesem Jahr. Einer der Gründe für den nervenaufreibenden Cliffhanger ist der angekündigte Monitoringbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWE). Dessen Chefin Katherina Reiche (CDU) will ihn bereits im September im zuständigen Bundestagsausschuss zur Diskussion stellen. Doch warum überhaupt ein externes Monitoring?

Auf Nachfrage verweist eine Sprecherin des BMWE zunächst auf den Koalitionsvertrag von Union und SPD: Der sieht ein Monitoring als Grundlage der weiteren energiepolitischen Arbeit vor. „Die Beauftragung setzt diesen Auftrag aus dem Koalitionsvertrag um – dieser ist Gegenstand der Ausschreibung“, so die Sprecherin. Inhaltlich gehe es vor allem um den zu erwartenden Strombedarf sowie den aktuellen Stand des Netzausbaus und der erneuerbaren Energien. Im Juni hatte das BMWE das Energiewirtschaftliche Institut an der Universität zu Köln und die Unternehmensberatung Bet Consulting mit der Durchführung des Monitorings beauftragt.

Leistungsbeschreibung mit brisanten Details

Tatsächlich ist die Idee eines Monitorings nicht neu: Bereits seit Jahren veröffentlicht die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der Bundesnetzagentur einen fortlaufenden Bericht zu Fragen der Energie- und Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit und Kosten. Das nun beauftragte Monitoring soll diesen Bericht aber nicht ersetzen, betont die BMWE-Sprecherin: Es umfasse ein breiteres Spektrum an Energieformen und -bereichen von Strom bis Wasserstoff. Der abschließende Bericht des externen Monitorings solle auch in bereits bestehenden Monitoringprozessen berücksichtigt werden. „Die konsequente Ausrichtung aller Bereiche auf Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit ist die Leitschnur des Monitorings und der darauf aufbauenden Handlungsoptionen“, zitiert die Sprecherin aus der Leistungsbeschreibung.

Das interne Dokument hatte die Deutsche Umwelthilfe Ende Juni auf ihrer Website veröffentlicht. Es enthält brisante Details: So soll nicht etwa eine eigene Modellierung die Grundlage des externen Monitorings bilden, sondern eine namentlich genannte Liste vorliegender Studien – auf Basis völlig unterschiedlicher Prämissen und Methoden. Gewünscht sei, so steht es in den inhaltlichen Anforderungen der Leistungsbeschreibung, explizit eine kritische Auseinandersetzung mit den bisherigen Zielen der Bundesregierung.

Erneuerbare ausbremsen?

Steht die deutsche Energiepolitik vor einer Neuausrichtung? Mögliche Änderungen könnten in eine größere Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) einfließen, die im Herbst folgen soll. Reiche äußerte sich zuletzt zunehmend kritisch zum Erneuerbaren-Ausbau. Ihr Credo: Er solle sich an den Übertragungs- und Verteilnetzkapazitäten ausrichten, nicht andersherum.

Der Weg zu attraktiven Strompreisen führt über den Erneuerbaren-Ausbau.“ Philipp Godron, Programmleiter Strom bei Agora Energiewende

Für Philipp Godron, Programmleiter Strom bei Agora Energiewende, ist das der falsche Weg: „Pragmatismus in der Energiewende ist wichtig, und tatsächlich muss Deutschland beim Ausbau der Stromnetze Tempo machen. Der Erneuerbaren-Ausbau bleibt der zentrale Hebel zum Erreichen der Klimaziele in Industrie, Gebäuden und beim Verkehr“, mahnt er. Es müsse sich für Unternehmen und Haushalte lohnen, auf klimafreundliche Technik wie Wärmepumpen und Elektroautos umzusteigen. „Der Weg zu attraktiven Strompreisen führt über den Erneuerbaren-Ausbau.“ Aufgrund der langen Planungs- und Realisierungsfristen sei der Netzausbau ohnehin bis 2030 weitgehend festgelegt und habe daher keine Auswirkungen auf die Strompreise.

Ein Zankapfel der Debatte ist Deutschlands künftiger Strombedarf. Reiche argumentiert, dass er geringer sein könnte als prognostiziert – und dementsprechend auch der Erneuerbaren-Ausbau überambitioniert sei. Godron widerspricht: „Unsere Analysen zeigen, dass der laut aktuellem EEG geplante Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2030 die Börsenstrompreise um knapp ein Viertel senken wird – selbst bei einem schwächeren Anstieg der Stromnachfrage.“ Dauerhafte Strompreissenkungen über Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt seien deutlich teurer als die Förderung von Windkraft- und Solaranlagen. Der Agora-Programmleiter warnt vor falschen Schlussfolgerungen: „Eine Kappung der Ausbauziele birgt das Risiko, dass die Kraftwerksemissionen bei einer plötzlichen Zunahme der Stromnachfrage wieder ansteigen – beispielsweise infolge eines wirtschaftlichen Aufschwungs“, so Godron.

Klimaneutralität erst später?

Über allem steht die Frage: Bekennt sich die Bundesregierung weiter zu dem Ziel, Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen? Wiederholt warb die Bundeswirtschaftsministerin für eine „Harmonisierung mit internationalen Zielen“, sprich: Verschiebung der Klimaneutralität auf 2050. Entsprechend wichtig ist der Monitoringbericht für Reiches Kurs: Das Ergebnis soll entscheidende Argumente für ihre künftige Energiepolitik liefern. Bundesumweltminister Carsten Schneider (SPD) dürfte das nicht gefallen: Für ihn seien Deutschlands Klimaziele „ein zentrales Projekt der Bundesregierung“.

Wie viel Sprengkraft der Bericht für die Koalition hat, zeigt ein Brief von Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, an Katherina Reiche: Darin übt Scheer scharfe Kritik am Vorgehen des Wirtschaftsressorts: Die Leistungsbeschreibung zum beauftragten Monitoring weiche in wesentlichen Punkten vom Koalitionsvertrag ab. Beispielhaft nennt Scheer eine mögliche Neuausrichtung der Energiepolitik: „Die Ergänzung stellt alle geltenden energiepolitischen Regelungen pauschal infrage und schafft damit Planungs- und Investitionsunsicherheit.“ Die gewählten Formulierungen intendierten zudem, dass der Auftragnehmer Handlungsempfehlungen geben müsse. Das widerspreche dem Selbstverständnis des vereinbarten Monitorings mit dem Ziel einer Bestandsanalyse. Scheer missfällt zudem die Vorauswahl der Studien – einige wurden bereits wegen ihrer unzureichenden Betrachtungen kritisiert. Es sei augenfällig, dass sie dazu dienen sollten, die Strombedarfsprognose zu senken – und damit die Ausbauziele für erneuerbare Energien infrage zu stellen. Das Bundeswirtschaftsministerium hat sich zu der Kritik bislang nicht geäußert.

Kommentare (2)

Bundesweit finden am 20.9.2025 Klimademos statt.
Warum ruft die Branche nicht zur Teilnahme auf?

18.09.2025 - 17:03 | Andreas Radl

Gemessen am Wissensstand normaler Bürger und Bürgerinnen ist der Wissensstand von Frau Reiche, bezüglich der Gefahren des Klimawandels und deren Bekämpfung, dürftig. Gaskraftwerke sind das Dümmste was man sich als Lösung vorstellen kann.
Gemessen am Wissensstand des Sachbuches – Warum wir versagen im Kampf gegen den Klimawandel – ist der von Frau Reiche sogar erschreckend dürftig. Dies wird uns Milliardensummen kosten, ohne die Folgen des Klimawandels abmildern zu können.

16.09.2025 - 12:35 | Gernot Kloss

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Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche will den beauftragten Monitoringbericht bereits im September zur Diskussion stellen.
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